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90,56 Prozent für neuen steirischen SPÖ-Vorsitzenden Lercher

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Lercher und seine Vorgänger Lang und Schickhofer
©APA, ERWIN SCHERIAU
Der neue Vorsitzende der SPÖ Steiermark, Max Lercher, hat bei der Direktwahl durch die rund 15.000 stimmberechtigten Parteimitglieder 90,56 Prozent Zustimmung erhalten. Das Votum hatte im Mai begonnen. 48 Prozent hatten mitgestimmt. Das Ergebnis ist am Samstag beim Landesparteitag in Premstätten südlich von Graz bekannt gegeben worden. Einen Gegenkandidaten gab es nicht. Bundesparteivorsitzender Andreas Babler gratulierte von Kärnten aus.

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"Ich weiß, dieses Ergebnis ist nicht selbstverständlich. Mir ist bewusst, dass ich auch polarisiere", dankte Lercher für das Ergebnis. Sein Vorgänger Anton Lang hatte im Jänner 2024 knapp 91,7 Prozent der Stimmen erhalten. Lercher habe nicht daran geglaubt, noch einmal an dieser Stelle zu stehen: "Und jetzt stehe ich da mit allen meinen Erfahrungen, Erfolgen, aber auch Niederlagen, und will das tun, wofür ich in die Politik gegangen bin: Probleme lösen und Zukunft schaffen."

Vor zwölf Jahren hatte er schon am "Reformparteitag" eine Rede gehalten: "Ich bin nach zwölf Jahren geläutert und geerdet". Ego- und Machtpolitik seien schlechte Berater für die Herausforderungen der Zukunft, weil sie zu falschen Entscheidungen führen, so seine Erkenntnis. Die Sozialdemokratie habe oft ein Bild abgegeben, "das uns alle schmerzt", gab er zu. "Viel zu oft haben wir uns in Parteitaktik verloren und ein Schauspiel aufgeführt, statt uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ich bin mir bewusst, dass ich dazu beigetragen habe. Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe."

Seine Grundsatzrede startete Lercher mit einem für die SPÖ ungewöhnlichen Thema, nämlich Migration: "Wir haben uns bei diesem wichtigen Thema viel zu lange weggeduckt. Ein Großteil hört uns nicht mehr dabei zu und wir werden nicht ernst genommen. Um interne Diskussionen zu vermeiden, haben wir geschwiegen, aber wir dürfen das Thema nicht totschweigen. Wir müssen eine klare Linie haben, aber auch die Sorgen ernst nehmen und auch negative Entwicklungen ansprechen." Sein Vorsatz: "Keine Toleranz den Intoleranten." Das sei übrigens keine Übernahme von freiheitlichen Positionen: "Wir wollen Lösungen, die anderen wollen keine Lösungen, weil Probleme der Nährböden ihres politischen Erfolgs sind", so Lercher.

Der neue Parteivorsitzende erntete viel Applaus für seine Position: "Ein Mensch, der Vollzeit arbeitet, muss ohne Förderungen leben können." Weiters dürften Pflege, Gesundheit, Energieversorgung und Daseinsvorsorge nicht die Sparten für Gewinnmaximierung sein. "Die Pflege darf nicht auf Profit aus sein." Er kündigte "die größte Dialogtour unserer Geschichte" an, ob digital oder am Stammtisch. "Wir müssen auch da hingehen, wo es wehtut, weil auch dort haben wir zu diskutieren." Er wolle auch die Betriebsorganisationen wieder stärken.

Ein paar Seitenhiebe auf die FPÖ-ÖVP-Landesregierung verkniff sich Lercher nicht: Diese habe das Infrastrukturbudget gekürzt, "aber dafür Sandburgen in Jesolo gebaut". Der Tourismus sei zwar wichtig, "aber das Fundament unseres Wohlstands ist die Industrie". Geht es nach Lercher, werden die rund 70 Mio. Euro Rendite der Energie Steiermark zur Hälfte für einen Steiermark-Fonds für Investitionen und die andere Hälfte für einen günstigen Steiermark-Stromtarif genutzt. Die Energie Steiermark müsse auch zu 100 Prozent in den Händen des Landes bleiben.

Lercher sprach sich "für eine flächendeckende, kostengünstige, und letztlich kostenlose Kinderbetreuung" sowie eine 24/7-Akutversorgung an jedem Krankenhaus-Standort aus: "Es braucht alle Krankenhaus-Standorte in der Steiermark, um dem Versorgungsauftrag gerecht zu werden." Die Zweiklassen-Medizin müsse beendet werden: "Die E-Card muss reichen. Wir zahlen genug Abgaben." Der Obersteirer sprach unter anderem auch Bildung, Pensionen und Sicherheitspolitik an, von Klimathemen war dagegen nichts zu hören.

Zum Abschluss meinte er: "Wahrscheinlich hat es den FPÖ-Wahlsieg gebraucht, damit auch wir uns auch ändern. Heute steht eine geerdete Sozialdemokratie da, die bereit ist, sich zu ändern." Er verspreche keine Wunder, sondern harte Arbeit. Dafür erhielt er stehende Ovationen, begleitet von "You Get What You Give" von den New Radicals.

Nach der Rede von Lercher und einer Mittagspause hätte eigentlich Ex-Bundeskanzler Christian Kern seine Keynote halten sollen. Er musste allerdings kurzfristig zu einer beruflichen Auslandsreise und schickte daher seine Rede in Form eines Videos. Inhaltlich fokussierte er den Industriestandort Österreich und Europa. Er benannte Fehler, die in den vergangenen Jahren passiert seien: "Die Krise, die wir haben, hat damit zu tun, dass wir bei den wichtigen strukturellen Veränderungen und Zukunftsentwicklungen abgehängt worden sind." China und die USA stünden weit besser da.

Was die Kapitalkraft betreffe, sei Europa "aufgrund der Art und Weise, wie wir unsere Finanzmärkte aufgesetzt haben, nicht mehr in der Lage" wettbewerbsfähig zu sein. US-amerikanische Unternehmen würden europäische Player einfach aufkaufen. "Das ist beunruhigend, aber es zeigt, dass die Marktwirtschaft nicht mehr in der Lage ist, das Problem zu lösen, weil die Unterschiede und Verzerrungen schon so groß sind, dass wir jetzt dringend eine politische Strategie brauchen, wie wir diese Zukunftsunternehmen behalten können." Es sei mehr europäische Zusammenarbeit nötig, "weg vom nationalen Kirchturmdenken".

"Wir werden uns mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie wir effizienter das öffentliche Geld verteilen können und wie wir neue Einkommensquellen finden. (...) Es gibt viele Möglichkeiten, Geld auszugeben, aber es gibt nur eine, Geld zu erwirtschaften. Und das ist, erfolgreich in der Wirtschaft zu reüssieren", so die auf einem SPÖ-Parteitag durchaus ungewöhnliche Conclusio des früheren Kanzlers. Seiner Ansicht nach fehle es gelegentlich auch am Selbstbewusstsein, "dieser Mut und dieser Wunsch und diese Freude, Gesellschaft zu gestalten und darüber nachzudenken, was die Zukunft bringt." Er glaube aber an Lercher, seine "Freude und Begeisterung. Die SPÖ braucht es." Für ihn verkörpere der Obersteirer den "idealtypischen Sozialdemokraten. Du hast verstanden, wie der Hase läuft."

SPÖ-Bundesparteivorsitzender Andreas Babler gratulierte Lercher vom Kärntner Landesparteitag aus: Mit ihm "steht ein engagierter, kämpferischer und tief in der Steiermark verwurzelter Sozialdemokrat an der Spitze der Landespartei. Max Lercher steht für soziale Gerechtigkeit und das, was uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ausmacht: zuhören, die Sorgen und Wünsche der Menschen ernst nehmen und konsequent dafür arbeiten, dass das Leben der Menschen besser, leichter und leistbarer wird."

Der Parteitag der steirischen Roten hatte traditionell mit einem Frühstück, begleitet von Jazzklängen, begonnen. In der Premstätten Halle am Schwarzlsee war überall "Deine Lebensrealität. Mein Auftrag" zu lesen, Lerchers Motto. Hinzu kamen auffällige Markierungslinien am Boden, die beispielsweise den Weg zum Catering wiesen. "Klare Linie mit Max Lercher" lautete die dazu passende Erklärung.

Rund 400 Delegierte sowie etwa 600 weitere Gäste waren zum Parteitag gekommen. Auf sämtlichen Stühlen hingen weiße Stoffsackerl mit dem Motto und dem Konterfei von Lercher in Rot aufgedruckt. Neben gratis Pickerl und Bierdeckel mit demselben Branding gab es auch T-Shirts mit dem durchaus einprägsamen Aufdruck zu je zehn Euro zu kaufen. Zum Einzug hatte Lercher Standing Ovations sowie herzliche Begrüßungen etwa durch seine Vorgänger Michael Schickhofer und Anton Lang sowie auch Staatssekretär Jörg Leichtfried erhalten.

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