Die Regierung hat eine offene Auseinandersetzung mit sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen bisher verdrängt. Auch für sie selbst wird das gefährlich
ANALYSE DER WOCHE
Man könnte glauben, die Regierung setze allein darauf, dass alles gut gehen wird: Dass sich Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten nicht ausweiten und Österreich sicher bleibt. Dabei betonen Heeresexperten längst, wie unsicher die Zeiten geworden sind. Bei der Präsentation des „Risikobild 2025“ hieß es etwa, dass sich Europa in einem „Kriegszustand“ befinde, was sich unter anderem auf Cyberangriffe und Desinformationskampagnen bezieht, die von Russland ausgehen.
In Teilen der Bevölkerung scheint sich jedoch die Überzeugung zu halten, dass man eine Insel der Seligen bilde. Laut einer „Standard“-Umfrage gehen relativ viele (44 Prozent) davon aus, dass man weniger wahrscheinlich angegriffen wird, wenn man die Neutralität betont; glauben umgekehrt nur 34 Prozent, dass das Bundesheer mit modernen Waffen ausgestattet werden sollte.
Das ist auch für die Regierung gefährlich: Sofern ÖVP, SPÖ und NEOS über die gegenwärtige Legislaturperiode hinaus zusammenarbeiten wollen, brauchen sie am Ende des Tages eine Mehrheit für alles Wesentliche, was sie tun. Inhaltlich zählen Entscheidungen zu Sicherheit und Verteidigung dazu, zumal sie relevant sind und nicht ewig verdrängt werden können.
Eher über kurz als über lang wird etwa eine Klarstellung dazu fällig, wie man der Beistandsverpflichtung im Falle eines Angriffs auf ein anderes EU-Land entsprechen würde. Das ist nach wie vor offen. Oder: Schon zum Jahreswechsel, wenn Experten Vorschläge dazu vorlegen werden, zeichnet sich das Thema Wehrdienstzeitverlängerung ab. Eine solche finden laut der Umfrage heute nur 30 Prozent wichtig. Kein Wunder: Es hat noch keine offene Auseinandersetzung mit Risiken und Bedrohungen gegeben; also keine breite Problembewusstseinsbildung, die Voraussetzung dafür ist, dass eine Mehrheit der Wähler zutiefst Unpopuläres für notwendig erachtet und mittragen kann. Es gibt zwar Pläne für Bürgerversammlungen in allen Bundesländern dazu. Realität sind sie aber noch nicht – und die Zeit drängt.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 26/2025 erschienen.