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Walzer und Dampfmaschine: Michael Scharangs Strauss-Roman

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Strauss-Roman von Michael Scharang
©APA, Czernin Verlag
Zu der Fülle von Aktivitäten und Neuerscheinungen im Strauss-Jahr anlässlich des 200. Geburtstags des Walzerkönigs gesellt sich nun auch ein ungewöhnlicher Roman: "Johann Strauß oder Die Geburt des Walzers aus der Dampfmaschine" hat Michael Scharang, der konsequent das heute übliche Doppel-s in der Namensschreibung seines Protagonisten verweigert, sein Buch genannt, in dem er auf eigenwillige Weise Geschäft und Gesellschaft, Kunst und Politik miteinander verbindet.

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Bei Scharang bezieht der junge Komponist die Anregung zu seinem charakteristischen Dreivierteltakt durch die Arbeit in einer metallverarbeitenden Fabrik. Bei der Herstellung von großen Töpfen schlägt die Dampfmaschine jeweils einen Bolzen ins Metall und läuft danach zweimal leer. "Die Dampfmaschine war eine Revolution in der industriellen Fertigung. Der zukünftige Walzer wird eine Revolution in der Musik sein, er wird die Musik des industriellen Zeitalters."

Auch in anderer Hinsicht stellt der 84-jährige österreichische Autor den Musiker als Revolutionär dar: In den Unruhen des 1848er-Jahres lässt der durch Unterhaltungsmusik populär Gewordene deutliche Sympathien für die Aufständischen erkennen. Diese sammeln sich im Garten seines Vorstadtetablissement, Strauss komponiert einen Revolutionsmarsch. Der junge Kaiser ist not amused über diese Aktivitäten des Walzerkönigs. Dieser flüchtet, ehe es für ihn so richtig brenzlig wird und die Revolution blutig niedergeschlagen wird, auf Auslandstournee.

Michael Scharang verband einst mit Romanen wie "Charly Traktor", Filmen wie "Die Kameraden des Koloman Wallisch" und scharfzüngigen Essays politischen Kampfgeist, klassenkämpferische Analyse und literarische Ausdruckskraft. In seinem Alterswerk hat er für die unveränderten Anliegen einen neuen Ton angeschlagen, den er in seinem neuen Buch auf die Spitze treibt. In "Aufruhr" (2020), einem Traum von der friedlichen Revolution, in "Die Geschichte vom Esel, der sprechen konnte" (2023), eine auf seiner fiktionalisierten Autobiografie aufbauende Fabel, und schließlich in dem im Vorjahr erschienenen Weltverbesserungsmärchen "Die Wagenburg oder Die Flüchtlinge von Ratz", ist die Erzählweise bewusst einfach, ja naiv.

Der Aufstieg des jungen Mannes, der beim Versuch, sich von seinem üblen und trunksüchtigen Vater, dem Kapellmeister Johann Strauss senior, zu emanzipieren, durchwegs an die richtigen Leute gerät, wird als Mischung aus ökonomischer Erfolgsstory und tagebuchartigen Einträgen alltäglicher Lebensvorgänge erzählt. Während Musikerkollegen und Förderer in unzähligen Besprechungen aus den Kompositionseinfällen eine glänzend laufende Geschäftsidee machen, die ihrerseits maschinenartigen Charakter annimmt, wird den Bestellungen und der Konsumation von Speis und Trank ebenfalls breiter Raum eingeräumt. Gefühlt auf jeder zweiten Seite wird Wein aufgetragen und entweder Schweinsbraten oder Käse und Weintrauben verzehrt. Ebenso akribisch wie lakonisch wird auch jeder Geschlechtsverkehr zwischen Johann und seiner Freundin, der Sängerin Elvira, vermerkt.

Dabei steht nicht nur Großes im Zentrum, nämlich der Aufstieg des armen jungen Musikers zum globalen Superstar, der in Russland ebenso gefeiert wird wie in Amerika, sondern sind es auch Große, die seinen Weg kreuzen. Scharang gelingen hier schöne und überraschende Annäherungen: Johannes Brahms wird zu einem engen Freund des sich immer mehr verausgabenden Komponisten, Geigers und Dirigenten, Jacques Offenbach nimmt ihm seine erfolgreichen Ausflüge ins Operettenfach keineswegs krumm, und Georg Waldmüller leidet darunter, dass seine realistischen Darstellungen des Arbeiter- und Vorstadtelends deutlich weniger Absatz finden als seine verkitschten Idyllen.

Sogar mit Europas Fürsten verkehrt der Walzerkönig. Während sich jedoch der Zar als erstaunlich nahbar und jovial erweist, bestätigt eine einzige kurze Begegnung mit Franz Joseph Johanns kritische Haltung: "Kein Händeschütteln, kein Lächeln. Ein eiskalter Mensch, sagte Elvira."

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Michael Scharang: "Johann Strauß oder Die Geburt des Walzers aus der Dampfmaschine", Czernin Verlag, 272 Seiten, 25 Euro)

WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/Czernin Verlag

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