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Jetzt ist noch ein neues dazugekommen: "Der Schlächter", im Mai 2024 bereits im englischen Original erschienen, ist am Donnerstag im Penguin Verlag auch auf Deutsch veröffentlicht worden. Der Roman handelt von einem talentlosen Chirurgen im Pennsylvania des 19. Jahrhunderts, der sich durch grausame Experimente an Frauen berufliche Reputation verschafft.
"Düster wie Bram Stoker, feministisch wie Margaret Atwood" sei das teilweise auf einer wahren Geschichte beruhende Buch, heißt es vom Verlag. Die "New York Times" lobte bereits im vergangenen Jahr, dass der Roman "fieberhafte Energie, erzählerischen Antrieb und - manchmal exzessive - beschreiberische Amplitude" habe.
Mit viel Talent und Disziplin veröffentlicht die inzwischen 86 Jahre alte Oates, die fast 50 Jahre lang mit dem Literaturprofessor Raymond J. Smith bis zu dessen Tod 2008 verheiratet war und eine literarische Fachzeitschrift herausgab, seit Jahrzehnten ein Werk nach dem anderen. Die Ideen kommen der zierlichen Frau mit der großen Brille nach eigenen Angaben meist beim Joggen, der Rest ist "harte Arbeit", acht Stunden pro Tag. "Das Schreiben verursacht mir keine Beunruhigung, nicht wirklich", sagte sie einmal. "Es ist so eine Freude."
Das Schreiben scheine Oates so leicht zu fallen wie das Atmen, schrieb die "New York Times" einmal. "Zum Neid, zur Bewunderung und zum Ärger anderer weniger fingerfertiger Autoren hat Oates eindeutig noch nie unter Schreibblockaden gelitten." Schreibt sie gerade nicht an einem Buch, kommentiert sie auf der Onlineplattform X ihr Leben und die Geschehnisse der Welt - und das so eindringlich, dass der britische "Guardian" ihr Profil zum "einzigen reinen Ort, den es auf dieser Höllenseite noch gibt" erklärte.
Aber nicht nur die Quantität bestimmt ihr Werk, wie manche Kritiker monieren, sondern auch die Qualität. In fast allen ihren Texten entmythisiert die Autorin, was andere den "amerikanischen Traum" nennen. Sie deckt die Kehrseite der Vision vom Streben nach Glück und Erfolg auf, zeigt, wie Gewalt und Tragödie den Menschen korrumpieren. Auch historische Themen macht sie zeitgenössisch relevant - oft mit feministischem Blick.
"Ich glaube, dass Kunst nicht behagen darf", sagte Oates, die 1938 im US-Bundesstaat New York als Tochter eines Fabrikarbeiters zur Welt kam, einmal. "Dafür haben wir die Massenunterhaltung und dafür haben wir einander. Kunst sollte provozieren, beunruhigen, Gefühle aufwühlen und unsere Sympathien dorthin lenken, wo wir sie nicht erwarten und vielleicht auch gar nicht haben wollen."
Die vielfach preisgekrönte Oates, nach der inzwischen sogar ein Literaturpreis benannt ist, sei zur "herausragendsten Literatin Amerikas geworden, indem sie all das getan habe, was man eigentlich nicht machen solle", schrieb der "New Yorker". Sie zeige eine "erfrischendes Fehlen von Peinlichkeit, eine Gleichgültigkeit vor dem Konzept des Überdrusses".
Oates, die seit Jahrzehnten auch als Professorin für kreatives Schreiben arbeitet, wirft sich in ihre Themen, dreht Schreib-Pirouetten und beschreibt auch die kleinsten Kleinigkeiten in allen Facetten. Für Minimalisten sind ihre Bücher deswegen eher nicht das richtige.
(S E R V I C E - Joyce Carol Oates: Der Schlächter, Penguin Verlag, 448 Seiten, 24,70 Euro)