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Claudel, der auch als Filmregisseur in Erscheinung getreten ist ("So viele Jahre liebe ich dich" mit Kristin Scott Thomas), hat sich bei seinem Rundumschlag am uramerikanischen Genre des Westerns orientiert, wo einsame Männer die Dinge mit Gewalt richten und auf Bösewichte Kopfgeld ausgesetzt wird. Genau das macht in dieser Parabel, in der Realität und Satire auf das Verstörendste vermischt werden, der reichste Mann der Welt, Elon Musk: 300.000 Dollar setzt er für die Tötung von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow aus, eine Million Dollar für Außenminister Sergei Lawrow und eine Milliarde Kopfgeld auf Russlands Präsident Wladimir Putin.
Die deutsche Übersetzung erscheint im österreichischen Müry Salzmann Verlag just in Tagen, in denen sich die Welt fragt, wie US-Präsident Donald Trump auf die Demütigung des Ausgangs der New Yorker Bürgermeisterwahl reagieren wird ("Wir werden uns darum kümmern", lautete sein erster Kommentar, den viele als Drohung verstehen), und in denen Elon Musk von den Tesla-Aktionären eine Bonuszahlung von 1.000 Milliarden Dollar fordert. In "Wanted" funktioniert der hohe Geldeinsatz: Peskow wird zwei Tage später ermordet, Lawrow nach vier Tagen. Voller Spannung wartet man auf eine von Putin angekündigte Presseerklärung, die weltweit live übertragen wird. Die Börsen drehen durch, die Militärs sind weltweit in höchster Alarmbereitschaft.
Das wirklich Erschreckende des Romans ist nicht das perfide, aber recht simple Szenario, das Claudel auch nicht ganz überzeugend weiterdreht und mit aus der Narration fallenden politischen Analysen durchmischt, sondern die Art der Beweisführung seiner These, dass Geld und Dummheit endgültig die Welt regieren. Der Franzose arbeitet reale Ereignisse ein und vermischt sie mit Aussagen und Interviews, die leider allzu echt klingen, weil sie den irren und irritierenden, aber bereits sattsam bekannten Mustern folgen. "Haben Sie die Rede von Trump vor der UN-Vollversammlung gehört?", fragte Alexander Van der Bellen jüngst bei einer Veranstaltung in Wien und empfahl dringend, dies nachzuholen: "Daran werden Sie sich immer erinnern!" Und so funktionieren auch die von Claudel erfundenen Interviews und Auftritte von Trump und Musk: patzig, schräg, arrogant, aggressiv und in einer Art und Weise die Wirklichkeit verdrehend, dass einem schlecht wird.
Am Ende von "Wanted" sind nicht nur die zum Abschuss Freigegebenen tot, sondern auch der, der das Kopfgeld ausgeschrieben hat. Präsident Trump trauert. Und hat am Golfplatz einen genialen Einfall. Er erlässt das "Elon-Dekret". Damit sollen jene, die auf einer von ihm zu erstellenden Liste der Unersetzlichen stehen, künftig vor dem Tod geschützt sein. "So ist es. Der Tod ist vorgewarnt. Jetzt soll er sich zusammenreißen und aufpassen! Mehr sage ich nicht."
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - Philippe Claudel: "Wanted", Aus dem Französischen von Margret Millischer, Müry Salzmann Verlag, 110 Seiten, 22 Euro)
Goncourt Academy member Philippe Claudel is pictured after the announcement of the names of finalists of the 2022 Goncourt prize at the French ambassador's residence in Lebanon's capital Beirut on October 25, 2022. (Photo by JOSEPH EID / AFP)






