Alles neu macht der Mai. Laut Ausschreibung auf der Verlautbarungsplattform des Bundes kann sich bis Montag um 18 Uhr per E-Mail beim Medienministerium bewerben, wer eines der sechs von der Regierung entsandten Mitglieder im Stiftungsrat des ORF werden will.
Die Minimalreparatur des ORF-Gesetzes ist erledigt, die Ausschreibung für die nächsten Stiftungsräte veröffentlicht, die angebliche Entpolitisierung erhält eine umgefärbte Tarnkappe. Im neuen Gremium wird es statt der jahrelang gewohnten ÖVP-Dominanz ein Gleichgewicht mit dem SPÖ-Einfluss geben, falls nicht gar eine rote Mehrheit. Also tritt Thomas Zach, der Sprecher des türkisen Freundeskreises, nicht mehr an. Der bisherige grüne Stiftungsrat-Vorsitzende Lothar Lockl hat ebenso den Rückzug angekündigt wie seine von den Neos entsandte Kollegin Anita Zielina. Das ist ungeachtet der Qualitäten ihrer Nachfolger schade, denn die beiden zählten zu den Kompetenteren im höchsten ORF-Organ.
Seine 35 Mitglieder wählen im Sommer 2026 den Generaldirektor – in offener Abstimmung. Spätestens dann wird klar, ob auch die neuen Räte Befehlsempfänger der Parteien sind, die hinter ihrer Entsendung stecken. Zuletzt war das bis auf wenige Ausnahmen so. Das weckt die Frage, wie viel Medienexpertise die vermeintlichen Gesinnungsgemeinschaften haben. Aufgrund ihrer Programme lässt sich das kaum beurteilen. Eher schon durch profilierte Personen. Demgemäß hat im Stiftungsrat selbst einer von blauen Gnaden die aktuell größte ORF-Kompetenz. Aber nicht der direkte Parteigesandte Peter Westenthaler, sondern der von der Steiermark nominierte Thomas Prantner, ein Urgestein vom Küniglberg, wo er Online-Direktor war und gegen Roland Weißmann als General kandidiert hat.
ÖVP, FPÖ und Grüne zurück
Gegen so viel Innensicht haben die ÖVP-nahen Herwig Hösele, einst Chefredakteur und Herausgeber einer Wochenzeitung, Gregor Schütze, früher Kurzzeitdirektor bei ATV, und Ex-TT-Journalist Stefan Kröll das Nachsehen. Direkt in der Volkspartei wirkt generelle Medienkompetenz mit Praxiserfahrung noch dünner gesät: Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer war Geschäftsführer des 2024 eingestellten Volksblatts der ÖVP Oberösterreich. Angesichts der vom politischen Gegner oft beschworenen Dominanz bürgerlicher Medienhäuser ist diese Know-how-Absenz überraschend.
Während in der FPÖ Generalsekretär Christian Hafenecker wenig und die graue Eminenz Andreas Mölzer viel journalistische Routine hat, ist bei den Grünen nur Sibylle Hamann entsprechend aufgefallen. Deklarierte Exponenten mit wirklicher Medienmanagement-Erfahrung fehlen beiden Parteien.
SPÖ und die Neos voran
Das wird besonders deutlich im Vergleich mit den pinken und roten Koalitionären. Die Neos verfügen mit Helmut Brandstätter (früher ORF, n-tv, Puls, Kurier), Veit Dengler (Ex-NZZ-Chef) und Niko Alm (einst Addendum) über ein vielfältig beschlagenes Dreigestirn. In der SPÖ sind vormalige Küniglberg-Herrscher Mitglieder: Alexander Wrabetz und Gerhard Zeiler, der spätere RTL-Vorstandsvorsitzende und heutige Präsident von WarnerMedia International. Dazu kommt noch Andreas Rudas, der erst ORF-Generalsekretär und dann Bundesparteigeschäftsführer war, um später in Deutschland bei der WAZ (heute Funke) und bei RTL in Spitzenpositionen zu reüssieren. Geht es um die innerparteiliche Expertise, hat Medienminister Andreas Babler also gute Karten. Er muss sie aber auch spielen.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 18/2025 erschienen.