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Der letzte Rabbiner von Gaza: Eine vergessene Geschichte jüdischen Lebens

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3 min

Dokument des Cairo Genizah

©Wikipedia

Bevor Gaza von Konflikten geprägt wurde, lebten Juden und Araber dort über Jahrhunderte in Frieden. Die Geschichte des letzten Rabbiners, Nissim Ohana, erinnert an diese verlorene Ära – und das dramatische Ende einer 3.000-jährigen jüdischen Präsenz.

800 Jahre, bevor Mohammed den Islam verbreitete, im zweiten Jahrhundert v. Chr., existierte bereits unter König Jonathan Hasmonean eine jüdische Siedlung auf dem Gebiet des heutigen Gaza. Der Talmud erwähnt Rabbi Elazar ben Yitzchak von Darum während der Tannaitic Periode (1–220 n.Chr.), wo heute Deir El-Balah liegt, im Zentrum von Gaza.

Dokumente des Cairo Genizah, einer Sammlung von 400.000 jüdischen Schriften, die ein Onkel von Heinrich Heine entdeckte und die heute in Cambridge ausgewertet werden, dokumentieren das Leben der jüdischen Bevölkerung in Gaza während der Kreuzzüge, der Eroberung durch die Mongolen bis zur Herrschaft der Mamluken (1250–1517), ehemaliger Sklaven, die eine Dynastie gründeten, und Juden eine eigene Gemeinde gewährten. Rabbiner Meshulam aus der Toskana besuchte 1481 Gaza und schrieb: „Etwa sechzig Familien leben hier mit einer wunderbaren Synagoge und haben eben begonnen, den neuen Wein zu ernten.“ Während der nächsten Jahrhunderte überlebte die jüdische Bevölkerung die Eroberung des Gebiets durch Napoleon, die Ottomanen, die Ägypter, die Franzosen und die Briten.

Jüdische Grundschule

1907 übernahm Rabbi Nissim Ohana, 1881 in Médéa, Algerien, geboren, die Gemeinde in Gaza. Ohana ließ den ersten jüdischen Friedhof errichten – bis dahin mussten die Toten auf Eseln nach Hebron gebracht werden –, eine Mikveh (rituelles Bad) und die erste jüdische Grundschule. In der Zeitschrift der zionistischen Bewegung Happel Hatzair stand 1910: „Hier in Gaza leben und arbeiten Araber und Juden miteinander, niemand wird verfolgt oder ausgeschlossen.“

Sheikh Abdullah El-Alami, der Mufti von Gaza, erschien eines Tages bei Ohana und klagte, die christlichen Missionare würden ein Buch verbreiten, im dem behauptet werde, der Quran sei nichts anderes als eine Zusammenstellung von Texten aus der Thora und dem Neuen Testament. Ohana versprach, zu helfen. Er schrieb in seiner Biografie: „El-Alami kam zweimal die Woche, ich übersetzte Textstellen in der Thora und im Neuen Testament auf Arabisch, er schrieb die Unterschiede zum Quran auf. Daraus entstand sein Buch über Islam, Judentum und Christentum mit dem Titel ‚Wie man einem Ketzer antwortet‘.“

New York

1913 nahm Ohana eine Einladung nach New York als Rabbiner der Syrisch-Jüdischen Gemeinde an, kehrte nach zwei Jahren zurück, um seine Arbeit in Gaza wieder aufzunehmen. Doch es kam nicht dazu. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs musste Ohana – er hatte einen französischen Pass – Gaza verlassen und übernahm die Gemeinde in Port Said, wurde später Oberrabbiner von Ägypten. Angesehen und respektiert von Mitgliedern der königlichen Familie wurde er von König Fuad I. regelmäßig zum Tee eingeladen. Nach der Gründung Israels wurde Ohana zum Ober-Rabbiner von Haifa ernannt. 1980 starb er, der letzte Rabbiner von Gaza.

1921 kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Juden und Arabern. Die Lage eskalierte, fanatische Araber zerstörten Synagogen und Häuser der jüdischen Familien. 1929 flüchteten die Letzten von ihnen – das Ende der 3.000-jährigen Geschichte der Juden von Gaza.

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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 16/2025 erschienen.

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