News Logo
ABO

Lesetipp: "Stehlen Schimpfen Spielen" von Barbi Marković

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
4 min
Barbi Markovic, 2024 bei ihrer Ehrung in Leipzig
©APA, dpa, Hendrik Schmidt
"Rasant, seriell und pop-affin." So nannte die Jury zum Preis der Leipziger Buchmesse 2024 Barbi Markovićs ausgezeichnetes Buch "Minihorror" und wünschte sich: "Der Genuss ihrer witzigen und scheinbar so einfachen Sätze, die die absurde Fallhöhe zwischen Alltag und existenzieller Weltlage ausmessen, soll bitte nicht enden." Die in Wien lebende Autorin hat diesen Wunsch erfüllt. Auch ihr neues Buch "Stehlen Schimpfen Spielen" ist rasant, humorvoll, flapsig und klug in einem.

von

Dabei handelt es sich um ein Genre, das nicht eben für seinen Unterhaltungswert bekannt ist: die Poetikvorlesung. Marković hat sie im Mai 2024 an der Paris Lodron Universität in Salzburg gehalten und thematisiert die zwei Jahre zuvor erhaltene Einladung dazu gleich zu Beginn: "Zwei Jahre sind eine Ewigkeit. (...) In zwei Jahren bin ich klüger und gebildeter. Ich bin schön, erwachsen, ökonomisch gesichert. In zwei Jahren habe ich die österreichische Staatsbürgerschaft, Kinder, ein Haus und einen Sixpack. In zwei Jahren komme ich daher und rocke die Poetikvorlesung."

Natürlich wird alles anders, die Zeit vergeht und die Vorlesung schreibt sich nicht von alleine. 13 Tage vor dem dick in den Kalender eingetragenen Termin setzt sie sich endlich an den Computer - und schreibt über ihre Schreibhemmung. Das hat ihr schon in der Schule die strenge Lehrerin verboten: Uralter Trick und ur-fade! Doch wer sich um Ge- und Verbote nichts schert (um ein anderes Wort, das mit "sch" beginnt, zu vermeiden, obwohl Marković diesem Kraftausdruck ebenso Raum gibt wie den kunstvollsten Schimpftiraden) und auf seine ureigensten Ausdrucksmittel vertraut, der legt einfach los. Und liefert erneut etwas ab, das wirklich vergnüglich zu lesen ist.

In den vergangenen Jahren hat sich viel getan im Leben und der literarischen Karriere der 1980 in Belgrad geborenen Autorin, und der Preis der Leipziger Buchmesse habe ihr viel Aufmerksamkeit verschafft und viel Arbeit gemacht, schreibt sie und blickt in einem 13-tägigen Countdown bis zum Tag Null, dem Termin der Poetikvorlesung, zurück. Dass sich ein Objekt ihres Schreibens materialisiert (sich aber am Ende desinteressiert wegsetzt und lieber "Forellenfischen in Amerika" liest als persönlich in Salzburg aufzutreten), hat sie schon in ihrer Leipziger Preisrede verwendet. Dort ließ sie ihre Hauptfigur Mini Kommando und Wort ergreifen. Doch Barbi Marković hat in Wahrheit alles fest im Griff.

In der ausgearbeiteten und erweiterten Poetikvorlesung erfährt man bei allem Understatement tatsächlich viel von Poetik und Entwicklung der Autorin, die jüngst in ihrem "Piksi-Buch" auf das Belgrad der 1990er-Jahre zurückblickte und dabei Fußball, Familien- und Landesgeschichte mischte. "Stehlen Schimpfen Spielen" ist ein wenig die Fortsetzung davon und löst quasi im Vorbeigehen auch die Versprechungen des Titels ein.

Dennoch ist, so verlangt es das Spiel, am Ende natürlich nicht nur die Poetikvorlesung selbst, sondern auch die Autorin enttäuscht. "Ich wollte eine Poetikvorlesung schreiben, in der verschiedene Pudelmischungen vorkommen. Und in der ich meine geheime Karriere als Tanzstücktexterin in Holland vorantreibe."

Näher auf der verschiedenen Pudel Kern geht Marković wohl in ihrem Jugendtheaterstück "Deadly Poodles" ein, das in der Regie von Felix Hafner am 3. Juni das Linzer Schäxpir Festival eröffnet, und in dem Pudel auf der Bühne ihr Unwesen treiben. Um Markovićs hierzulande noch nicht gewürdigten Beitrag zum Tanztheater auch in Österreich Aufmerksamkeit zu verschaffen, sind dagegen ImPulsTanz Festival oder Tanzquartier dazu aufgerufen, nach der in den Niederlanden lebenden Choreografin Dunja Jocic Ausschau zu halten, mit der die vielseitige Autorin schon mehrfach arbeitete. Dann könnte es das nächste Mal vielleicht heißen: "Stehlen Schimpfen Spielen Tanzen".

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Barbi Marković: "Stehlen Schimpfen Spielen", Rowohlt Hundert Augen, 144 Seiten, 20,60 Euro)

Über die Autoren

Logo
Monatsabo ab 20,63€
Ähnliche Artikel
2048ALMAITVEUNZZNSWI314112341311241241412414124141241TIER