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Jazzgitarrist Karl Ratzer zum 75er in Alters-Höchstform

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Weltklasse-Jazzgitarrist Karl Ratzer feiert seinen 75. Geburtstag - und er beschenkt Fans und sich selbst mit einem Konzert-Dreierpark im Wiener "Porgy & Bess". Der Eröffnungsabend am Donnerstag bot einen endlich wieder in jeder Beziehung bestens disponierten Jubilar, der - wie immer - die stilistischen Grenzen auslotete. Sein Trio wurde umrahmt vom famosen Streicherinnen-Quartett eXtrachello und seinen brasilianischen Freunden Yta Moreno, Ricardo Mateus und Fred Mascavo.

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Der Geburtstag ist am 4. Juli, da spielt Ratzer mit seinem klassischen Trio gemeinsam mit Langzeit-Musik-Gefährten Peter Herbert am Bass und dem Schlagzeug-Künstler Howard Curtis (USA). Für Donnerstag war eigentlich "nur" das Trio in der extravaganten Kombination mit eXtrachello angekündigt. Aber es wäre nicht "Sir Karl", wenn es nicht eine Überraschung gegeben hätte: Das erste Set des Abends stand ganz im Zeichen von Samba und Bossa Nova - das besonders Erstaunliche dabei: Wie harmonisch sich das "eigentlich" klassische Chello-Quartett rund um Leiterin Margarethe Herbert in Samba, aber später auch traditionellen Jazz einfügte, dem Ganzen eine ganz neue Dimension verlieh.

Set 2 war dann zunächst einer kleinen Ratzer-Retrospektive in die Historie des traditionellen Jazz gewidmet: als Höhepunkte "Mary Ann" von Ray Charles und "Sweet Lorraine" aus 1928, zum Hit gemacht von Nat King Cole (auch schon 1940). Aber natürlich griff Ratzer auch auf Eigenes zurück. Etwa "Moon Dancer" (1998) und "Underground System", eine Komposition gemeinsam mit Peter Herbert von 2014. Mit ganz besonderem Augenzwinkern interpretierte der 75-Jährige "My Time" nach der Ankündigung "Ich spiel ein Stück aus meiner Jugend, da hatt' ich blaue Augen." In Wahrheit ist der Song eine charmante Reflexion darauf, dass sich Karl Ratzer in seiner wilden Zeit einen unverrückbaren Ruf an Unzuverlässigkeit erarbeitet hatte. Legionen von Konzertveranstaltern können ein Lied davon singen.

Heute ist der Gitarren-Meister umgänglich, witzig-ironisch - aber vor allem eines: immer noch brillant an der Gitarre. Ratzer streichelt die Saiten, sein Spiel ist nach wie vor voll Gefühl und Intuition; und das in jedem Stil. Die Fans dürfen sich also auf die zwei weiteren Abende wirklich freuen: Am Geburtstag selbst mit dem Trio, am Samstagabend dann zum chilligen Abschluss ausschließlich mit sanft schwebenden Samba- und Bossa Nova-Rhythmen powered by Yta Moreno.

Das "Porgy & Bess" würdigt mit Karl Ratzers Geburtstagskonzerten übrigens seinen treuesten Künstler: Der Musiker hat im September 1992 das Eröffnungskonzert des "Jazz & Music Club" in der Riemergasse in der Wiener City bestritten. Und er ist, wie Porgy-Chef Christoph Huber verriet, jener Künstler, der bei Weitem am häufigsten dort aufgetreten ist, nämlich an mehr als 100 Abenden.

Geboren wurde Karl Ratzer am 4. Juli 1950 in Wien, von wo aus er sich zu den bedeutendsten österreichischen Jazzmusikern der Gegenwart hochgearbeitet hat. Er entstammt einer musikalisch geprägten Roma-Familie mit ursprünglich slowenischen Wurzeln. Die kulturelle Offenheit und Vielfalt seiner Herkunft prägten auch seinen künstlerischen Zugang zur Musik. Bereits in jungen Jahren entwickelte er eine enge Verbindung zur Gitarre, das Spiel brachte er sich ab seinem zehnten Lebensjahr selbst bei. "Aber ich habe mir immer Informanten gesucht: Trompeter, Saxophonisten, Posaunisten, Pianisten, Organisten, Bassisten, Schlagzeuger und Percussionisten", erzählte er der APA im Vorfeld der Geburtstagskonzerte.

Seine ersten musikalischen Bühnenerfahrungen sammelte "Charly" Ratzer in der Rock- und Blues-Szene Wiens. Sein Debüt gab er als knapp 14-Jähriger in der Underground-Band The Slaves, die auch international für Furore sorgte. "Porgy & Bess"-Chef Christoph Huber, langjähriger Ratzer-Begleiter, erinnert sich: "Dies vor allem deswegen, weil diese Band vom damaligen Manager der Rolling Stones (man schrieb das Jahr 1965) unter Vertrag genommen wurde, nachdem Mick Jagger, Keith Richards & Co nach einem Stadthallen-Konzert The Slaves im damaligen San Remo Club (heute wohl besser bekannt als die berühmt-berüchtigte Camera, Anm.) gehört hatten."

Allerdings: Bevor die Band durchstartete, wurde sie schon wieder aufgelöst. "Angeblich schlummern immer noch Bänder in einem Londoner Aufnahmestudio, die nie veröffentlicht wurden, obwohl eigentlich für die erste LP produziert", so Huber. Es folgten Bands wie Charles Ryders Corporation, die Rockband C-Department und schließlich Gipsy Love mit Kurt Hauenstein (später Supermax), Peter Wolf (später u.a. Starship-Produzent) und seinen beiden Cousins Harri & Jano Stojka - eine Band, die bis heute Kultstatus genießt.

(Von Werner Müllner/APA)

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