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APA: Wie viel wussten Sie von Kafka vor Ihrem Engagement für "Franz K."?
Idan Weiss: Mir war Kafka tatsächlich völlig fern. In der Schulzeit habe ich ihn natürlich gelesen, aber da ist man ja eher abgeschreckt, wenn man etwas durcharbeiten muss. Abstrakte, intellektuelle Sachen mag ich grundsätzlich jedoch gerne und ich lese auch irre viel. Deshalb habe ich, nachdem ich die Rolle bekommen habe, natürlich alles von Kafka gelesen!
APA: Ist Kafka nun ein Autor, der Ihnen persönlich nahe ist?
Weiss: Ich habe ihn schätzen gelernt. Allerdings ist die Ähnlichkeit zwischen Kafka und mir begrenzt. Ich kann mich mit nichts identifizieren, was ihn betrifft - außer der Sensibilität! Ich bin ihm nicht ähnlich, da ich sehr extrovertiert, klamaukig und lebensfroh bin. Aber er hatte zumindest einen genialen, bizarren Humor.
APA: Agnieszka Holland gilt als Filmemacherin, die im Ensemble Improvisation zulässt. Wie ging es Ihnen damit?
Weiss: Agnieszka ist ein unfassbar toller Mensch. Sie schafft es, eine High-Energy-Atmosphäre zu kreieren, einen zu pushen und einem doch den Raum für Improvisation zu geben. Für sie war Kafka der Kindheitsheld, und wir haben uns nun gemeinsam auf die Suche nach Kafka begeben - für mich hat es sich am Ende gar nicht mehr wie spielen angefühlt.
APA: Wie würden Sie für sich "Franz K." definieren? Als Essay? Als Mosaik?
Weiss: Anfangs wusste ich nicht, ob es ein sehr lineares Biopic wird oder doch ausschweifend. Aber jetzt ist es ein Film geworden, bei dem man Kafka mitbekommt, wie er war oder gewesen sein könnte. Eigentlich sieht man einem sensiblen Menschen zu, wie er versucht, mit der Welt zu interagieren. Faszinierend!
APA: Müssen Sie bei der Rollenerarbeitung für sich zu diesem sensiblen Menschen werden? Oder können Sie Rolle und Leben in der Arbeit völlig trennen?
Weiss: Ich muss mich verlieren in einer Rolle, sonst funktioniert das nicht für mich. Man gibt ja immer etwas von sich, wenn man spielt. Deshalb habe ich mich für "Franz K." zwei Monate in einer Wohnung verbarrikadiert und das Tageslicht gemieden. Und ich habe eine Depression, die ich früher hatte, wieder auf den Tisch gelegt. Das war eine Herausforderung, funktioniert aber. Ich mache mich verletzlich, weil ich mich öffne, und davon hat im Idealfall das Publikum etwas. Wenn ich Menschen emotional berühren oder sie irritieren kann, kann man etwas auslösen in ihnen. Wenn Menschen einen guten Zugang zu ihrer Emotion haben, kann man ganz anders miteinander umgehen. Und dann sähe unsere Welt auch vielleicht anders aus.
APA: Wie kommen Sie wieder aus einer Rolle heraus, wenn Sie darin so tief eintauchen?
Weiss: Das war schon schwer. Aber in meinem nächsten Film geht es um Suizid, das wird erst recht nicht einfach. Aber es ist ein Lernprozess für mich, wie man aus dem Mantel, den man eine Weile trägt, wieder heraus kommt. Ich bin noch jung und werde lernen, wie man mit krassen Rollen umgeht, sich schützt. Man verliert sich, findet sich wieder und hat etwas dazugelernt.
APA: Sie legen Ihr Kinodebüt jetzt gleich als Raketenstart mit einem großen Projekt und großen Namen an. Ist das eher cool oder auch beängstigend für Sie?
Weiss: Ich finde es eigentlich sehr geil, wenn man ins kalte Wasser geschmissen wird. Ich habe in diesem Film einmal alles durchlebt, was auf der Leinwand geht. Das war ein kompletter Rausch. Es geht so oder auch anders. Aber für mich war es so stimmig.
APA: Das heißt, Sie bleiben dem Kino erhalten?
Weiss: Ich wollte schon immer Schauspieler werden, was aber bisher nie vollkommen geklappt hat. Und mit einem Kinofilm kann man mehr erzählen als mit einer Serie. Meine Lösung ist: Ich mache nur Filme, die spalten. Mache ich Filme, die allen gefallen, fühle ich mich schlecht. Und wenn sie gar keinem gefallen, natürlich auch. Wenn es spaltet, ist es spannend, weil es in jedem etwas anderes auslöst. Und das interessiert mich!
(Das Gespräch führte Martin Fichter-Wöß/APA)
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