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Jonathan Coes satirischer Roman "Der Beweis meiner Unschuld"

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Aktualisiert
Lesezeit
5 min
Neuer Roman von Jonathan Coe
©AFP, APA, JOEL SAGET
Mit Büchern wie "Nummer 11", "Middle England" oder "Bournville", alle in deutscher Übersetzung im Folio Verlag (Wien/Bozen) erschienen, hat Jonathan Coe bewiesen, dass sich kritische Auseinandersetzung mit dem aktuellen politischen Geschehen hervorragend in unterhaltsame Romane packen lässt. "Der Beweis meiner Unschuld" heißt sein neuer Roman, der sich mit dem Rechtsruck der Konservativen in Großbritannien beschäftigt. Coe ist daran nicht schuld - soviel steht schon mal fest.

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Das Buch spielt im September 2022, und die Handlung ist fest eingebettet in reales Geschehen: Die Konservative Liz Truss wird Premierministerin, Königin Elisabeth II. stirbt. Ereignisse, die auch einen Kongress überschatten, zu dem ein rechter Think Tank auf einen renovierungsbedürftigen englischen Herrensitz geladen hat. Unter den Teilnehmern ist der Journalist und Blogger Christopher Swann, der sich als scharfzüngiger Kritiker der politischen Rechten positioniert hat und über erhebliches Insiderwissen über deren Pläne verfügt - etwa über ein Geheimpapier zur beabsichtigten Zerschlagung und Privatisierung des britischen Gesundheitswesens.

"Mord ist tief in der britischen Lebensart verankert", meint Christopher und verweist bei einem Spaziergang mit der Tochter einer Studienfreundin, der Pastorin Joanna, auf eine Auslage, in der Bücher mit einschlägigen Titeln gestapelt sind: "Mord im Pfarrhaus", "Eine Leiche zum Tee", "Böse Saat", ... Die Cosy-Crime-Szene boomt. "Man nehme einen idyllischen, ländlichen Schauplatz ("urenglisch", was auch immer das hieß), gebe ein paar Vikare, Pub-Wirte und Cricketspieler dazu und denke sich eine triviale Mordgeschichte aus." Ein Subgenre nennt sich "Dark Academia" und spielt in Unikreisen.

Auch Coe, 1961 in Birmingham geboren, schöpft in seinen Büchern immer wieder von seinen Studienjahren am berühmten Trinity College in Cambridge, wo er als Außenseiter jenen Elitezirkel beobachten konnte, der Jahre später die Geschicke Großbritanniens lenken sollte. Unübersehbar hat er Christopher einiges von sich selbst mitgegeben, und was er und Joanna einst als Studenten erlebten, liegt auch als dunkler Schatten der Erinnerung über den aktuellen Ereignissen: Sie waren dabei, als alles begann, lautet die These des lästigen Journalisten, der sich bewusst ist, so machtgierige wie skrupellose Gegner zu haben.

Mit "Der Beweis meiner Unschuld" möchte Coe beweisen, was er alles drauf hat: Zahlreiche Figuren, Nebenhandlungen und auch das vorübergehende Wechseln in andere literarische Gattungen machen den neuen Roman etwas unübersichtlich. Es gibt sogar einen Roman im Roman, der in die gemeinsame Studienzeit der Protagonisten führt. Die am Vorabend ihrer Pensionierung mit der Aufklärung eines Mordes befasste Kriminalkommissarin ackert ihn in einer langen Nacht in der Bibliothek von Joannas Gatten durch. Zum Nachdenken hat die Kriminalistin anschließend viel Zeit: An der Seite ihres Mannes reiht sie sich nämlich in die lange Warteschlange jener ein, die von der aufgebahrten Queen Abschied nehmen wollen.

Erfrischend ist wie immer, dass Jonathan Coe die von ihm erkannten Missstände - und die dafür Verantwortlichen - unverblümt beim Namen nennt. Auch seine Sittenbilder aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Nischen - diesmal etwa die Buchbranche - sind plastisch und vergnüglich. Den Beweis, auch als Krimiautor talentiert zu sein, bleibt er jedoch schuldig, und mitunter weiß man nicht, ob manche Wendung des Plots satirisch oder ernst gemeint ist. Es ist eben doch komplizierter als jene immer wiederkehrende, nervende Durchsage in britischen Zügen, die Fahrgäste zur Wachsamkeit auffordert und die den Rahmen von Coes Roman bildet: "See it. Say it. Sorted." - "Sieh hin. Sag's weiter. Sache geklärt."

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Jonathan Coe: "Der Beweis meiner Unschuld", Aus dem Englischen von Cathrine Hornung, Folio Verlag, 406 Seiten, 28 Euro. Am Donnerstag, 25. September, 19 Uhr, im Bruno Kreisky Forum für internationalen Dialog, Armbrustergasse 15, 1190 Wien Tessa Szyszkowitz im Gespräch mit Jonathan Coe.)

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