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Dass die in Paris lebende britische Wissenschaftsjournalistin flott schreiben kann, hat sie in ihrem 2017 auf Englisch und 2018 auf Deutsch erschienenen Buch "1918 - Die Welt im Fieber" bewiesen, einer Darstellung der Spanischen Grippe, die in der Covid-19-Pandemie zum Bestseller wurde. Auch die Forschungsergebnisse über ihr neues Interessensgebiet hat sie auf packende Weise zu einem bereits in einigen Ländern erfolgreichen Buch verarbeitet.
Vor 5.000 Jahren trafen am Schwarzen Meer Nomaden aus der Steppe auf Bauern aus der gemäßigten Zone. Die dabei entstehende Sprache breitete sich rasch in alle Himmelsrichtungen aus und veränderte sich dabei. "Binnen 1000 Jahren wurden spätere Formen dieser Sprache von Irland bis Indien gesprochen", so die Autorin über diesen "Urknall der indoeuropäischen Sprachen", den sie für die Alte Welt als "das mit Abstand bedeutendste Ereignis der letzten 5000 Jahre" beschreibt. Vor allem die Möglichkeit, DNA aus alten archäologischen Funden zu bestimmen und damit Migrationsströme von einst viel genauer zu kartografieren, hätte auch der Erforschung der Frühgeschichte unserer Sprache ganz neue Impulse gegeben.
Doch es gehe nicht nur um kulturelle Erkenntnisse wie etwa jene, dass Mythen wie die des Drachentöters und des Faust bereits in der allerersten indoeuropäischen Sprache bekannt gewesen seien, sondern auch um ein Bewusstsein dafür, dass Sprache stets politisch, aber niemals statisch sei, so Spinney. Migration sei eine Menschheitskonstante ebenso wie ihre Auswirkung auf die Sprache: "Seit Bestehen der Menschheit haben die Sprachen nie aufgehört, einander gegenseitig aufzunehmen und zu verändern." Sprachliche "Reinheit" gebe es nur als Propagandainstrument, ist die Autorin überzeugt.
(Laura Spinney: "Der Urknall unserer Sprache", übersetzt aus dem Englischen von Stephanie Singh, Hanser, 336 Seiten, 26,80 Euro, ISBN 978-3-446-28245-2)
WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/Hanser Verlag