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Jene Rede, bei der er tatsächlich improvisierte und damit großes Aufsehen erregte, ist leider nicht enthalten: Als der 1978 im bosnischen Visegrad Geborene für sein Buch "Herkunft" 2019 den Deutschen Buchpreis erhielt, war Peter Handke wenige Tage zuvor der Nobelpreis zuerkannt worden. "Ich hatte das Glück, dem zu entkommen, was Peter Handke in seinen Texten nicht beschreibt", brachte er damals sein Unverständnis dafür zum Ausdruck. "Dass ich hier heute vor Ihnen stehen darf, habe ich einer Wirklichkeit zu verdanken, die sich dieser Mensch nicht angeeignet hat."
Abgedruckt sind dagegen, neben seiner Poetikvorlesung an der Hochschule Rhein/Main 2020, seine Reden u.a. zur Entgegennahme des Nelly-Sachs-Preises der Stadt Dortmund, zum Schillerpreis oder - eine sehr witzige Rede - zum Schubart-Preis der Stadt Aalen. Es findet sich aber auch eine "Rede, die ich mal in Graz halten möchte, Anlass egal".
Darin begleitet er Thomas Bernhard auf dessen Bitte zu einer Weinverkostung nach Graz, begegnet gemeinsam mit ihm auf dem Schlossberg drei japanischen Touristinnen, die sich als Ilse Aichinger, Ingeborg Bachmann und Marie von Ebner-Eschenbach in Kimonos entpuppen, und stellt fest, dass auch Peter Handke, Elfriede Jelinek, Friederike Mayröcker und H.C. Artmann zum Weintrinken in den Herbersteingarten gekommen sind. Damit empfiehlt sich Stanišić nachdrücklich für einen Graz-Auftritt.
Vorerst kommt er aber nach Wien: Am 17. April absolviert er eine "Konzert-Lesung" im Musikverein, vier Tage später wird sein 2023 erschienenes Kinderbuch "Wolf" von Claudia Waldherr im Theater der Jugend auf die Bühne gebracht.
(Saša Stanišić: "Mein Unglück beginnt damit, dass der Stromkreis als Rechteck abgebildet wird. Eine Ermutigung", Luchterhand Literaturverlag, 160 Seiten, 23,50 Euro, ISBN: 978-3-630-87840-9)
