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Der ärgerliche Kommentar Masisis über die Borniertheit und Ignoranz der Westler, die Tierschutz ohne Nachdenken betreiben und sich die lokalen Auswirkungen von sich ungehemmt vermehrenden Elefantenherden in keiner Weise vorstellen können, ging im April 2024 durch die Presse und erreichte auch Schoeters. Als Autorin fand sie die Vorstellung dieses wahrhaft elefantösen Geschenks nicht nur absurd komisch, sondern auch reizvoll. In der Literatur ist schließlich alles möglich. In ihrem Roman drückt sie sich dann an der entscheidenden Stelle: Sie lässt die Elefanten buchstäblich aus dem Nichts auftauchen. Mit welchem Zauber man das von Botswana aus bewerkstelligt, bleibt ein Geheimnis.
Es geht aber in "Das Geschenk" nicht um das wahrhaft Unvorstellbare der Materialisierung unzähliger Dickhäuter in einer gänzlich ungewohnten Umgebung, sondern um die Auswirkungen - und um deren Bewältigung. Denn nach einer kurzen Schrecksekunde, in der die in der Spree vor dem Kanzleramt badenden und durch städtische Parks trabenden Elefanten als echt verifiziert werden, läuft der politische Krisenbewältigungsmechanismus an. Das Problem ist so absurd, dass man nicht nur einmal an Ionescos Stück "Die Nashörner" denken muss, aber es ist weder zu ignorieren, noch wegzudiskutieren. Dafür ist es zu groß.
Und es ist gefährlich. Vor allem für das politische Überleben von Bundeskanzler Hans Christian Winkler, der von rechter Seite gehörig unter Druck geraten ist. Daher nimmt er das gespenstische Auftauchen der grauen Kolosse als willkommenen Anlass, vom politischen Alltag abzulenken und Krisenkompetenz zu beweisen. Rasch kommt alles in Fahrt. Der Krisenstab, die Experten, die Sicherheitsfachleute und die Spindoktoren - sie alle sind das erwartbare Personal in einem Szenario, das Schoeters mit spürbarer Lust am Fabulieren ausbreitet. Bald sind wieder jene die Hauptsache, mit denen die traditionelle Politik umzugehen versteht: Umfragewerte, Stimmungsbarometer, politische Gegner und Konkurrenten in der eigenen Partei. Doch die Elefanten erweisen sich als unberechenbar. Und sie sind gekommen, um zu bleiben.
"Das Geschenk" hält sich nicht großartig mit fein ausgearbeiteten Nebensträngen auf, sondern bleibt auf flott zu lesenden 140 Seiten ganz bei der Sache. Und die ist trotz aller Leichtigkeit des Sujets durchaus schwerwiegend - und nicht nur deshalb, weil ein afrikanischer Elefantenbulle bis zu sechs Tonnen auf die Waage bringen kann. "Humor ist eine äußerst wirksame Waffe gegen totalitäre Politik und Ideen", sagt Gaea Schoeters in einem vom Verlag verbreiteten Interview. "Das gemeinsame Lachen über den absurden Zustand, in dem sich die Welt heute befindet, ist der erste Schritt, die Realität zu überdenken und die Zukunft anders zu gestalten."
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - Gaea Schoeters: "Das Geschenk", Übersetzt aus dem Niederländischen von Lisa Mensing, Zsolnay Verlag, 140 Seiten, 22,70 Euro)
WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA / Zsolnay Verlag/Zsolnay Verlag