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Bei Maria Lazar nutzt der vermeintlich beim Flugzeugabsturz ums Leben Gekommene, ein zuvor von der Pleite bedrohter Bankier, die Chance für einen Neuanfang unter neuem Namen. Bei Antonia Löffler bekommen die drei "Überlebenden" noch in der gemeinsam verbrachten, wirren Nacht im TWA Hotel im alten, von Eero Saarinen in den 1960ern entworfenen Terminal am JFK-Flughafen, mit, dass es sich um einen Irrtum handelt, und gar nicht "ihre" Maschine abgestürzt ist, sondern eine Boeing 747, die nach Warschau unterwegs war. Kein Grund für einen Neuanfang also. Aber viel Zeit, eine neue Bekanntschaft in Gesprächen zu vertiefen.
Die 1991 in Wien geborene Journalistin Antonia Löffler, die für die Arbeit an ihrem Debütroman das Hans-Weigel-Literaturstipendium des Landes Niederösterreich erhalten hat, setzt also einen starken Auftakt, der aber in die Irre führt. Besser wäre, man orientiert sich gleich am Titel. Es geht dabei nicht um Hydra, das vielköpfige schlangenförmige Monster der griechischen Mythologie, sondern um Hydra, die griechische Insel. Dort wurde 1991 von einer internationalen Truppe rund um den berühmten Regisseur Johan Harms eine Version von Henrik Ibsens "Die Wildente" geprobt, die später als "Ibsen auf der Insel" ein weltweiter Tourneeerfolg wurde, der auch bei den Wiener Festwochen gastierte.
Die Wiener Radiojournalistin Anne, die für ein Feature mit ihrem Freund, dem Regisseur Jacob, in New York war, hat immer mehr den Verdacht, einst in Hydra habe sich etwas ereignet, das auch für ihre Eltern, beide fest in der Theaterszene verankert, bedeutsam war. Anne macht sich in vielen Gesprächen daran, das Familiengeheimnis zu ergründen: "Was geschah in Hydra?"
Der Romanleser weiß mehr, denn er ist quasi live dabei und verfügt auch über Gesprächsprotokolle von Therapie-Sitzungen oder Auszüge aus einem unveröffentlichten Manuskript mit Erinnerungen an damals. Die Handlung wechselt dafür vom Jahr 2022 immer wieder zurück ins Jahr 1991 und konfrontiert mit allerhand Turbulenzen in der Theatertruppe, die mit der damaligen Ausnahmesituation der totalen Freiheit auf der griechischen Insel kontrastieren - oder zusammenhängen. Die Handlung ähnelt dabei allerdings zunehmend der mythologischen Hydra: Für jeden abgeschlagenen Kopf bzw. abgehakten Strang scheint sie zwei neue dazuzubekommen. Mitunter fragt man sich dann, ob man das alles wirklich so genau wissen möchte.
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - Antonia Löffler: "Hydra", Milena Verlag, 292 Seiten, 26 Euro; Buchpräsentation am 30.9., 18.30 Uhr, im Konzertcafé Schmid Hansl, Wien 18, Schulgasse 31; https://www.antonialoeffler.com/)
WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA / Milena Verlag