News Logo
ABO

"Adieu Unsterblichkeit": Kreisky grüßen aus der Finsternis

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
8 min
Auch nach 20 Jahren alles im grünen Bereich: Kreisky mit Sänger Franz Adrian Wenzl (2.v.l.)
©Wohnzimmer Rec., Ingo Pertramer, APA
Es waren unverhofft positive Vibes, die Kreisky vor vier Jahren auf "Atlantis" in die Welt gesendet haben. Mit dem Nachfolger "Adieu Unsterblichkeit" werden die vier Herren ihrem lang erarbeiteten Ruf als Grantler vom Dienst wieder eher gerecht. Wobei die neuen Stücke weniger nach aufgeweckter Wut, sondern mehr nach Herz der Finsternis klingen. "Es geht um das nicht benennbare Dunkle im Menschen", meint Sänger und Texter Franz Adrian Wenzl.

von

Freilich gibt es auch auf Album Nummer 7 den gewohnt zackig-akzentuierten Kreisky-Sound zwischen Art-Pop und Noise-Rock. Diesmal mischen sich aber mit wabernden Gitarren, unheimlichen Synthietönen, bedrohlichen Störgeräuschen und gespenstischen Dissonanzen immer wieder "Grusel- oder Gothic-Elemente" in die musikalischen Grundklangfarben der Songs. Eine gute Portion Horror hier, ein Alzerl Suspense da. Dass man sich dem Düsteren zugewendet hat, hänge natürlich auch mit der Weltlage zusammen. "Ich will nicht sagen, dass es verschissene Zeiten sind, aber es gibt ansatzweise verschissene Elemente", attestiert Wenzl: "Wir wollten das nicht einfach wegdrücken, sondern kathartisch reinlassen in die Platte."

"Wenn man ein Album beginnt, dann entsteht über die ersten drei Nummern, von denen man wirklich überzeugt ist, eine Art Kern des Albums. Das hat dann einen Charakter, den man weiter ausarbeiten kann. Da entsteht ein Grundfeeling, das die Stoßrichtung des Albums vorgibt", sagt Gitarrist Martin Max Offenhuber. Im Fall von "Adieu Unsterblichkeit" ist "Nachtstück" einer dieser prägenden Songs - ein Stück über jemanden, der etwas diffus Schlimmes im Schilde zu führen scheint. Bei "Die Pedale", einem zweiten zentralen Stück, ist ebenfalls etwas ins Böse gekippt. Fast sieben Minuten dauert dieser vertonte Albtraum - mit einem wuchtigen Finale Furioso. Nichts für zarte Seelen. "Das passt für mich von vorne bis hinten. Hinter jedes Gewerk kann ich ein Hakerl machen und sagen: Check", freut sich Wenzl.

Überhaupt ist der Frontmann des heimischen Quartetts, zu dem auch noch Bassist Helmuth "Lelo" Brossmann und Schlagzeuger Klaus Mitter gehören, "sehr zufrieden" mit dem Album. "Wenn ich jetzt ein Best-of von uns zusammenstellen müsste, wären da ein paar Nummern dabei." Freilich gehe man sowieso nicht mit dem Ansatz, etwas Mittelmäßiges zu schreiben, ans Arbeiten. "Manche Sachen funktionieren dann halt super und andere ok", weiß Wenzl, der aber festhalten will: "Einen richtigen Scheiß machen wir eh nimmer, weil dazu können wir unser Handwerk zu gut."

Der Albumtitel allein ist schon ein inhaltlicher Kontrast zum Vorgänger, wurde dort doch die Jugend und die dazugehörige Naivität gefeiert. Jetzt heißt es eben "Adieu Unsterblichkeit". "Wir sind alle so um die 50. Das ist die Phase, in der man mit so manchem abschließt - u.a. mit dem Gedanken, dass es eh ewig weiter geht", sagt Wenzl. "Es ist schon ein schweres Thema", nickt Offenhuber.

"Ich hatte mal ein gutes Gehirn, jetzt denkt es immer dasselbe", klagt da im Titelsong ein Spieleerfinder, dem die Kreativität abhanden gekommen ist. Kommt da die Angst des Musikers vor der eigenen Einfallslosigkeit zum Ausdruck? "Auf jeden Fall", gibt Wenzl zu. "Ich mag es zwar nicht, wenn Texte so autobiografisch gelesen werden, aber da ist es mir schon darum gegangen, die Angst vor der Wiederholung oder dass einem nix mehr einfällt, zu thematisieren. Das Grundgefühl, dass man ein Hochstapler ist - das kennen glaube ich alle, die im kreativen Bereich tätig sind - spielt auch hinein."

Dass im Song ausgerechnet ein Games-Tüftler in eine Schaffenskrise schlittert, gibt dem Tragikomischen natürlich noch eine groteske Note. "Auch wenn es eine finstere Platte ist, braucht es ein leicht humoreskes Element, ein Augenzwinkern oder einen doppelten Boden. Ansonsten wird es bierernst und dann auch lächerlich", findet der Sänger. Geht es ihm als Künstler eigentlich darum, sich selbst auf eine Art unsterblich zu machen? "Es ist schon immer irgendwie dabei, dass man etwas schaffen will, was Bestand hat oder zumindest profund ist. Aber den Gedanken zum Welthit hatten wir nie. Es ist Musik, mit der man sich nicht unsterblich machen muss, aber für die Leute, die das verfolgen und interessiert, sind wir nicht austauschbar. Es gibt keine zweite Band wie Kreisky, das ist schon mal ein Wert für sich."

20 Jahre, seit der Gründung 2005, arbeitet man nun schon an der Unverwechselbarkeit. Wie schafft man es, als Formation zwei Jahrzehnte nicht nur zu überleben, sondern eine gute Zeit zu haben? "Mit den richtigen Werten", lacht Wenzl. Denn schwierig sei es natürlich inzwischen schon, beruflich und privat unter einen Hut zu bringen. Aber er freue sich immer noch auf das Tingeln im Tourbus, das Lautsein auf der Bühne und das Hotelfrühstück am Tag danach. Genug Freiraum und die richtige Dosis an gemeinsam verbrachter Zeit sind offenbar wichtiger Bestandteil einer intakten Bandbeziehung. "Jeder hat noch zig andere Projekte. Und es ist ja nicht so, dass wir wie Deep Purple in den 70er-Jahren die ganze Zeit aufeinanderpicken. Das Ausmaß ist eigentlich sehr gemütlich."

Gitarrist Offenhuber schwärmt ebenfalls von der "Quality Time", die die vier Mannen gemeinsam hätten. "Man muss aufpassen, dass man zum Arbeiten kommt vor lauter Gaudi." Für alle sei es immer wieder "eine diebische Freude, dass man da jetzt wieder was Arges produziert, was man auf die Menschen loslässt".

In den vergangenen Jahren haben Kreisky mit der Vertonung zweier Theaterproduktionen im Rabenhof ("Viel gut essen" von Sibylle Berg und "Kaspar" von Peter Handke) und eines Austro-Tatorts - das anklagende Stück "Was ist das für eine Welt" aus der gleichnamigen Folge beschließt die neun Songs umfassende Platte - auch Ausflüge in andere Metiers gemacht. "Das hält frisch", resümiert Wenzl, aber trotzdem will er sich mit seiner Band jetzt wieder auf möglichst viele Live-Auftritte - die Albumtour startet am 26. November im Wiener WUK - und neue Alben konzentrieren. Also so schnell keine Theatermusik mehr. Bezüglich Filmsoundtrack "müsste wirklich was Interessantes daherkommen - vielleicht ein Science-Fiction-Film oder so. Aber wenn jemand mit ein paar Tausendern wachelt und sagt, wir sollen den 'Bergdoktor' vertonen - da sehe ich mich jetzt nicht so."

(Das Gespräch führte Thomas Rieder/APA)

(S E R V I C E - https://kreisky.net/)

WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA/Wohnzimmer Rec./Ingo Pertramer/Ingo Pertramer

Über die Autoren

Logo
Monatsabo ab 20,63€
Ähnliche Artikel
2048ALMAITVEUNZZNSWI314112341311241241412414124141241TIER