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"Abendsonne" in Wien: Eine Oper als satirische Anklage

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"Abendsonne" bei Wien Modern: Ach, wie schön ist Schlummerland
©sirene Operntheater, Andreas Friess, APA
Eine Oper im Altersheim als Uraufführung im Spital: Mit "Abendsonne" des Duos Kristine Tornquist und Tomasz Skweres ist dem sirene operntheater im Rahmen des laufenden Wien-Modern-Festivals ein veritabler Erfolg gelungen. Im munteren Stelldichein wechseln sich im Jugendstiltheater am Otto-Wagner-Areal Tragik und Komik fließend ab. Am Ende steht eine Groteske im Buñuel-Stil, eine Posse wie bei "Pension Schöller" und eine Gesellschaftssatire, die das Pflegesystem anklagt.

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Im Zentrum des von Regisseurin Tornquist geschriebenen Librettos steht der alte Büxenstein (Johann Leutgeb). Der erhält im Haus Abendsonne eine Krebsdiagnose und will nach dem Kartenlegen durch die Mitbewohnerin Stella (Juliette Mars) die Pflegerin Mira (Ewelina Jurga) und den Pfleger Mirko (Vladimir Cabak) verkuppeln, um als deren Kind wiedergeboren zu werden. Dabei unterstützen ihn die beiden Mitinsassen Hagedorn (Horst Lamnek) und Sägebarth (Andreas Jankowitsch). Das leitende Personal der Einrichtung ist indes ausschließlich aufs Geld aus.

Vor diesem für zeitgenössische Bühnen ungewöhnlichen Stoff nimmt sich die Musik von Tomasz Skweres zweckdienlich zurück. Sie wallt immer wieder auf, ebbt aber auch ebenso wieder ab, wenn die Sänger anheben. Denn die Wortverständlichkeit hat hier den absoluten Vorrang.

Das Sängerensemble bewegt sich meist nicht weit weg vom Sprechgesang, streut bisweilen auch echte Sprechpassagen ein. Die percussion- und blechgetragene, 13-köpfige Instrumentalformation hat ihre dominanten Auftritte eher zwischen den Szenenwechseln, verfällt ansonsten immer wieder in einen augenzwinkernden Kommentar, wenn sie Bewegungen der Protagonisten begleitet oder wie ein altes Hörgerät pfeift.

In der szenischen Umsetzung dieses Geschehens ist dem Bühnenbildduo Markus und Michael Liszt ein Meisterstück des praktischen Minimalismus gelungen. Fünf frei stehende Türen dienen als Auftrittsmöglichkeit für die Bewohner der Seniorenresidenz, können gewendet ganz einfach als Bett in Draufsicht fungieren und grenzen zugleich das Orchester vom Spielgeschehen ab. Ansonsten findet das bunte Treiben im Altersheim auf der erhöhten Türebene, der eigentlichen Bühne und der Vorbühne ab und bietet entsprechende Interaktionsmöglichkeiten.

Alles in allem stellt "Abendsonne" somit einen rundum gelungenen Opernabend dar, der durchaus das Potenzial hat, weitere Kreise zu ziehen. Diese Abendsonne könnte noch länger scheinen.

(Von Martin Fichter-Wöß/APA)

(S E R V I C E - "Abendsonne" von Kristine Tornquist und Tomasz Skweres des sirene operntheaters im Jugendstiltheater, Baumgartner Höhe 1, 1140 Wien. Musik: Tomasz Skweres, Text/Regie: Kristine Tornquist, Musikalische Leitung des Ensemble Phace: Antanina Kalechyts, Bühne: Markus und Michael Liszt, Kostüm: Nora Scheidl. Mit Johann Leutgeb - Heribert Büxenstein, Horst Lamnek - Hermann Hagedorn, Andreas Jankowitsch - Hartmuth Sägebarth, Juliette Mars - Stella Sorell, Ewelina Jurga - Mira, Vladimir Cabak - Mirko, Maida Karišik - Regine Schellpfeffer, Dieter Kschwendt-Michel - Maximilian Notnagel. Weitere Aufführungen am 12., 13., 14., 15., 16. und 17. November. www.wienmodern.at/2025-tomasz-skweres-kristine-tornquist-abendsonne-de-4369)

Abendsonne, Sirene Operntheater. Jugendstiltheater Wien 8.11.2025. © Andreas Friess, Veröffentlichung honorarfrei für Pressezwecke ausschließlich im Zusammenhang mit der Produktion Abendsonne bis 31.12.2025 bei Namensnennung © Andreas Friess/Sirene Operntheater.

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