Beobachter sehen in der zweiten Amtszeit von Donald Trump und im Siegeszug der europäischen Rechtspopulisten den Beginn einer konservativen Revolution. Viele befürchten, dass es zum Umsturz der demokratischen Ordnung kommen könnte. Ganz ungefährlich ist die Lage nicht, denn fundamentale Enttäuschungen können destruktive Energien freisetzen
Diese Woche werden wir uns wahrscheinlich merken. Die neuerliche Angelobung von Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika markiert den vorläufigen Höhepunkt einer internationalen Trendwende, die für manche Beobachter wie den Politikwissenschaftler Ivan Krastev „revolutionären“ Charakter hat. Wovon reden wir, wenn wir von einer „konservativen Revolution“ reden? Unter Ideengeschichtlern macht man sich über das Wesen konservativer Revolutionen und über den Charakter des konservativen Revolutionärs keine Illusionen: Der konservative Revolutionär ist antiliberal, ultranationalistisch, militaristisch und autoritär, letztendlich ist er nichts weiter als der Vorläufer des Nationalsozialisten. Schöpfer des Begriffs war der Schweizer Armin Mohler, der in seiner Dissertation kurz nach dem Krieg das Wirken Ernst Jüngers, Carl Schmitts und Oswald Spenglers in der Zeit zwischen 1918 und 1932 als „Konservative Revolution“ beschrieb, und zwar durchaus wohlwollend. Man warf Mohler, der Ernst Jünger als Privatsekretär gedient hat, früh vor, mit seiner Arbeit die Mitverantwortung dieser Autoren für den Nationalsozialismus verharmlosen zu wollen. Mohler, der einige Jahre Privatsekretär bei Ernst Jünger gewesen war („Der Arbeiter“, wie er in Jüngers gleichnamigem Essay beschrieben wird, gilt als der Prototyp des konservativen Revolutionärs), firmierte als einer der geistigen Ziehväter der Neuen Rechten in Frankreich, die wiederum das Vorbild der Identitären im deutschsprachigen Raum sind.
Befürchtungen
Vor diesem Hintergrund könnte man die Sorgen vieler Intellektueller und Kulturschaffender, die sich dieser Tage mit ihren Befürchtungen zu Wort melden, gut verstehen. Wenn man das, was Donald Trump und Elon Musk ab jetzt in Amerika veranstalten wollen, das Wirken Viktor Orbáns in Ungarn und die Pläne der FPÖ in Österreich und der AfD in Deutschland und vielleicht sogar noch den Sowjetzarismus Wladimir Putins als unterschiedliche Aspekte einer neuen, von langer Hand geplanten und durch Trollarmeen ins Werk gesetzten globalen „konservativen Revolution“ betrachtet, kann man gar nicht anders, als sich zu fürchten.
Ich glaube nur, dass man nichts sieht, wenn man die aktuelle politische Lage und ihre Kommentierung durch die Vertreter des politmedialen Establishments durch die ideengeschichtliche Brille betrachtet. Weder die Protagonisten noch ihre Beobachter sind mit der Ideengeschichte vertraut, die Vorstellung, dass die intellektuellen Wirtshausraufer der Freiheitlichen und die Widerstandskämpfer an der BlueSky-Tastatur sich auf die Ideengeschichte der 20er- und 30er-Jahre beziehen, ist einigermaßen grotesk.
Es ist noch nicht so lange her, dass wir es in den westlichen Gesellschaften im Interesse der Volksgesundheit mit dem Minderheitenschutz nicht ganz so ernst genommen haben
Also nein, ich glaube nicht, dass die Trendwende, deren symbolischer Höhepunkt die zweite Angelobung Donald Trumps darstellt, den Auftakt zu einer konservativen Revolution in diesem ideengeschichtlichen Sinn bedeutet, auch wenn mir scheint, dass sich im Windschatten des hektischen und hyperöffentlichen Politikbetriebs ein paar Ideologen angehängt haben, die sich die eine oder andere Hoffnung machen. Was wir aber sehen werden, in den Vereinigten Staaten genauso wie in Europa, ist eine Politik, die sich nicht mehr an den „liberalen“ Konsens der vergangenen Jahrzehnte gebunden fühlt. An dieser Stelle knüpft das aktuelle Geschehen vielleicht doch an die ideengeschichtlichen Vorbilder an. Armin Mohler, in einem seiner letzten Interviews danach gefragt, was für ihn Faschismus bedeute, erklärte, dass Faschismus für ihn das sei, was entsteht, wenn enttäuschte Liberale und enttäuschte Sozialisten gemeinsam etwas Neues machen. Es kann nie schaden, wachsam zu bleiben, denn die meisten von uns wissen aus eigener Erfahrung, welche destruktiven Kräfte eine fundamentale Enttäuschung freisetzen kann.
Wenn man das, was geschieht, beschreibungstechnisch von der ideengeschichtlichen Autobahn auf die demokratische Landstraße herunterbremst, stellt sich eine vergleichsweise einfache Frage: Ist es in einer Demokratie eigentlich in Ordnung, wenn sich auch mal die anderen durchsetzen? Darf auf eine progressive Epoche eine konservative folgen? Kann ein sprachlich-politischer Konsens, der sich innerhalb von akademisch-kulturell-medialen Institutionen gebildet hat, von einer Mehrheit der Stimmbürger auch wieder aufgekündigt und unter neuen Voraussetzungen und mit neuem Personal ausgehandelt werden? Ich bin mir nicht sicher, ob alle, die sich jetzt besonders lautstark um die Demokratie sorgen, diesen einfachen demokratischen Grundsatz tatsächlich unterschreiben würden. Und ja, immer dann, wenn sich Mehrheiten massiv drehen, ist es besonders wichtig, dass die Minderheiten nicht unter die Räder kommen. (Es ist übrigens noch nicht so lange her, dass wir es in den westlichen Gesellschaften im Interesse der Volksgesundheit mit dem Minderheitenschutz nicht ganz so ernst genommen haben.)
Gemütlich werden die kommenden Jahre nicht werden, weder in den Vereinigten Staaten noch in Europa. Man könnte es auch als den Ernstfall der Demokratie bezeichnen.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 4/2025 erschienen.