Hans-Peter Hutter beweist schon seit langem, dass Wissenschaft durchaus in coolem Outfit daherkommen kann - und das nicht nur aufgrund seiner Hawaiihemden. Nicht erst seit der Pandemie ist ihm besonders wichtig, "komplexe Infos gut rüberzubringen".
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Steckbrief
OA Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dipl.-Ing. rer. nat. tech. Dr. med. univ. Hans-Peter Hutter
Hans-Peter Hutter ist Oberarzt und stellvertretender Leiter der Abt. für Umwelthygiene und Umweltmedizin am Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien.
Doppelstudium "Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung" an der Universität für Bodenkultur sowie "Medizin" an der Universität Wien. Ausbildung zum Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie, Schwerpunkt Umweltmedizin sowie zum Physikatsarzt
Liiert; Sohn Nathan (*2017), Tochter Tabea (*2020)
Hans-Peter Hutter ist der österreichischen Bevölkerung nicht erst seit der Corona-Pandemie ein Begriff. Der studierte Landschaftsökologe und Mediziner tritt seit Jahren immer dann in Erscheinung, wenn es darum geht, "komplexe Infos gut rüberzubringen", wie er es selbst im Interview mit News.at nennt. In dieser Hinsicht habe er "jahrzehntelangen Vorsprung gegenüber den meisten anderen Corona-Expert:innen gehabt", meint Hutter.
Hutter ist so etwas wie der "Popstar" unter den Wissenschaftler:innen. Anzug und Krawatte? Weißer Mantel? Fehlanzeige! Der Vater zweier Kinder trägt am liebsten Hawaiihemden. So auch bei unserem Fototermin, als er kurzerhand aufs Dach steigt, um ein gutes Motiv zu liefern.
Woher kommt die Liebe zu besagten bunten Outfits? "Ich habe über die Jahre Hawaiihemden gesammelt oder getauscht, überall dort, wo ich Wellenreiten war", verrät Hans-Peter Hutter. Im März 2020 sei für ihn klar gewesen, dass die Epidemie nicht so rasch vorüber sein würde und seine Surfleidenschaft auf unbestimmte Zeit pausieren muss. Da habe er gedacht: "Naja, aber wenigstens meine Hemden kann ich doch öfter anziehen." Gesagt, getan.
Hans-Peter Hutter erklärt seinen Beruf
Hans-Peter Hutter ist Oberarzt und stellvertretender Leiter der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin am Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien. Wie würde er einem Laien erklären, was er dort tut? "Oje, wo fange ich da an?", meint Hutter. Im Zentrum seiner Tätigkeiten stehe neben der Erforschung die wissenschaftlich fundierte Abschätzung von Umweltrisiken und speziell deren verständliche Vermittlung. "Umweltbedingungen beeinflussen unsere Gesundheit maßgeblich. So sind Umweltbelastungen ganz allgemein für den Großteil der Erkrankungen verantwortlich. Pro Jahr ließen sich Millionen vorzeitige Todesfälle vermeiden, wenn Politik und Gesellschaft Probleme wie Luft- und Wasserverschmutzung ernst nehmen und auch dagegen vorgehen würden - etwa mit der Reduktion von Luftverunreinigungen", erklärt Hutter.
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Würden die gleichen (Vorsichts-)Maßnahmen, die jetzt in der Corona-Pandemie verordnet werden, auf diesen Bereich umgelegt, wäre Luftverschmutzung schon längst kein Thema mehr, gibt Hutter zu bedenken. Das Ziel seiner Arbeit sei, umweltbedingte Gesundheitsrisiken zu erforschen, frühzeitig zu erkennen, zu reduzieren und idealerweise zu eliminieren.
Hans-Peter Hutter geht in seinem Beruf auf. Besonders wichtig ist dem Umweltmediziner, wie er meist tituliert wird, allerdings, den Menschen seine Arbeit auch verständlich zu machen.
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Covid schiebt vieles in den Hintergrund
Die Pandemie habe vieles andere in den Hintergrund verschoben, er war und ist "ständig dabei, aktuelle wissenschaftliche Literatur zu sichten, die epidemiologische Lage einzuschätzen und speziell aus Public-Health-Sicht eine 'integrative Draufsicht' zu liefern, wo eben von epidemiologischen Aspekten mit Modellen und Statistik über infektiologische und virologische Gesichtspunkte diese vielfältigen, fachlich oft komplexen Zugänge zusammengeschaut werden. Und das eben auch verständlich vermittelt werden muss."
Hutters Bekanntheit hat sich durch die Pandemie nochmals verstärkt. Auch die Anerkennung und Dankbarkeit habe er zuvor noch nicht so erfahren und auch nicht erwartet, sagt er. Er erhalte aber auch "Nachrichten, denen die Vokabel respektlos, ahnungslos, ignorant bis verblödet und aggressiv - psychiatrisch auffällig zugeordnet werden können". Solche seien bis dato vor allem dann an der Tagesordnung gewesen, wenn er für Fußgängerzonen, mehr Begrünung der Stadt oder Tempolimits eingetreten ist.
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"Waschechter" Leopoldstädter
Geboren ist Hans-Peter Hutter am 26. März 1963 in Wien, wo er auch aufgewachsen ist. Er sei ein ausgesprochener Stadtmensch, erklärt er. Ein "waschechter" Leopoldstädter und stark im 2. Wiener Bezirk verwurzelt. Auch wenn ihm das "Motschgern" manchmal auf Nerven gehe, lebt Hutter sehr gerne in Wien.
"Ich hatte eine schöne Kindheit", erinnert sich Hans-Peter Hutter gerne zurück. Seine Eltern waren beide berufstätig, sein Vater arbeitete "am Bau", seine Mutter als Buchhalterin. Er besuchte zunächst das Lycée français, auf dringende "Empfehlung" des Direktors, er sei in einer öffentlichen Volksschule besser aufgehoben, wechselte er in die Klosterschule bei Schulwestern im 2. Bezirk. Anschließend besuchte Hutter das Gymnasium Stubenbastei.
Dem starken Bewegungsdrang des jungen Hans-Peter wurde von den Eltern viel Raum gegeben. "Ich bin nicht selten mit zerrissenen Hosen nach Hause gekommen", erinnert sich Hutter. Von Verwandten und Bekannten wurde er als wild und ungestüm beschrieben. "Ich kraxelte auf jeden Baum, konnte einen Köpfler, bevor ich schwimmen konnte. Der Sprungturm im Stadionbad war für mich schon in der Volksschule Anziehungspunkt Nummer 1 im Sommer", erzählt der Public-Health-Experte. Die Leidenschaft "von irgendwo höher ins Wasser zu springen" sei bis heute ungebrochen.
"Lauser" und mittelmäßiger Schüler
Wie darf man sich den Schüler Hans-Peter Hutter vorstellen? "Ich war teils sehr unruhig, eher Lauser, aber kein Klassenclown. Ich war immer gut in die Klassengemeinschaft integriert und denke, dass die Portion Strebsamkeit in der Schule durch meine Ausgelassenheit und sportliche Art ausgeglichen wurde", erzählt er. Der Umweltmediziner gesteht offen, in Volksschule und Unterstufe nur ein mittelmäßiger Schüler gewesen zu sein. Dies habe sich in der Oberstufe des Gymnasiums jedoch geändert, so Hutter.
Ab 14 arbeitete Hans-Peter Hutter während der Schulferien abwechselnd als Lagerarbeiter, in Büros oder am Bau. Das habe ihn "aufgeweckt", meint er. "Meine Performance hat sich in der Oberstufe stark verbessert, Mathematik ist mir zugeflogen und ich habe jahrelang Nachhilfe gegeben", berichtet er. In Deutsch sei er hingegen "katastrophal" gewesen. Während der gesamten Oberstufe hagelte es auf Schularbeiten bis auf eine Ausnahme lauter "Nicht genügend". Um trotzdem "durchzukommen", musste Hutter viele Referate halten und mündliche Prüfungen absolvieren. "Die Literaturgeschichte habe ich rauf und runter gelernt - das hat paradoxerweise meinen Hang zu Theater und Literatur geweckt", meint er.
Hutter bezeichnet sich selbst als "strebsamen" Schüler, er sei aber auch "immer bei sonstigen Aktivitäten dabei gewesen", so verbrachte er etwa die Unterrichtszeit schon mal unentschuldigt im Café Plus in der Wollzeile. Einzig Alkohol und Zigaretten konnte er nichts abgewinnen. "Das war nie etwas für mich", sagt er. Er habe stets alles wissen und können wollen, egal, ob es um eine Vektorgleichung oder den "Impossible" (Skateboard-Trick, Anm.) ging. Fehlendes Talent habe er mit Ehrgeiz ausgeglichen - denn: "Ehrgeiz ist ja die letzte Bastion der Talentlosen."
Die Liebe zum Skateboarden
Ebenfalls während der Schulzeit entdeckte Hans-Peter Hutter seine Liebe zum Skateboarden. "Kurz nach der ersten Welle bin ich ab 1979 völlig hineingekippt, das war pure Leidenschaft", erinnert er sich. In den 80ern war Hutter fast täglich skateboarden. Da damals noch alles Neuland war, konnte er sich eigene Tricks überlegen, es war alles erlaubt, gab keine Vorschriften. "Wir waren nur eine Handvoll - es gab schon mal Strafzettel oder man wurde verscheucht. Das hatte schon etwas Anarchisches im weitesten Sinne."
Anfang der 80er-Jahre habe es in Österreich bloß eine Handvoll Skater gegeben, weshalb es den Enthusiasten dorthin zog, wo die Bewegung ihren Ursprung hatte: Kalifornien. Vor dem Beginn seines Studiums war Hans-Peter Hutter monatelang in Santa Monica und Venice Beach unterwegs. Finanziell durchgeschlagen hat er sich damals mit Sandwich-Verkauf in Bürogebäuden oder als Schuhverkäufer bei "Vans".
Während des Studiums nahm Hans-Peter Hutter an zahlreichen Skate-Contests in vielen Ländern teil. Er plante Shows, übernahm die Planung von Skatepark-Designs, war Chefredakteur eines Skateboard-Magazins und Headjudge bei vielen internationalen Bewerben.
Wie oft steht Hans-Peter Hutter heute noch auf dem Skateboard? "Derzeit geht sich das meist einmal pro Woche aus - im Sommer öfter. Es macht mir nach wie vor Spaß. Die Herausforderung, was noch geht, reizt mich und es ist ein super Ausgleich zum Alltag. Ich habe auch noch ausreichend Ehrgeiz, um ein gewisses Niveau zu halten und noch den einen oder anderen Trick zu lernen", erzählt Hutter. Dazu sei "viel Kopfarbeit notwendig" sowie Überwindung und Abschätzung seiner Grenzen. "Sonst tut's weh."
Was hat Hans-Peter Hutter geprägt?
Von seinen Eltern hat Hans-Peter Hutter erfahren, was es heißt, hart zu arbeiten. Bodenständigkeit, Verlässlichkeit, Genauigkeit, Respekt, Einfühlungsvermögen - all diese Werte hat er von ihnen mitbekommen. "Mein Vater kam nach dem 2. Weltkrieg mittellos nach Wien und hat als Hilfsarbeiter am Bau gearbeitet. Er hat zu meinem jüngeren Bruder, der heute Architekt ist, und mir immer gesagt: 'Ihr sollt es mal besser haben.'" Gute Schulbildung war Hutters Eltern sehr wichtig. Er habe erst viel später erkannt, dass diese Einstellung im Freundes- und Bekanntenkreis seiner Eltern aus dem Arbeitermilieu nicht selbstverständlich war. "Da hieß es: 'Lehre machen und arbeiten gehen.' Ich bin meinen Eltern für ihre Weitsicht sehr dankbar", so Hutter.
Hans-Peter Hutters Bildungsweg war nie durchprogrammiert. Es habe sich alles "so nach und nach entwickelt". Im Vordergrund sei immer gestanden, "das zu lernen, was mich einfach gefesselt hat, unabhängig davon, ob es eine beruflich greifbare Zukunft gibt oder nicht". So sei er praktisch ohne echten Plan dorthin gekommen, wo er sich heute "rundum wohlfühlt".
Hans-Peter Hutter über ...
... Bücher, die ihn geprägt haben
Eine Menge Bücher - Autoren wie Brecht, Böll, Camus, Sartre, Vian, aber auch Goethe und speziell österreichische Schriftsteller, besonders Thomas Bernhard und Peter Turrini. Ich liebe Vielfalt - auch bei Büchern.
... das Buch, das er zuletzt gelesen hat
"Der schlaflose Cheng" von Heinreich Steinfest (einer meiner absoluten Lieblingskrimiautoren)
... seine Lieblingsserie(n)
Ich schaue gerade abwechselnd "Haus des Geldes" und irres Koreanisches wie z.B. "Squid Game". Immer wieder schaue ich mir "Don Camillo und Peppone" an. Meiner Meinung nach eine der besten Serien, die je gedreht wurden. Und "Columbo".
... seine Lieblingsmusik
Ich höre gerne Reggae, Hip Hop, Rock und Pop ... und morgens - seit früher Schulzeit - den Ö3-Wecker.
Hans-Peter Hutters Vorbilder
Er habe zwar immer etwas wissen wollen, zur Wissenschaft sei er aber eher zufällig gekommen. Erst während seiner Diplomarbeit ergab sich durch seinen Betreuer, Professor Krapfenbauer, der Erstkontakt mit der Welt der Wissenschaft. Ein langjähriger Mentor und Wegbegleiter ist Professor Michael Kundi. "Als ich bei ihm als Uni-Assistent begann, hat er mich unter seine Fittiche genommen. Er ist ein großartiger Lehrer, ein Genie. Es ist ein Privileg, bei ihm lernen zu können, ihm verdanke ich meine wissenschaftliche Laufbahn, meine Karriere", streut Hutter Kundi Rosen.
"Als ich mich entschieden habe, neben Landschaftsökologie auch Medizin zu studieren, war mir noch nicht klar, wie ich diese beiden Fächer später beruflich kombiniere. Im Grunde war es mir auch wurscht - mich hat das einfach interessiert und die Kombi hat mich gereizt", so Hutter. In der Facharztausbildung ging es schließlich in Richtung Umweltmedizin. "Hier treffen meine beiden Studienrichtungen bzw. Zugänge zur Welt (Ökologie und Gesundheit) optimal aufeinander", meint er.
Sein Berufsleben startete Hutter im öffentlichen Gesundheitswesen. Für viele Mediziner ein völlig uninteressanter Bereich, doch für ihn öffnete sich Schritt für Schritt ein sehr vielfältiges und vorsorgeorientiertes Tätigkeitsfeld, in das Umweltmedizin gut hineinpasst. Die Zeit habe ihn stark geprägt und letztlich zu Public Health gebracht. Seine Habilitation verfasste er schließlich zum Thema "Environmental Public Health".
Die Frau an seiner Seite
Sein privates Glück hat Hans-Peter Hutter mit seiner Freundin und den beiden gemeinsamen Kindern gefunden. Auch wenn der Arbeitsaufwand seit Beginn der Pandemie "selbstverständlich in die Höhe geschossen" ist, schaufelt er sich Zeit für seine Familie frei. "Für mein Privatleben nehme ich mir Zeit, da hat sich qualitativ wenig verändert", erklärt er. Und fügt an: "Glücklicherweise gibt es auch keine Reibungspunkte oder familiären Konflikte rund ums Impfen."
Späte Vaterschaft
Mit über 50 wurde Hans-Peter Hutter zum ersten Mal Vater. Sein Sohn Nathan erblickte im Jahr 2017 das Licht der Welt, 2020 folgte seine Tochter Tabea. Die Kinder seien nicht unbedingt geplant gewesen, sondern "einfach passiert", erzählt er. Umso mehr freut sich der stolze Papa nun darüber, dass sie da sind. In jüngeren Jahren sei er "dauernd unterwegs" gewesen, da hätte er wenig Zeit für eine Familie gehabt, inzwischen sei er reif dafür. Als später Vater verfüge er über viel Erfahrung und Gelassenheit. Auf der anderen Seite gelte es nun allerdings, fit zu bleiben. "Ich möchte noch sehr lange mit auf den Kletterturm. Das passt aber eh zu mir. Es ist eine schöne Triebfeder, damit man sich nicht einfach so gehen lässt", meint Hans-Peter Hutter.
In einem "Trend"-Interview antwortete Hans-Peter Hutter auf die Frage, was das Verrückteste war, das er sich je geleistet habe, spontan: "Meine Freundin". Wie darf man das verstehen? "Es ist schwer in Worte zu fassen, aber ich versuche es einmal so: Wenn sich zwei sehr verschiedene Welten dann doch in einer wiederfinden und das schließlich zu viert", erklärt der Umweltmediziner.
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