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Besonders trifft diese Einschätzung zu, wenn es sich um unsanierte Altbauwohnungen handelt, in denen viele Menschen leben. Diese heizen sich über den Tag schneller auf, um dann langsamer als andere Gebäudetypen wieder abzukühlen. "Bei solchen Wohnungen mit direktem Sonneneintrag und dichter Belegung gab es Temperaturen über 30 Grad Celsius, die dann in der Nacht nicht unter 28 Grad herunter kühlten", sagte Herbert Formayer, Professor am Institut für Meteorologie an der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien. Und hier zeigt sich auch die soziale Komponente der "Hitzefalle Wohnung", nachdem insbesondere die ärmeren Bevölkerungsschichten in derartigen Räumlichkeiten leben müssen. "Wer wenig Geld hat, lebt oft in schlecht isolierten Räumen und hat zudem einen eingeschränkten Zugang zur Gesundheitsversorgung. Wer also ökonomisch oder sozial benachteiligt ist, spüre die Folgen am stärksten", ergänzte Daniela Haluza, Umweltmedizinerin und Professorin an der Medizinischen Universität Wien.
"244.000 Kinder und Jugendliche müssen in solchen Wohnverhältnissen leben", sagte Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe, - und neben ihnen seien Pflegebedürftige und Menschen mit niedrigem Einkommen die größten Opfer der Klimakrise. Haluza wies zudem auf die Rolle der Hitze als "gesamtgesellschaftliches Problem" hin. Nicht nur das Herz-Kreislaufsystem komme hier oft an seine Grenzen: "Das ist die körperliche Seite, doch mit steigenden Temperaturen kommt auch eine psychische Komponente hinzu, die von Gereiztheit bis erhöhter Gewaltbereitschaft reichen kann" - und dann werde Hitze zum sozialen Problem. Ebenso wisse man, dass Ältere, Kranke und Kleinkinder einem erhöhten Hitzerisiko ausgesetzt seien. Die "Klimavulnerabilität" könne als dynamisch über die Lebenszeit verteilt gesehen werden, die etwa infolge einer gesundheitlichen Einschränkung ansteigen könne oder schlicht durch das Älterwerden. In Summe gelte, dass Hitzeschutz ebenso wie der Gesundheitsschutz einen gesellschaftlichen Stellenwert haben sollte.
Fehle dieser Hitzeschutz in den Wohnungen, so habe das enorme Folgen, berichtete Fenninger aus der Praxis. Viele Familien würden erzählen, dass ihre zu heißen Wohnungen wie eine Sauna wirken würden, Hitzeausschläge bei den Kindern wären hier der Alltag. Gegenmaßnahmen seien für diese Gruppe jedoch nicht finanzierbar, Umziehen sei keine Option. Die psychischen Belastungen würden mit der Hitze steigen, "die Kinder reagieren mit Rückzug und isolieren sich". Klima- und Sozialpolitik müssten daher zusammen gedacht werden, forderte Fenninger. Es müsse ein leistbarer und klimafitter Wohnraum geschaffen werden, denn "Klimawandel verschärft die soziale Ungerechtigkeit."
Duregger von Greenpeace forderte in diesem Zusammenhang, dass die Regierung die Hitze als wohnpolitische Tatsache anerkennen müsse. Neben einer Sanierung von Altbauwohnungen mit Außenbeschattung als fixen Bestandteil müsse ebenso auf die Mietpreisbildung eingegriffen werden. "Aktuelle Hitzeschutzpläne vernachlässigen die Temperaturen in den Wohnungen oft", so Duregger. Aber die Anpassung hätte hier auch ihre Grenzen, schloss sie mit dem Hinweis auf die Bedeutung von Klimaschutzmaßnahmen.
Die Wiener Grünen reagierten in einer Aussendung mit der Forderung nach einer Novellierung der Bauordnung. Diese müsse angepasst werden, "um der fortschreitenden Klimakrise Rechnung zu tragen. Kühlende Maßnahmen wie Bauteilaktivierung, Fassadenbegrünung oder Außenjalousien müssen dringend Standard werden", wurde der Grüne Wohnsprecher und Klubobmann Georg Prack zitiert.
(S E R V I C E - Daten zu den Messungen unter: https://greenpeace.at/anders-engagieren/hitzemessungen/)
WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA/THEMENBILD