von
"Bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom (Herzinfarkt, instabile Angina pectoris etc.) und einer Erkrankung mehrerer Koronararterien stellt sich häufig die Frage, ob eine Strategie der kompletten Wiederherstellung des Blutflusses (Revaskularisation; Anm.) verfolgt werden sollte, bei der eine perkutane Koronarintervention (Katheterintervention; PCI) routinemäßig auch gleich an nicht-infarktrelevanten Verengungen (zusätzlich zur für den Infarkt ursächlichen Läsion) durchgeführt wird, oder ob die PCI bloß auf die ursächliche Blockade einer Koronararterie beschränkt bleiben sollte", schrieben Shamir Mehta von der McMaster University in Hamilton in der kanadischen Provinz Ontario und seine Co-Autoren mehrerer internationaler Kliniken in der Medizinfachzeitschrift "The Lancet" vor kurzem (DOI: 10.1016/S0140-6736(25)02170-1).
Ein Herzinfarkt ist immer ein lebensbedrohlicher Notfall. Er entsteht, wenn ein Blutgerinnsel durch das Aufbrechen eines Atherosklerose-bedingten Plaques (Belag; Anm.) eine Koronararterie verlegt und damit das angrenzende Muskelareal des Organs von der Sauerstoffversorgung abschneidet. Bald darauf beginnen Herzmuskelzellen abzusterben und unwiederbringlich verloren zu gehen. Ehemals vor allem die medikamentöse Auflösung des Gerinnsels (Thrombolyse) und seit bereits vielen Jahren mit noch besseren Ergebnissen die möglichst sofortige Aufdehnung der Engstelle und das Einbringen einer Gefäßstütze (Stent) sind die optimale Versorgung.
Doch oft haben Patienten zwar einen Infarkt mit einer Koronargefäßblockade, zeigen aber bei der Herzkatheteruntersuchung auch noch weitere Engstellen. Es stellt sich die Frage, ob man die auch gleich beseitigen oder abwarten und eventuell später beheben soll. Die Wissenschafter haben zu dieser Frage die Daten aus sechs klinischen Studien mit 8.836 Patienten im mittleren Alter von 65,8 Jahren noch einmal ausgewertet. Bei 4.259 der Herzinfarktkranken waren sofort alle gefährlichen Engstellen in den Koronararterien behoben worden, beim Rest nur die für den Herzinfarkt verantwortliche, verlegte Arterie.
Die Ergebnisse sprechen für ein quasi "radikales" Vorgehen im Fall. "Bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 36 Monaten traten Herz-Kreislauf-Todesfälle oder neue Herzinfarkte bei 382 (neun Prozent) von 4.259 Patienten in der Gruppe mit vollständiger Wiederherstellung des Blutflusses in den Koronararterien auf, verglichen mit 528 (11,5 Prozent) von 4.577 Patienten in der Gruppe mit alleiniger Behandlung der ursächlichen Läsion", schrieben die Wissenschafter. Das bedeutete eine Verringerung der Gefährdung um rund ein Viertel und war statistisch hoch signifikant.
Die Gesamtsterblichkeit (alle Ursachen) betrug 308 (7,2 Prozent) in der Gruppe mit vollständiger Revaskularisation und 370 (8,1 Prozent) in der Gruppe mit alleiniger Behandlung der den Infarkt verursachenden Koronararterien-Blockade. Auch hier war der Unterschied statistisch signifikant. Die Beseitigung aller Koronarstenosen verringerte auch die Anzahl neuer Herzinfarkte um 24 Prozent und somit ebenfalls statistisch signifikant.
Im Fall des Falles sollte damit schnell und umfassend behandelt werden. "Diese Daten liefern den bisher stärksten und zuverlässigsten Beweis dafür, dass die vollständige Wiederherstellung des Blutflusses in den Koronararterien wichtige Herz-Kreislauf-Ergebnisse verbessert", stellten die Wissenschafter fest.
WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA/dpa-tmn/Christin Klose/Christin Klose
