Günther Laufer ist gegen Lobhudelei. Voller Teamgeist schildert er pionierhafte Eingriffe im Operationssaal. Wie er zu seiner Berufung kam und dass sich Liebeskummer aufs Herz schlagen kann, erzählt er im Interview.
Wie kamen Sie zum Beruf eines Herzchirurgen? Oft sind ja schicksalhafte Ereignisse entscheidend.
Bei mir war es so, dass während meines Studiums mein Vater am Herzen operiert wurde. Daraus resultierte für mich ein ziemliches Martyrium, mit vielen verschiedenen vermeidbaren Ereignissen, wie sie jedoch leider vorkommen können. Und acht Wochen darauf war er verstorben. Das war wohl auch ein Schlüsselerlebnis für mich, warum ich eine Spezialisierung brauchte und motivierte, dass man die Dinge vielleicht besser machen könnte. Damals Anfang der 80er-Jahre war die Herzchirurgie auch noch nicht so weit fortgeschritten.
Herr Professor Laufer, Sie wehren sich entschieden gegen das Image als „Gott in Weiß“.
Nun ja, ich mache das ja nun schon lang, aber mit ungebrochener Freude und Leidenschaft. Im Lauf der Zeit habe ich an fünf Universitätskliniken und mehreren Standorten unterschiedliche Betriebskulturen kennengelernt. Ich war 2000 über ein Jahr in die Leitung der Herzchirurgie in Innsbruck, 2009 in Wien und zuletzt war ich 14 Monate interimistisch Leiter der Herzchirurgie am Landeskrankenhaus. Ich operiere jetzt auch mit 67 Jahren noch zweimal in der Woche. Darauf hinaus ist es wichtig, junge Chirurginnen und Chirurgen auszubilden und bemüht zu sein, das erworbene Wissen weiterzugeben.
Trotz der Diskrepanz zwischen dem Streben nach der perfekten Operation und dem Streben nach Sicherheit sind Sie auch Innovationen zugewandt.
Da gibt es beispielsweise die Schlüssellochchirurgie. Die ist in der Herzchirurgie noch relativ neu. Die Schlüssellochtechnik ist bereits vor 20 Jahren langsam eingeführt haben, mit unterschiedlichen Techniken und mitunter auch Rückschlägen. Was man nicht verwendet, ist irgendwann weg. Wir haben zum Beispiel heute eine solche Operation gemacht. Und die andere Variante, wo man den Wechsel einer Herz-Lungen-Maschine vornimmt, aber den Schnitt selbst weglässt. Wo man z. B. nicht den gesamten Brustkorb öffnet, sondern entscheidet, welche die Rippen oder der Brustbeinanschnitt günstiger sind, oder einfach nur einen ganz kleinen Schnitt setzt.
Aber das muss individuell entschieden werden, was überhaupt möglich ist?
Das muss individuell entschieden werden. Gerade bei der Aortenklappe kann man relativ viele verschiedene Techniken miteinander kombinieren. Diese Innovationen, die Sie so wollen, haben wir als erste und zwar in Wien gemacht. Das ist eine spezielle neu entwickelte Klappe, die sich dann besonders gut geeignet hat, über einen minimalen Schnitt implantiert zu werden. Ich sage immer „wir“, weil das eigentlich immer ein Teamwork ist von meinen Mitarbeiterinnen und Kollegen, die mitgeholfen haben. Wir konnten diese Operationstechnik weiterentwickeln. Und heute ist das eine gute Methode.
Welcher Mensch steckt hinter dem Professionisten, dessen Herz so leidenschaftlich für die Chirurgie schlägt?
Ich kann sagen, dass ich gerade bei meinen operativen Tätigkeiten geradezu ein Präzisionsfanatiker bin. Ein Perfektionistischer. Privat bin ich interessanterweise eher schlampert, ich bin zum Beispiel keiner, der einen perfekt aufgeräumten Schreibtisch hat.
Monika Wogrolly talkte mit Günther Laufer auf höchstem Niveau und mit Tiefgang auf dem Dach des Grazer Hotel Daniel im LoftCube. Laufer gilt als einer der führenden Herzchirurgen weltweit. Nach leitenden Funktionen in Innsbruck und Wien war er zuletzt interimistischer Leiter der Herzchirurgie in Graz und betrachtet den Beruf als Passion
Sie sind bestimmt auch keiner, der es leicht macht?
Wenn man eine Entscheidung trifft, die mit wirklich Passion darstellt, ist es im Grunde gar keine Arbeit. Wirkliche Arbeit ist mir die Verwaltung rundherum. Wenn ich eine Operation durchführe, bin ich sehr fokussiert. Ich nehme mir sehr viel Zeit, um das bestmögliche Resultat zu erzielen. Mir geht es nicht darum, wie schnell man ist, sondern wie gut man ist. Man muss auch die Einflussfaktoren, die man nicht in der eigenen Hand hat, mit dem Determinismus herauszunehmen. Das heißt, das Ergebnis soll möglichst gut sein.
Gibt es neben dem herausfordernden Beruf noch anderes, wofür Sie brennen?
Da gibt es schon noch einiges. Ich bin zum Beispiel leidenschaftlicher Fliegenfischer. Das habe ich seit dem vierten Lebensjahr gemacht. Nur mit der Fliege gefischt habe ich eigentlich erst seit dem 17. Lebensjahr. Bereits mit vier Jahren habe ich meine erste Forelle gefangen, noch mit meinem Vater zusammen.
Und ich habe in dem Zusammenhang verschiedene Gegenden der Welt bereist, wo man das Fliegenfischen auch im Meer in unterschiedlichsten Formen betreiben kann. Wenn ich etwas mache, versuche ich, darin schon perfekt zu sein. In der Chirurgie ist es ja faszinierend, dass wir uns mit dem Wunder Mensch beschäftigen dürfen.
Und der macht natürlich auch nicht immer das, was man gerne haben möchte. Es gibt immer wieder Überraschungen. Wenn Sie jetzt die Analogie zum Fliegenfischen sehen, ist da die Frage, was der Fisch jetzt macht und was ich mache. Ich kann ihm immer nur eine Einladung schicken, den Köder anzunehmen.
Eines Ihrer Lieblingszitate aus Faust ist, „dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält“.
Da möchte ich die drei Hauptfragen von Immanuel Kant aufschlüsseln, die uns Menschen bewegen, nämlich:
Was kann ich wissen?
Das ist Erkenntnistheorie – wo sind die Grenzen des Möglichen im Erkennen?Was soll ich tun?
Was darf ich hoffen?
Und das ist die höchste Frage von allen – deswegen gibt es die Religion: Gibt es ein Leben nach dem Tod? Gibt es Gott oder irgendeinen großen Baumeister aller Welten?
Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten Zusammenhang ist, ist sicher ein Wunsch, aber das reflektiert ja im Endeffekt nichts anderes als das Streben nach Erkenntnis – und dass dieser Zenit nie erreichbar ist.
Das Herz wird mit Liebe und Sexualität verbunden …
Da gibt es auch eine biologische Korrelation. Dass das bei schweren Herzerkrankungen natürlich gefährlich sein kann.
Und das gebrochene Herz gibt es wirklich?
Es gibt das Syndrom des gebrochenen Herzens. Es ist auch wirklich so, dass psychische Erkrankungen oder psychische Befindlichkeitsstörungen sich in somatischen – also organischen – Erkrankungen und nicht nur in funktionellen widerspiegeln.
Beispiele:
Herzrhythmusstörungen
Blutdruckentgleisungen
Hyperkinetisches Herzsyndrom: dauerhaft zu hohe Herzfrequenz und zu hoher Blutdruck
Psychosomatisch gibt es das. Das muss man akzeptieren.
Möchten Sie aus Liebe zu Goethe und Faust das letzte Zitat bringen, nämlich: „Der Worte sind …“
… genug gewechselt. Ich möchte aber das Gespräch nicht mit diesem Zitat aus dem Vorwort von Faust enden lassen.
Da heißt es am Schluss: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.“ Vielleicht ist das etwas, was man sagt, wenn wir schon zum Erkenntnisgewinn kommen:
Das ewig strebende Bemühen, dies zu erreichen, ist genug, dass wir als Menschen erlöst – im Sinne von: belohnt – werden. Das gibt sehr viel Hoffnung.