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Warum Theater dort spielen muss, wo das Leben stattfindet

Aktualisiert
Lesezeit
5 min

©Alex Kawka

Dezentralisierung in der Kunst: Es geht darum, andere Standorte zu erkunden und damit neue Lebenswelten anzusprechen. Wächst man in der eigenen Umgebung mit Kultur auf, so kann das einen Einfluss auf die kulturelle Teilhabe im Erwachsenenalter haben.

Die Debatte über Publikumsverlust kennt man – vor allem aus den Pandemiejahren. Wird man nach Corona wieder auf die Zahlen von dav0r kommen, war nur eine der viel diskutierten Fragen. Auch die Erschließung neuer Zielgruppen wird in dem Zusammenhang häufig erwähnt. Doch selten ist dabei die Rede von Kindern.

Dabei zählen Kinder zum aufgeschlossensten Publikum. Das Programm sei ihnen eigentlich relativ egal, sie würden mit einer ausgesprochenen Neugier und Offenheit an Theater herangehen, sagt Katja Segelbacher, Theaterpädagogin am Theater der Jugend. „Kinder gehen erstmal rein und lassen sich überraschen.“ In Wien gibt es bereits einiges an Angebot für die ganz Kleinen – sei es Kasperl in der Urania live erleben, oder die Geschichte von Hänsel und Gretel in der Volksoper vorgesungen bekommen.

Theater: von und für wen

Tatsächlich ist die Teilhabe jedes Menschen am kulturellen Leben Teil der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Doch nicht alle bekommen den gleichen Zugang zur Kultur. Eine Studie des SORA-Instituts hat ergeben, dass Menschen mit höherem Bildungsabschluss deutlich häufiger kulturelle Veranstaltungen besuchen. Das liegt unter anderem an der Verständlichkeit. „Sehr oft wird Theater gemacht für jene, die sich für Theater interessieren und jene, die sich damit auskennen“, sagt Soziologin Korinna Lindinger.

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 © Waltl&Waltl

Die Rolle des Standorts

Ein Faktor, der ebenso die Zugänglichkeit kultureller Angebote beeinflusst, ist der Standort: Die bekannten Theaterhäuser befinden sich innerhalb des Gürtels. Doch der Großteil der Wiener Bevölkerung wohnt dort nicht, sondern in Favoriten, Simmering, Floridsdorf, Donaustadt und Liesing. Allein dort leben 43 Prozent der Wiener.

Theater genau dorthin zu bringen, dieses Projekt verfolgt das Volkstheater schon seit Jahrzehnten. Nun gibt es seit November 2024 ein neues Theaterprojekt, das die Kultur nach außen und zu den Kindern bringen will. „Wo du aufwächst, ist deine Kultur zuhause“ lautet das Motto der Jungen Theater Wien, die in den fünf bevölkerungsreichsten Bezirken angesiedelt sind. Der künstlerische Direktor, Stephan Rabl, sagt, seit Jahren sei die Stadt zwar zahlenmäßig gewachsen, mit ihr aber nicht unbedingt das kulturelle Angebot. Daran setzt beispielsweise auch die aktuelle Kulturstrategie der Stadt Wien an.

Erklärung

Kunst in die Lebensräume bringen

Das Leben spielt sich für Kinder in der nächsten Umgebung ab, sagt Rabl. Wenn sie in ihrem Lebensraum kein kulturelles Angebot wahrnehmen, „ist es nicht vorhanden. Deswegen geht es darum, Kunst und Kultur in ihren Lebensraum zu bringen und Zugang zu schaffen. Und dann natürlich auch darum, dass es Normalität wird. Dann ist es so, wie ich esse, gehe ich halt ins Theater“.

Erreichbarkeit erhöhen

Die Bezirke, die die Jungen Theater bespielen, vibrieren vor sprachlicher, kultureller und sozialer Vielfalt. Das beeinflusst wiederum, welche Themen für die Menschen relevant und interessant sind. Wie erreicht man nun diese Vielzahl so gut wie möglich? „Banal runtergebrochen, heißt es für mich so nah wie möglich bei den Menschen sein. So viel wie möglich auf Augenhöhe“, sagt Rabl.

Aktuell befinden sie sich noch in der Aufbau- und Testphase. Und dafür sind Kinder ein geeignetes Publikum. Segelbacher sagt: „Es ist eigentlich nichts tödlicher, als kein ehrliches Feedback zu bekommen. Kinder geben uns ehrliche Rückmeldungen – ob es für sie interessant ist oder langweilig und sie sich mit einem Thema beschäftigen möchten.“

Also, beim nächsten Theaterbesuch einfach rausrufen, wenn es zu langatmig ist – die Theaterproduktion profitiert ja schließlich davon.

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