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Protestwelle in Indonesien erreicht Bali

Aktualisiert
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Demonstrationen auch auf der bei Touristen beliebten Insel
©SONNY TUMBELAKA, AFP, APA
In Indonesien haben die Proteste gegen Politikerprivilegien mit sieben Todesopfern inzwischen auch die bei Touristen beliebte Insel Bali erreicht. Nach gewaltsamen Ausschreitungen am Wochenende in der Inselhauptstadt Denpasar mobilisierten die Behörden traditionelle Dorfwächter, die sogenannten "Pecalang", um Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Antara am Montag. Die Sicherheitsvorkehrungen wurden auch an anderen Orten verschärft.

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Am Samstag war es in Denpasar vor dem regionalen Polizeipräsidium und dem lokalen Parlament zu Zusammenstößen gekommen. Demonstranten warfen Steine und beschädigten Einrichtungen. Die Polizei setzte Tränengas ein und nahm Dutzende Menschen fest. Viele der Beteiligten sollen nach Angaben der Behörden von außerhalb Balis angereist sein. Das nährte Befürchtungen, die Ausschreitungen - die bereits die Hauptstadt Jakarta und andere indonesische Großstädte erfasst haben - könnten auch auf die Ferieninsel übergreifen.

Etwa 1.000 unbewaffnete Pecalang, die in der Kultur Balis tief verwurzelt sind und extrem hohes Ansehen genießen, versammelten sich am Morgen (Ortszeit) zu einem Massenappell in Denpasar, weitere blieben in ihren Dörfern stationiert. Ein Sprecher des Pecalang-Rats im Bezirk Badung erklärte, die Gewalt sei von "Außenstehenden" ausgelöst worden und kündigte an, Bali "spirituell und physisch" zu verteidigen.

Wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP sah, hielten sich in Jakarta am Montag hunderte Soldaten am Nationaldenkmal bereit, weitere Militärs bezogen Stellung vor dem Präsidentenpalast. Die Polizei errichtete in der ganzen Hauptstadt Kontrollpunkte. Außerdem patrouillierten Beamte und Armeeangehörige durch die Stadt, um die Bürger zu schützen und ihnen ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, wie ein Polizeisprecher dem Sender Kompas TV sagte.

Bereits am Sonntagabend hatte die Polizei gepanzerte Fahrzeuge und Motorräder vor dem Parlament in Jakarta in Stellung gebracht. An wichtigen Orten waren am Montag zudem Scharfschützen postiert, während es in den sonst viel befahrenen Straßen ruhiger als gewöhnlich war.

Mindestens eine Protestgruppe, die Allianz der indonesischen Frauen, teilte am späten Sonntagabend mit, dass sie ihren geplanten Protest wegen der verstärkten Sicherheitsvorkehrungen absage. Schulen und Universitäten in Jakarta hielten den Unterricht bis mindestens Dienstag online ab. Die in der Stadt ansässigen Beamten wurden aufgefordert, von zu Hause aus zu arbeiten.

Unter den Blicken Dutzender Soldaten versammelten sich dennoch mindestens 500 Demonstranten am Nachmittag vor dem Parlament in Jakarta. Zuvor waren auch Soldaten anwesend, sie verließen die Gegend aber später wieder.

Tausende weitere Protestteilnehmer kamen in Palembang auf der Insel Sumatra zusammen, weitere Hunderte versammelten sich separat in Banjarmasin auf der Insel Borneo, in Yogyakarta auf der Hauptinsel Java und in Makassar auf der Insel Sulawesi, wie AFP-Journalisten im ganzen Land berichteten.

"Unser Hauptziel ist es, das Parlament zu reformieren", sagte die Studentin Nafta Keisya Kemalia der AFP in Jakarta. Die Protestierenden hofften, dass die Abgeordneten "herauskommen und sich mit uns treffen. Wir wollen direkt mit ihnen sprechen, sie sind unsere Vertreter", sagte die 20-Jährige. Die Demonstranten wollten nicht erst auf die mögliche Ausrufung des "Kriegsrechts" warten.

Der Snack-Verkäufer Suwardi bezeichnete die Regierung als "ein Chaos". "Das Kabinett und das Parlament hören nicht auf die Bitten des Volkes", sagte der 60-Jährige der AFP nahe des Parlaments.

Indonesien erlebt derzeit die heftigsten Massenproteste seit Jahren. Die Wut richtet sich vor allem gegen eine zusätzliche monatliche Wohnungszulage von 50 Millionen Indonesischen Rupien (etwa 2.600 Euro) für Abgeordnete – eine Summe, die den Monatslohn etlicher Indonesier um ein Vielfaches übersteigt, wie Kritiker monieren.

Die Ankündigung kam zu einer Zeit, in der viele Menschen im weltgrößten Inselstaat unter steigenden Lebenshaltungskosten und Steuern sowie Massenentlassungen leiden. Zusätzlich wurde der Ärger durch Videos von Politikern angeheizt, die in sozialen Medien ihren luxuriösen Lebensstil zur Schau stellten.

Mindestens sieben Menschen sind bisher im Zusammenhang mit den Unruhen ums Leben gekommen, wie aus Berichten verschiedener Behörden hervorgeht. Die Lage eskalierte, als in Jakarta ein 21-jähriger Motorrad-Taxifahrer von einem gepanzerten Polizeifahrzeug erfasst und getötet wurde. Landesweit wurden in der Folge politische Gebäude und Privathäuser von Politikern in Brand gesetzt und geplündert.

Bei einem Brandanschlag von aufgebrachten Demonstranten auf das Rathaus der Stadt Makassar auf der Insel Sulawesi wurden drei Menschen getötet. Zudem wurde in Makassar ein Mann zu Tode geprügelt, den Protestierende für einen Geheimdienstoffizier gehalten hatten. In der Stadt Yogyakarta starb ein weiterer Mensch bei Protesten, die Umstände waren zunächst unklar.

Präsident Prabowo Subianto hat inzwischen ein teilweises Einlenken signalisiert: Bestimmte Abgeordnetenvergünstigungen sollen gestrichen, Auslandsreisen vorerst ausgesetzt werden. Gleichzeitig verurteilte er die gewalttätigen Ausschreitungen scharf.

Am Montag besuchte Prabowo einen verletzten Polizisten im Krankenhaus, wo er seine Kritik an den Demonstrierenden erneuerte. Laut Gesetz sei für Demonstrationen eine Genehmigung nötig, sagte er. Diese müsse erteilt werden, die Demonstration müsse "um 18.00 Uhr beendet sein".

Nach Einschätzung von Experten reicht Prabowos Kehrtwende nicht aus, um die Unruhen abklingen zu lassen. So fiel etwa der indonesische Aktienindex bei Börsenstart am Montag um mehr als drei Prozent. Auch sagte Prabowo seine für diese Woche geplante Reise nach China ab, wo er zu einer Militärparade anlässlich des 80. Jahrestags der Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg eingeladen war.

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