Der verurteilte Frauenmörder und seine Anziehungskraft auf das weibliche Geschlecht.
Jack Unterweger und die Frauen - eine unheimliche Symbiose. In knapp zwei Jahren Freiheit verfielen viele dem Charme des Häfenliteraten. Der "böse Bube" hatte als verurteilter Frauenmörder eine Anziehungskraft auf das weibliche Geschlecht, sagen ehemalige Begleiterinnen. Regisseurin Elisabeth Scharang hat in ihrem Film "Jack" diese Seite beleuchtet, nun feiert der Streifen in Locarno Weltpremiere.
Zwei Frauen, die mit Jack Unterweger bis zu seinem Tod in Kontakt waren, sind die Anwältin Astrid Wagner und die Journalistin Margit Haas. Die beiden haben sich im Interview mit der APA an den Freund, den Liebhaber, aber auch an den Mörder Jack Unterweger erinnert. Margit Haas, die beste Freundin des Literaten, hat ihre Identität zuvor nur in John Leakes Unterweger-Buch "Der Mann im Fegefeuer" preisgegeben. 25 Jahre nach ihrer ersten Begegnung mit Unterweger wird sie nun im Film "Jack" von Birgit Minichmayr verkörpert.
"Er war ein großer Manipulator"
Haas hatte Unterweger kurz nach seiner Entlassung aus der Haft 1990 bei einem Interview kennengelernt. Und schon beim ersten Treffen konnte sie beobachten, dass "sehr viele Frauen ihm Zettelchen" zusteckten. "Später wusste ich, da standen die Telefonnummern der Frauen drauf", erzählte Haas. "Er war sehr humorvoll. Er hatte eine sehr gute Menschenkenntnis, konnte Menschen binnen kürzester Zeit analysieren. Man hat ihm auch nachgesagt, dass er ein großer Manipulator war." Die Frauen wären vom "bösen Buben", vom Mörder fasziniert gewesen, ist die ehemals beste Freundin überzeugt. "Da hab ich immer gemerkt, dass bei den Frauen ein erotisches Kribbeln entstanden ist."
Wagner: "Er hat mir leidgetan"
Dieses Kribbeln hat auch Astrid Wagner verspürt, als sie Unterweger 1992 in der Untersuchungshaft in Graz, nachdem er wegen des Verdachts des mehrfachen Prostituiertenmordes festgenommen wurde, besuchte. Die heute erfolgreiche Strafverteidigerin wollte dem Inhaftierten nach einem Selbstmordversuch Mut machen. "Es hat mich gestört, dass er offensichtlich überhaupt keine Chance hat, dass man gar nichts prüft, dass er für die Medien schon schuldig gesprochen ist. Deshalb hab ich ihm auch diesen Brief geschrieben", sagte die Juristin im APA-Interview.
Wagner wohnte damals in Graz und ging auf Unterwegers Vorschlag ein, ihn in U-Haft zu besuchen. "Das war dann schon ein Kontrastprogramm. Ich kannte ja die schillernde Figur aus den Medien, die Fotos vom Frauenschwarm, und eigentlich hab ich sofort Mitleid gehabt." Der einstige Liebling der High Society saß blass und im zerrissenen T-Shirt vor der angehenden Juristin. "In erster Linie hat er mir leidgetan." Nach einem Monat fühlte sich Wagner zu dem des mehrfachen Mordes Beschuldigten emotional so gebunden, dass sie sich auch von ihrem damaligen Freund trennte. "Er war ein Filou, er war ein Frauentyp, und es hat schon beim ersten Besuch ein feines Flirten gegeben."
Hochzeit mit eigener Strafverteidigerin
Zwei Jahre lang besuchte Wagner den einst gefeierten Literaten im Gefängnis, Berührungen gab es nur durch ein Fliegengitter unterhalb der Sichtscheibe. "Diese - na sagen wir mal - unterkühlte Erotik, die war von Anbeginn da", erzählte die Anwältin. "Es war eine Beziehung, die ich so nicht mehr erleben werde." Wie bei "einem Kochtopf", bei dem es brodelt, der aber nie übergeht, meinte Wagner. Klar ausgesprochen wurden die Gefühle allerdings erst am Schluss, als die beiden wussten, dass der Prozess "nicht gut" ausgehen werde. Sogar Hochzeit stand im Raum, um einen "guten Eindruck auf die Geschworenen" zu machen, doch Unterweger lehnte ab.
Der letzte Kuss
Bei Wagners letztem Besuch in Haft kam es zum einzigen Kuss. "Ich bin rausgegangen - der Prozess ist ja nicht so gut gelaufen für ihn und er war sehr deprimiert - und er hat mir lange nachgeschaut." Als Unterweger von der Justizwache abgeführt wurde und das Gitter halb offen war, rannte Wagner hin und gab ihm durch die Gitter einen Kuss. "Das hab ich nie wieder erlebt." Im Bruchteil einer Sekunde sei ihr Körper von "einem Blitz" durchzuckt worden. Das war das letzte Mal, dass die Anwältin Jack Unterweger gesehen hatte, kurze Zeit später erhängte sich der Häfenliterat mit dem Bund seiner Trainingshose in seiner Zelle.