Intrigen um Geld und Macht. Hinter der glitzernden Fassade des Kristall-Imperiums kämpft die fünfte Generation der Industriellenfamilie Swarovski um Österreichs größtes Erbe. Die Familie hat bereits 200 Mitglieder, und es heißt "Jeder gegen Jeden“. Eine Klage könnte nun alles öffentlich machen.
Keine andere Familie hat so viel Glitter und Glamour wie der Tiroler Kristall-Clan. Die Swarovskis verkörpern, was in unserer Gesellschaft als erstrebenswert gilt: Geld, Macht, Ansehen und noch mehr Geld. Doch hinter der glitzernden Fassade toben Intrigen und Machtkämpfe.
Diese dunkle Seite der Kristallmacht droht nun enthüllt zu werden. Denn erstmals wird ein Familienstreit öffentlich vor Gericht ausgetragen. Paul Swarovski, bis 2011 einer der fünf mächtigsten Manager des Konzerns, war heuer aus der Geschäftsführungsbefugnis der D. Swarovski KG entlassen worden. Dagegen hat er, wie nun bekannt wurde, im April beim Arbeits- und Sozialgericht Wien Klage eingebracht.
Familien-Klage als Tabubruch
Genau das wird von vielen Familienmitgliedern als Tabubruch angesehen. Ein Streit sollte von internen Gremien geschlichtet werden. So versucht der Konzern auch, das Arbeits- und Sozialgericht für unzuständig zu erklären und den öffentlichen Prozess zu meiden. Das Argument: Paul Swarovski sei kein Arbeitnehmer, sondern Gesellschafter. Man findet ihn als "unbeschränkt haftenden Gesellschafter“ des wichtigsten Konzernteiles, der D. Swarovski KG, im Firmenbuch.
Der Konzern, also Pauls Cousins, Tanten und Onkels, argumentieren den Rauswurf laut NEWS-Recherche damit, dass man mit seiner Führung der Swarovski Energy-Sparte "unzufrieden“ sei. Unter anderem wären die Kosten zu hoch. Paul kommt laut NEWS vorliegenden Aussagen mit gewichtigen Gegenargumenten: Die Entlassung sei ungerecht, sittenwidrig - und er wäre Opfer einer familieninternen Intrige. Und was die Führung der "Energy“ betrifft, so kann Paul auf Interesse von Daimler verweisen. Man habe genehmigte Budgets im Nachhinein wieder gestrichen.
Die streng gehüteten Gehälter
Diese Causa macht erstmals deutlich, dass es nicht nur um die Macht im Konzern geht. Geld spielt eine große Rolle, und die Formel lautet: Mehr Macht bedeutet auch mehr Geld. So steht den mit der Geschäftsführung betrauten, unbeschränkt haftenden Gesellschaftern auch ein Manager-Gehalt zu. Das Jahressalär wurde auf 800.000 Euro geschätzt. Das dürfte nur die halbe Wahrheit sein. Laut NEWS-Recherchen besteht die Vergütung für die Topmanager des Familienkonzerns aus einem fixen und einem variablen Teil. Insgesamt soll das Jahresbrutto bei 1,6 bis 1,8 Millionen Euro liegen. Im Vergleich dazu verdient ein Vorstand eines börsennotierten, österreichischen Top-Konzernes laut Arbeiterkammer im Schnitt 1,4 Millionen Euro brutto.
Spitzen-Gehalt
Das Spitzengehalt der Swarovski-Bosse ist ein gut gehütetes Geheimnis. "Wir ersuchen um Verständnis, dass Swarovski als privates Unternehmen weder die Gehälter noch die Ergebnisse oder Ausschüttungen von einzelnen Gesellschaften kommentiert“, antwortet der Konzern auf Anfrage. Als privates Unternehmen ist Swarovski auch niemandem Rechenschaft schuldig. Nur: Kommt es zum Prozess, wird nicht nur das öffentlich.
Geldregen: 100 Millionen
Dabei sind die Gehälter im Vergleich zu dem, was der Konzern für die Familie verdient, ein kleines Zubrot. Swarovski hat drei Sparten, die auch den drei Kommanditgesellschaften entsprechen: Tyrolit (Schleifmittel), Swarovski Optik und Kristall mit der D. Swarovski KG. Der Umsatz der gesamten Gruppe betrug 2012 3,08 Milliarden Euro. Der Kristallbereich setzte 2,38 Milliarden Euro um.
Gewinne werden allerdings in keiner KG veröffentlicht, weil es hierzu keine Pflicht gibt. Hingegen gibt es die Swarovski Auslandsholding GmbH, die öffentlich bilanzieren muss. Und allein dort wurde im Jahr 2011 ein Gewinn von 98,8 Millionen Euro erzielt und an die Gesellschafter ausgeschüttet. Demnach sollten die beiden größten Aktionäre, Gernot Langs-Swarovski und sein Sohn Markus, alleine aus diesem Titel gemeinsam über 25 Millionen Euro erhalten. Robert Buchbauer, dem Chairman des mächtigen Executive Board im Kristallbereich, bekommt für seine knapp 2,5 Prozent in diesem Jahr über 2,4 Millionen Euro. Selbst Fiona Pacifico Griffini-Grasser stehen aus ihrem persönlichen Anteil von 0,1512 Prozent an der Auslandsholding satte 150.000 Euro zu. Und das ist nur eine der Firmen.
Damit ist klar, worum es bei den Machtkämpfen geht: um Österreichs größtes Erbe. Swarovski ist nicht nur eine der wertvollsten Marken. Der Konzern wird von der Finanzagentur Bloomberg mit rund 8 Milliarden Euro bewertet. Und in Wahrheit ist das Kristallimperium eine Geldmaschine, die eine inzwischen 200-köpfige Familie versorgt.
Kampf um wertvolle Anteile
Die D. Swarovski KG gehört inzwischen über 100 Anteilseignern. Oft sind es Stiftungen und Firmen, hinter denen noch mehr Personen stehen. Aber selbst eine Beteiligung im Promillebereich kann für eine Leben im Wohlstand reichen.
Der Gewinn der Gruppe kann nicht serös beziffert werden. Insider sprechen von rund 300 Millionen Euro Gesamtgewinn. Aus dem Konzern wird dazu jeder Kommentar abgelehnt. Nur soviel: Die Auslandsholding hat im Vorjahr nur mehr 51 Millionen Euro Gewinn ausgewiesen. Auf NEWS-Anfrage wurde aber darauf verwiesen, dass der Gewinn insgesamt höher gewesen sei. In der Auslandsholding sind nicht alle Aktivitäten außerhalb von Österreich erfasst. So kann man nur vom Gruppen-Umsatz ausgehen, und der ist um satte 7,1 Prozent gestiegen. Somit dürften auch alle Familienmitglieder mit Anteilen eine kräftige Erhöhung erwarten.
Reines Family-Business
Mit jeder Generation zersplittert der Kristallkonzern weiter. Gründer Daniel Swarovski vererbte seine Firma seinen drei Söhnen Alfred, Fritz und Wilhelm. Noch heute teilen sich die Familienmitglieder in diese drei "Stämme“ ein.
Die Anteile werden immer nur an Familienmitglieder weiter gegeben. Angeheiratete Partner sollen keine Ansprüche haben, wofür ausgefeilte Eheverträge sorgen. "Stirbt ein Nachkomme ohne Kinder, so sichert sich die Familie das Recht, die Firmenanteile zurück zu kaufen“, erklärt ein Insider. Der Rückkauf erfolgt allerdings zum Buchwert, und der ist lächerlich niedrig. So hat die Auslandsholding, die in einem Jahr 100 Millionen Euro Gewinn bringen kann, ein Stammkapital von nur 46.299,34 Euro.
Dem Protokoll einer Gesellschafterversammlung ist zu entnehmen, welch aufwendige Prozedur alleine eine Kapitalerhöhung um 0,15 Prozent ist, dem die Mehrheit zustimmen muss. Das betreffende Familienmitglied durfte diese 0,15 um 70 Euro erwerben. Und kann bei einer Ausschüttung von 100 Millionen Euro einen Anteil von 150.000 Euro für ein Jahr erwarten.
Die Zustimmung der bestehenden Gesellschafter, neue Familienmitglieder herein zu lassen, ist nicht einfach zu erhalten. Denn jeder zusätzliche Gesellschafter macht den Kuchen für alle anderen etwas kleiner.
Jeder kämpft gegen Jeden
Damit kann man verstehen, warum die Macht im Kristallreich so wichtig ist. Die Entscheidung, welche Firma wieviel Geschäft macht und wo Gewinne ausgeschüttet werden, bestimmt den persönlichen Wohlstand.
So sind die alten Strukturen des 1895 gegründeten Konzerns starr und kaum zu verändern. Versuche dazu gab es in der Vergangenheit genügend, doch die Protagonisten sind meistens komplett gescheitert. So wurde 2003 versucht, die Optik-Sparte herauszulösen. Protagonist und damaliger Optik-Chef Gerhard Swarovski flog darauf aus dem Beirat. Im Jahr 2007 gab es Bestrebungen, den Konzern in eine AG umzuwandeln. Dabei hätte sogar Ex-Finanzminister Karl Heinz Grasser eine Rolle spielen können. Aber auch dieser Plan wurde vereitelt. Jede Veränderung weckt Misstrauen.
Zersplitterte Führung
Inzwischen führt die fünfte Generation das Unternehmen und verstrickt sich gerade in einen handfesten Familienkrach mit Gerichtsprozess. Die Mitglieder des Execitive Board (Kristall) sind über Staaten und Kontinente verstreut. Einzig Markus Langes-Swarovski lebt von den Board-Mitgliedern in Österreich. Sein Vater Gernot war kraft seiner vielen Anteile lange Jahre Konzernchef. Sein Sohn Markus ist Konzernsprecher, Chairman ist aber Robert Buchbauer, der wie Finanzchef Mathias Margreiter am Zürichsee lebt. Nadja Swarovski, die ehrgeizige Protagonistin der Luxus-Markenführung, lebt in London und gehört zum Jetset. Dann wäre da noch Daniel Cohen, der das US-Geschäft leitet und auch in den Staaten lebt.
Kritik an Doppelfunktion
Was bei der aktuellen Konstellation auffällt, ist die Machtfülle von drei Familienmitgliedern: Markus Langes-Swarovski, Robert Buchbauer und Mathias Margreiter sind alle sowohl im Beirat als auch im Executive Board. Alle drei, so sagen Insider, trauen sich jede Führungsfunktion zu. Dabei war, so ein Insider, der Beirat als höchste Kontrollinstanz und Aufsichtsrat konzipiert, das Board als Art Vorstand. Dass sich einige nun quasi selbst kontrollieren, missfiel auch Paul Swarovski. Und der wurde "entlassen“.
Dem Rauswurf Pauls haben aber auch andere, mächtige Familienmitglieder zugestimmt. Es gab sogar eine Art Prüfung durch Marina Gioris Ehemann Adalbert Lhota, Direktor der Schweizer Swarovski Holding AG. Er soll Paul auch die Schlüssel abgenommen haben, was als besonders demütigend gilt, weil er kein Familienmitglied ist.
Neuer Top-Job für Fiona
Marina Giori, die im Beirat sitzt, steht jedenfalls samt ihren Töchtern Fiona Pacifico Griffini-Grasser und Anouchka Rafail-Vogiatzakis hoch im Kurs des Konzerns.
Fiona hat eine neue, herausfordernde Aufgabe im Kristallreich. Dies, nachdem noch vor einem Jahr Nadja Swarovski-Adams betont hatte, dass Fiona keine Funktion habe. Nun arbeitet diese für "Cadenzza“. Dabei handelt es sich um ein neues Shop-Konzept. Angeboten wird trendiger Schmuck von Designern, die zu Swarovski passen. Bis 2020 soll es 1.000 Cadenzza-Filialen weltweit geben. Fiona sei zuständig für die Auswahl von Marken und im Bereich Schmuckdesign, heißt es auf NEWS-Anfrage. Anhand der Anteile ihrer Familie hat Fiona das Zeug, im Konzern aufzusteigen. Sie gehört der fünften Generation an, die nun Macht verteilt und verteidigt.
Ein Artikel von Markus R. Leeb, Stefan Melichar und Daniel Steinlechner.
Über die Autoren
Markus R. Leeb
Stefan Melichar
Stefan Melichar ist ein österreichischer Investigativ- und Wirtschaftsjournalist. Er arbeitete zu Beginn seiner Karriere als Wirtschafts-, Finanz- und Investigativreporter bei der Wiener Zeitung, bevor er als Investigativjournalist zum Nachrichtenmagazin News wechselte.
Anfang 2018 trat er dem Investigativ-Portal Addendum bei. Seit September 2019 arbeitet er für das Nachrichtenmagazin Profil als Investigativjournalist. Melichar ist zudem Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Preis ausgezeichnet.