Freundliche Gedanken an Thaddäus Podgorski

Er hat mehr geleistet, als den Namen Zeit im Bild zu erfinden. Der Sohn polnischer Aristokraten hat den ORF vier Jahre lang mit Grandezza geleitet. Ihn anlässlich seines Todes gegen andere auszuspielen, ist Unfug

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Ein halbes Leben lang kehrt man den Mist, der sich in der eigenen Biografie angesammelt hat, unter den Tisch und hinter die Regale. Und dann trifft man per Zufall jemanden auf der Straße, mit dem man sich vor einer Ewigkeit verfeindet hat, und weiß nicht einmal mehr den Grund. In diesem gesegneten Augenblick beschließt man, dass es genug ist. Man grüßt einander nach kurzem Zögern, und Ruhe ist. Ich erlebe das zuletzt, möglicherweise infolge galoppierender Lebensreife, immer öfter und empfehle es zur Nachahmung.

Wozu diese Privatbesinnlichkeiten? Weil mir die Bereinigung des Zerwürfnisses mit Teddy Podgorski, der zwischen 1986 und 1990 als Generalintendant des ORF gedient hat, leider nicht mehr gelungen ist. Aus dieser Zeit datierte ein Streit um eine Nichtigkeit, dessen Beilegung mir schon insofern kein Anliegen war, als Podgorskis Regiment ohnehin nach vier Jahren endete. Vor und nach ihm waltete die Ewigkeit Gerd Bacher, und jetzt lese ich allseits: Was für ein cooles, zuinnerst liberales Aufatmen die Ära Podgorski doch war inmitten der Schreckensherrschaft des schwarzen Diktators Bacher!

Um das Ausmaß dieses Unsinns zu ermessen, müssen Sie mir ein Stück in die Geschichte folgen, zum Epochemacher Hugo Portisch. Dem wurde 1964 in seiner Eigenschaft als Chefredakteur des „Kurier“ zugespielt, was man heute radebrechend einen „Sideletter“ nennt: Die Koalitionsparteien ÖVP und SPÖ teilten sich darin den Rundfunk nach einem strengen Proporzsystem bis in die mittleren Chargen auf. Portisch initiierte daraufhin Österreichs erstes Volksbegehren, und zwei Jahre später errang der schwarze Kanzler Josef Klaus die Absolute. Er verabschiedete ein Gesetz, das die Unabhängigkeit des staatlichen Rundfunks garantierte, doch der Jubel blieb überhörbar. Denn dass sich der Gesetzestext je in Realität verwandeln könnte, glaubte niemand. Eher erwartete man Kompletteinfärbung im Sinne der neuen Machtverhältnisse, als 1967 der Generalintendant Bacher sein Amt antrat.

Das Kalkül scheiterte an einer Kleinigkeit: Bacher war nicht nur einer der profiliertesten Konservativen seiner Zeit, sondern auch ein Mediengenie von grenzdespotischer Unbeirrbarkeit. Deshalb sammelte er die schrägsten unter den verfügbaren Vögeln um sich: als Fernsehdirektor den roten Lehrer Helmut Zilk, der mit einem tumultösen Diskussionsformat aufgefallen war, als Programmplaner den reizbaren schwarzen Intellektuellen Jörg Mauthe. Beide waren Freimaurer, wechselten später in die Politik und hassten einander dort derart, dass Mauthe dem Bürgermeister testamentarisch die Teilnahme an seinem Begräbnis verbot (Zilk kam trotzdem). Der rote Unterhaltungschef Kuno Knöbl entfesselte mit dem Quiz „Wünsch dir was“ Skandal um Skandal, in der Information wirkten der spätere rote Minister Franz Kreuzer und der minimalgeläuterte Ustascha-Faschist Alfons Dalma. Hugo Portisch wurde zur kommentierenden Instanz, und das ungeduschte Jugendmagazin „Ohne Maulkorb“ bereitete Bacher körperliche Qualen. Das Einzige, was alle verband, war ihr Können.

1970 verlor Klaus die Wahl, und Bruno Kreisky setzte sofort alles daran, Bacher abzumontieren. Das gelang – Bacher regierte mit zwei Unterbrechungen bis 1994! – immer nur für vier Jahre. Zuerst 1974 – darauf komme ich am Schluss – und dann 1986 mit dem Sportchef Thaddäus „Teddy“ Podgorski. Der Nachfahre polnischer Aristokraten passte genau in die Achtzigerjahre mit ihrer etwas elaborierten Weltläufigkeit. Kein Zufall, dass er sich, nicht als einziger kluger Linker, in die Entourage des Demel-Besitzers und Mörders Udo Proksch verdribbelte. Das Männermagazin „Jolly Joker“, die „Seitenblicke“, auch die „Bundesland heute“-Schiene – hätten wir sie vermisst? Aber Podgorski hat auch „Universum“ erfunden und den Minderheiten eine Stimme gegeben. Er war ein charmanter, charismatischer Männerbündler alten Stils, der heute einiges auszustehen hätte, und wurde doch von Eva Deissen und Marga Swoboda, den im tödlichen Zerwürfnis verschwisterten Primadonnen feministischer Publizistik, in unvorstellbarer Einmütigkeit geliebt. 1990 wurde er abgewählt. Da war auch die zweite Generalpause in der Ära Bacher Geschichte.

Die erste verwaltete auf Kreiskys Geheiß der Ministerialbürokrat Otto Oberhammer, der mit Medien zuvor nichts zu tun gehabt hatte. 1974 trat er unter lautem Branchengemecker an, und als er nach vier Jahren abtrat, behielt kaum jemand seinen Namen. Aber in der Erbmasse fanden sich u. a. der „Club 2“, Trautl Brandstallers feministisches Leuchtturmprojekt „Prisma“, die ikonische „Mundl“-Reihe und Peter Turrinis „Alpensaga“. Viel mehr ist vorher und nachher keinem gelungen, und ich frage mich, ob er nicht womöglich einer der Größten war. Und ob er das wurde, weil er die ihm anvertrauten Könner in Ruhe ließ.

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