Bernsteinzimmer: Neue
Indizien geben Hoffnung

Seit mehr als 70 Jahren wird nach dem legendären Bernsteinzimmer gesucht. Der Verbleib des Originals sorgt bei Kunstliebhabern für Kopfzerbrechen. Eine polnische Tauchergruppe sorgt für neue, spannende Spekulationen.

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Indizien geben Hoffnung © Bild: imago images/photothek

1. Was ist das Bernsteinzimmer?

Es ist ein Meisterwerk der Handwerkskunst und wird als "Achtes Weltwunder" gehandelt. Konkret handelt es sich um eine goldene Wandvertäfelung mit prächtigen Spiegel sowie Möbel mit zahlreichen Bernsteinelementen.

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Als es im im Jahr 1701 in Auftrag gegeben wurde galt Bernstein noch als ein besonderer Edelstein. Heute wissen wir, dass es "nur" fossiles Harz ist. Nichtsdestotrotz ist das Bernsteinzimmer ein barockes Gesamtkunstwerk mit wunderschönen Schnitzereien. Seit dessen Verschwinden am Ende des Zweiten Weltkriegs ist es zum Objekt der Begierde in der Kunst- und Abenteurerszene aufgestiegen.

2. Wem gehört das Bernsteinzimmer?

Es gehörte der Romanow-Familie, einem alten russischen Adelsgeschlecht. Die Nachfolger des letzten russischen Zars wären damit die rechtmäßigen Erben des Schatzes. Aber das war nicht immer so. Denn das Bernsteinzimmer wanderte über die Jahre an verschiedene Besitzer. In Auftrag wurde es von Preußens König Friedrich I. gegeben.

Preußische Architekten und Bildhauer entwarfen das berühmte - mit Gold und Bernstein geschmückte - Zimmer. Lange sollte es aber nicht deutscher Hand bleiben. Der Preußenkönig starb bereits vor der Vollendung des Zimmers. Sein Sohn Friedrich Wilhelm I., der wenig mit dem Kunstwerk anfangen konnte, jedoch sehr viel mit der Kunst des Krieges, hatte andere Pläne. Bei einem Besuch des russischen Zaren Peter I. im Jahr 1716 kam es zum Tauschhandel. Der junge Preußenkönig schenkte dem Zar das Bernsteinzimmer. Im Gegenzug erhielt er groß gewachsene russische Soldaten für seine Leibgarde.

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In Russland wurde das Bernsteinzimmer jedoch zunächst nur eingelagert und erst 1741 im Winterpalast von Sankt Petersburg aufgebaut. Katharina die Große, die von 1762 bis 1796 herrschte, baute das Zimmer in ihre Sommerresidenz im Katharinenpalast im damaligen Zarskoe Selo ein, wo es knapp 200 Jahre blieb.

Dann kamen die Nazis. Die Wehrmacht schaffte die kostbare Verkleidung in Kisten verpackt 1941 nach Königsberg, dem heutigen Kaliningrad. Dort verliert sich um 1944 die Spur. Nicht nur Russland hofft auf das Wiederauffinden des Kunstwerks. Das Zimmer sei ein Symbol für den Verlust vieler Kulturgüter aus Russland im Weltkrieg.

3. Wie viel ist das Bernsteinzimmer wert?

Die Nachfolger Peters des Großen überarbeiteten und erweiterten das Bernsteinzimmer erheblich und verwandelten es so zu einem Symbol ihres Reichtums. Zum Ende des 18. Jahrhunderts war es ein prachtvoller Raum von 100 Quadratmetern Größe, mit Blattgold und Halbedelsteinen geschmückt. Rund sechs Tonnen Bernstein wurden darin verarbeitet. Über den wahren Wert streiten sich Historiker und Juweliere bis heute – auf 130 bis 450 Millionen Euro wird er geschätzt.

4. Wo befindet sich das Bernsteinzimmer heute?

Diese Antwort kennt (noch) niemand. Manche Schatzsucher vermuten es immer noch in Kaliningrad, andere in Tschechien und auch in Afrika wurde nach dem honigfarbenen Juwel gefahndet. Andere Forscher gehen davon aus, dass das Zimmer insgeheim nach Südamerika verschifft wurde, wo viele Nazispitzen nach 1945 geflohen waren.

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Eine weitverbreitete Theorie ist jedoch, dass es während der Bombardierung der Stadt 1944 verbrannte. Andere behaupten das berühmte Zimmer sei in die Kellerräume des Schlosses verlegt worden. Doch als die Sowjettruppen Königsberg im April einnahmen, fanden sie es nicht: Das Bernsteinzimmer war verschwunden. Und noch eine These: Die wertvollen Tafeln könnten in einem noch ungeöffneten Bunker des letzten Kommandanten von Königsberg, Generalleutnant Otto Lasch, verborgen sein. Der hatte 1945 bis zuletzt Widerstand geleistet. Bis zu seinem Tod 1971 gab er über den Verbleib des Bernsteinzimmers keinerlei Auskunft.

Übrigens: Eine Kopie des Bernsteinzimmers ist seit 2003 im Petersburger Katharinenpalast wieder zu besichtigen. Die Arbeit an der Nachbildung hatte mehr als 20 Jahre gedauert und umgerechnet mehr als zehn Millionen Dollar gekostet.

Auch interessant: Mehrere Teile des Bernsteinzimmers haben den Zweiten Weltkrieg überlebt: Im Jahr 2000 übergab Deutschland zwei Stücke des Zimmerdekors, ein Florentiner Mosaik und eine Bernsteintruhe, an Russland.

5. Welche neue Spur gibt es?

Das Bernsteinzimmer könnte vor Polen in der Ostsee liegen – in einem deutschen Kriegsschiff. Eine Gruppe polnischer Taucher fanden am Grundder Ostsee in rund 90 Metern Tiefe das Wrack eines deutschen Kriegsschiffes aus dem Zweiten Weltkrieg und identifizierten es als die „Karlsruhe“. An Bord befanden sich Kriegstechnik, eine große Menge Porzellan und viele Holzkisten. Die sollen erst an Land geöffnet werden, wie der deutsche "Tagesspiegel" berichtet.

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6. Was weiß man über die „Karlsruhe“?

Das nun entdeckte Schiff verließ Anfang April 1945 den Kriegshafen von Pillau mit mehr als 1000 Menschen, Kriegstechnik und einer geheimnisvollen Fracht an Bord, wie Zeitzeugen berichteten. Die Fahrt währte nur kurz: Am 13. April wird das Kriegsschiff vor Stolpmünde, dem heute polnischen Ustka, bei einem britischen Luftangriff versenkt. Nur 100 Menschen überleben. Befindet sich zu diesem Zeitpunkt tatsächlich das Bernsteinzimmer an Bord der "Karlsruhe"?

7. Was hält man in Russland von der Spur?

Relativ wenig. Im Katharinenpalast von Zarskoje Selo werden die neuen Indizien aus Polen mit großer Zurückhaltung aufgenommen. "Früher haben wir die Luft bei angehalten, aber inzwischen gehen wir solchen Informationen gar nicht mehr nach, es gibt eine Flut von ihnen", sagte die Vizedirektorin des Museums „Zarskoje Selo“, Iraida Bott, dem russischen Dienst der BBC. Russische Forscher glauben noch immer, das Bernsteinzimmer habe Königsberg nie verlassen.