Richard Kaplenig: Das Werk des österreichischen Malers

Es sind Gegenstände, die unseren Alltag prägen, auf den ersten Blick aber geradezu profan erscheinen. Doch zu Richard Kaplenig sprechen sie. Vor rund einem Jahrzehnt hat der Kärntner Maler ebendiese "Alltagsdinge" zu den Protagonisten seines Schaffens erklärt. Von künstlerischer Not zum anerkannten Lebenswerk.

von Richard Kaplenig © Bild: Tine Ulbing

Steckbrief Richard Kaplenig

  • Name: Richard Kaplenig
  • Geboren am: 16. April 1963 in Kötschach-Mauthen
  • Wohnt in: Wien und in Faak am See.
  • Ausbildung: Studium an der Accademia di belle arti di Venezia
  • Beruf: Maler

Was Richard Kaplenig mit seiner Kunst zeigt, erschließt sich den Betrachtern auf den ersten Blick: Es sind Gegenstände, wie wir sie in jedem gut sortierten Haushalt finden. Von technischen Dingen wie Schraubstücken, die oftmals im Verborgenen, still und heimlich ihre Arbeit verrichten, über Glühbirnen, deren Unverzichtbarkeit uns erst einleuchtet, wenn sie den Geist aufgeben, bis zum Schnitzelklopfer, der in Österreich - wenngleich meist unbeachtet - gewissermaßen als Kulturgut zu werten ist. Was sie eint? Kaplenigs Protagonisten erscheinen auf den ersten Blick allesamt derart profan, dass wir sie gemeinhin für selbstverständlich erachten und ihnen keine größere Bedeutung beimessen. Nicht so aber der Kärntner Künstler: Auf mittel-bis großformatigen Leinwänden kehrt er die vermeintliche Banalität des Alltäglichen in seinen überdimensionierten Darstellungen ins Gegenteil und räumt der eigentlichen Unverzichtbarkeit eben jenen Raum ein, den sie verdient. Dafür setzt der Künstler seit mittlerweile einem Jahrzehnt auf bewusste Reduktion, fokussiert in sterilem Umfeld auf den porträtierten Gegenstand und setzt auf eine schmale Palette aus Schwarz, Weiß, Indigo, mit seltenen Ausnahmen anderer zurückhaltender Farbtöne. Die Nähe zur Realität schafft der Künstler einzig durch den Einsatz von Licht, dessen Reflexion den porträtierten Gegenständen plastisches Leben einzuhauchen scheint. Wo kein Licht hinfällt, bleibt es in Kaplenigs Grauskala dunkel und die Oberfläche des Ojekts im Verborgenen.

Wer einen Schritt näher auf die Werke zugeht, sieht, dass der Künstler in seiner Arbeit einen Schritt weiter tut. Denn erst der zweite Blick, die genaue Betrachtung, offenbart Details, die unsere Wahrnehmung beim ersten, schnellen Erfassen scheinbar verwehrt. Der dezente Pinselstrich gewinnt an Intensität, die nahe Auseinandersetzung überführt die Wirklichkeit des Gegenstandes in jene der Welt geometrischer Formen, oder es erschließen sich versteckte Details wie die Produktkennzeichnung "Made in Germany". Eines jedoch haben Kaplenigs Alltagsgegenstände gemein: Sie alle begründen ihre figurative Existenz auf schwarz-weißen Landkarten, deren Topographie und Kartographie - auf Leinwände kaschiert - den Malgrund schaffen. Wie eine Art geheimer Code, der förmlich auf seine Dechiffrierung durch aufmerksame Betrachter wartet, schimmern Linien und Bezeichnungen der Karten durch den dünnen, hellen Farbauftrag, der die ausgeleuchteten Oberflächen eines Gegenstandes abbildet. Suchende finden darin eine Art autobiografischen Hinweis des Künstlers: "Der aufkaschierte Malgrund bezieht sich immer auf die Örtlichkeiten, an denen die jeweiligen Bilder entstanden sind - so bedient sich die aktuelle Serie der Landkarten des Dreiländerecks, da sie in meiner Heimat, in Südkärnten, und an meinem Wohnsitz in Wien entstanden ist", erklärt Kaplenig, der auf zahlreiche internationale Symposien und Auslandsaufenthalte zurückblickt. "Durch diese Technik verleihe ich meinen Werken zusätzliche Individualität, eine Art Fingerabdruck, und weiß auch nach 30 Jahren - bei genauer Betrachtung - noch, wo die Arbeit entstanden ist."

Von der Abstraktion zum Gegenstand

Jede seiner Arbeiten lässt sich so allerdings nicht datieren. Denn Alltagsgegenstände auf autobiografischem Malgrund waren nicht immer Kaplenigs Leitmotiv: "Ehe ich zur figurativen Gegenstandsmalerei gefunden habe, waren meine früheren Werke eindeutig in der abstrakten Malerei zu verorten." Von der Abstraktion möchte er sich aber nicht gänzlich distanzieren. "Die überdimensionierte Darstellung der porträtierten Dinge verleiht dem Werk trotz seiner Nähe zur Realität immer noch etwas Abstraktes - diese Kombination ist es, die mein Schaffen zu einem gewissen Grad auch auszeichnet", so der Künstler, dessen Begabung bereits im Schulalter erkannt und gefördert wurde. Später absolvierte Kaplenig eine Ausbildung in Bildhauerei, deren Formensprache und plastischer Elemente er sich heute noch bedient, um "seine Gegenstände" lebendig zu machen. Seinen malerischen Feinschliff verdankt er einem fünfjährigen Studienaufenthalt an der Academia di Belle Arti in Venedig. Für den italophilen Kärntner eine prägende Zeit: "Sie hat mir erst gezeigt, was Malerei eigentlich ist. Ich hatte das große Glück, dass wir als Studierende damals noch direkt im Museum, umgeben von all den großen Meistern der kunstgeschichtlichen Epochen, in die Materie der Malerei eingeführt wurden. Richtig zu malen, habe ich erst in Venedig gelernt." Ganze zehn Jahre hat sich Kaplenig in Summe dem Dolce Vita ergeben. Eine Phase, die für sein heutiges Werk entscheidend war.

Nicht weniger richtungsweisend: Im Jahr 2009 wurde er im Rahmen des innovativen Kunstprojektes changing views der damaligen Kapsch-Gruppe ausgezeichnet und verbrachte in weiterer Folge ein Jahr als artist in residence in Buenos Aires. Für Kaplenig die Entkoppelung zur völligen Abstraktion: "Ich habe damals reflektiert und für mich festgestellt, dass mir meine bisherige Malerei zunehmend langweilig wird", so der Künstler über seinen Wandel. "Somit habe ich alles Bisherige hinter mir gelassen und in Argentinien begonnen, Reisetagebücher - Straßen, Landschaften und Architektur - zu malen. Das war der Beginn meiner Gegenstandsmalerei." Mehr als 140 Werke sind in dieser Zeit entstanden, die er nach seiner Rückkehr in der Wiener Remise ausstellte.

Die Not als Wegweiser

Für Kaplenig der Abschluss des Projekts: "Und wie es oft so ist, stellte auch mich das Ende dieser Reise vor ungeahnte Leere - es war der klassische Fall in ein sich auftuendes Loch", erinnert er sich. Die Malerei für eine Zeit ruhen zu lassen, kam für den Künstler jedoch nicht infrage. "Malen ist schließlich wie Geige spielen, man muss dranbleiben, um es nicht zu verlernen." Notgedrungen hat er weitergemalt: "Ich habe mich nach Objekten in meinem Atelier umgesehen und begonnen, Lampen, meine Freisprecheinrichtung und andere herumstehende Gegenstände zu malen - habe diese zum Teil stark vergrößert dargestellt oder einzelne Ausschnitte davon skizziert und schon bald festgestellt, dass diese Gegenstände alle Parameter der Malerei, Farbe, Form, Raum und Licht gewissermaßen vorgeben." Auch die Geschichte, die er damit transportiert, brauchte er sich nicht zu überlegen: "All meine Gegenstände erzählen eigene Geschichten, die sich des Erfahrungsschatzes der Betrachterinnen und Betrachter bedienen. Meine Zündkerzen erinnern beispielsweise meine Generation an ihre Jugend, in der ein Großteil Puch DS50 gefahren ist -Hauptfehlerquelle des Mopeds: die Zündkerze."

Um die Intensität seiner Werke zu erschaffen und spürbar zu machen, malt Kaplenig fast ausschließlich vom Modell: "Man muss die Materialität während des Malprozesses spüren können", erklärt er. Ob ihm die Modelle jemals ausgehen werden? "Definitiv nicht", ist er überzeugt. "Das mag komisch klingen, aber da draußen, in der Welt der Gegenstände, warten noch einige darauf, von mir gemalt zu werden und sprechen förmlich zu mir: Kaplenig, mal' mich!"

Ausstellung "High Lights"

Noch bis 7. November zeigt die Galerie Lukas Feichtner ausgewählte Werke Richard Kaplenigs. Die Finissage findet am 4. November von 14 bis 16 Uhr unter Anwesenheit des Künstlers statt.

Lukas Feichtner Galerie
Seilerstätte 19
1010 Wien

feichtnergallery.com

2024 ist eine große Ausstellung im "Museum Moderner Kunst Kärnten" gemeinsam mit Julian Taupe geplant. Mehr Infos zum Künstler unter kaplenig.com

Der Beitrag erschien ursprünglich im News 43/2023.