Red Bull: Ein Abschied und seine Folgen

Die Nachricht vom Tod des Red-Bull-Gründers Dietrich Mateschitz wurde sofort von der Aufforderung, sein Lebenswerk fortzuführen, begleitet. Tun statt Trauern: Das war im Sinn des Mannes, der Lärm um seine Person verabscheute. Was bedeutet sein Tod nun für das Unternehmen und die Sportwelt? Antworten auf drängende Fragen.

von Dietrich Mateschitz 2019 © Bild: IMAGO/Nordphoto

Inhaltsverzeichnis

  1. Wer bestimmt über Red Bull?
  2. Wie sieht es mit Mateschitz' Erbe aus?
  3. Wer kommt an die Spitze von Red Bull?
  4. Bleibt der Firmensitz in Österreich?
  5. Was passiert mit Red Bull Salzburg?
  6. Was ist mit den anderen Fußball-Klubs?
  7. Wie geht es in der Formel 1 weiter?

Am späten Abend des 22. Oktobers 2022 war es traurige Gewissheit. Vom Fahrerlager des Red Bull Racing Team in Austin, Texas, aus verbreitete sich die Nachricht über den Tod des Gründers um die Welt: Dietrich Mateschitz war im Alter von 78 Jahren verstorben. Die weltweit mehr als 13.000 Mitarbeiter des Unternehmens waren als Erste informiert worden: "In diesen Momenten überdeckt Trauer alle anderen Gefühle. Aber schon bald wird die Trauer Platz machen für Dankbarkeit, dafür, was er verändert, bewegt, bewirkt und so vielen Menschen ermöglicht hat." Nach vorn blicken und in seinem Sinn weitermachen - keine andere Aufforderung wäre dem reichsten Österreicher gerecht geworden.

Sein komplexes, fast unüberschaubar großes Lebenswerk wirft indes Fragen zur Zukunft auf, die weitreichende Konsequenzen haben. Ein Versuch, die wichtigsten zu beantworten.

Wer bestimmt über Red Bull?

Die Anteile an der Firma Red Bull mit Sitz Fuschl am See teilen sich wie folgt auf: 49 Prozent hält die Distribution & Marketing GmbH (Eigentümer: Mark Mateschitz (vormals Dietrich Mateschitz)), 49 Prozent die thailändische TC Agro Trading Company der Familie Yoovidhya und die restlichen zwei Prozent Chalerm Yoovidhya, Sohn des 2012 verstorbenen Mitgründers Chaleo Yoovidhya. Der aktuelle Gesellschaftsvertrag stammt aus 2018. Laut diesem werden Geschäftsführer der Red Bull GmbH mit einfacher Mehrheit bestellt (50 Prozent plus eine Stimme) - außer, es gibt einen Syndikatsvertrag. Dieser muss beim Firmenbuchgericht nicht offengelegt werden und ist somit öffentlich nicht zugänglich.

"Daher kann man über das Vorliegen eines solchen Syndikatsvertrags und dessen möglichen Inhalt nichts Stichhaltiges sagen", erläutert die Linzer Anwältin Nikola Leitner-Bommer, Spezialistin für Unternehmensrecht und -nachfolge, die mit dem konkreten Fall nicht befasst ist. Grundsätzlich ist es bei größeren Unternehmensstrukturen nicht unüblich, dass es Syndikatsverträge über Abstimmungsverhalten von Gesellschaftern gibt.

Sollte es aber keinen geben, müsste nach dem Ableben des Magnaten mit einfacher Mehrheit eine neue Geschäftsführung gewählt werden. Das könnten die thailändischen Anteilseigner demnach alleine tun. Eine neu bestellte Geschäftsführung könnte darüber hinaus das Stimmrecht der Red Bull GmbH in deren Tochtergesellschaften ausüben. Zu diesen gehören unter anderem Red Bull Media House, Hangar-7, aber auch das Salzburger Musikgeschäft Key-Wi Music sowie Beteiligungen an Gerhard Bergers Transportfirma.

Wie sieht es mit Mateschitz' Erbe aus?

Bei der Distribution & Marketing GmbH, die wie erwähnt 49 Prozent an Red Bull hält, war Dietrich Mateschitz alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter. Wie sein einziger Sohn, Mark Mateschitz, in einer Aussendung am 3. November 2022 mitteilte, ist er nach der gesetzlichen Erbfolge nun im Besitz der Distribution & Marketing GmbH.

Mark Mateschitz: Sohn von Dietrich Mateschitz
© imago images/Motorsport Images Mark Mateschitz

Eine Lebensgefährtin, wie Mateschitz' 39-jährige Partnerin Marion Feichtner, Geschäftsführerin des Reisebüros "The Travelbirds", hingegen wäre nur zum Zug gekommen, wenn es keine gesetzlichen Erben aus dem Kreis der berufenen Verwandten und keinen Ehegatten gibt. Die genauen Erbquoten sind von der Anzahl der gesetzlichen Erben abhängig.

Dietrich Mateschitz und Marion Feichtner
© imago images / Christian Schroedter Dietrich Mateschitz im Jahr 2019 an der Seite von Lebensgefährtin Marion Feichtner

Ein wichtiger Punkt: Der Gesellschaftsvertrag dieser Firma war nach Ansicht von Leitner-Bommer auf eine Ein-Personen-GmbH zugeschnitten. "Sollte diese Firma zukünftig mehr als einen Gesellschafter haben, ist es nicht ausgeschlossen, dass es zu Blockaden auf Gesellschafterebene kommen kann." Solche Blockaden können dadurch entstehen, dass grundsätzlich eine einfache Mehrheit für Beschlussfassungen vorgesehen ist. Sofern zwei Gesellschafter jeweils eine Beteiligung von 50 Prozent haben, können Beschlüsse nur dann gefasst werden, wenn beide Gesellschafter zustimmen. Die zukünftigen Gesellschafter können den Gesellschaftsvertrag allerdings anpassen.

Wer kommt an die Spitze von Red Bull?

"Wie von meinem Vater und mir vorgeschlagen und gewünscht und von unseren thailändischen Partnern unterstützt, wird ein Board of Directors die Geschäfte von Red Bull führen", teilte Mark Mateschitz in einer Mitteilung an die Belegschaft von Red Bull am 3. November 2022 mit.

Danach werden die Manager Franz Watzlawick (CEO Beverage Business), Alexander Kirchmayr (CFO) und Oliver Mintzlaff (CEO Corporate Projects und Investments) die Geschäfte von Red Bull führen.

Mark Mateschitz selbst hat die Rolle als Head of Organics niedergelegt. "Die Entscheidung ist mir schwergefallen, weil die Organics by Red Bull ein Herzensprojekt von mir sind. Aber ich halte nichts davon, sowohl Angestellter als auch Gesellschafter in der gleichen Unternehmung zu sein. Ich werde mich auf meine Rolle als Gesellschafter konzentrieren, werde sie so interpretieren und mich so einbringen, wie ich das für sinnvoll und nötig erachte", heißt es in der Aussendung.

Besonders freue es ihn, dass Roland Concin, Walter Bachinger und Volker Viechtbauer, die ihre bisherigen Positionen verlassen, als Berater für Red Bull an Bord bleiben. "Sie werden mit ihrer Erfahrung und ihrem Know-how das Board of Directors und damit letztlich uns alle dabei unterstützen, die Arbeit meines Vaters erfolgreich in seinem Sinne fortzuführen", teilt Mark Mateschitz mit. Darüber hinaus würden sie als "Geschäftsführer der Distribution & Marketing GmbH, die nunmehr in meinem Besitz steht und die 49 Prozent der Geschäftsanteile der Red Bull GmbH hält, mich persönlich unterstützen."

An die neue Geschäftsleitung gibt es einige Anforderungen, meint Alexander Kail, Managing Partner beim Headhunter Stanton Chase: "Sie muss das grundsätzliche Handwerk beherrschen, in diesem Fall ein globales Consumer-Business. Primär braucht es aber Vision und Leadership für das globale Team, für den Markt und auch für die beiden Shareholder."

ZAHLEN UND FAKTEN
Der Red-Bull-Konzern

9,8 Milliarden Dosen Red Bull
wurden 2021 weltweit verkauft -ein Plus von rund 24 Prozent im Vergleich zu 2020

1,2 Milliarden Euro
betrug der Gewinn von Red Bull im Coronajahr 2020. Mateschitz ließ sich eine Dividende von rund 680 Millionen Euro auszahlen, die thailändischen Eigentümer rund 536 Millionen Euro.

23,9 Prozent Plus
gab es 2021 beim Konzernumsatz, der laut Firmenangaben bei rund 7,82 Milliarden Euro lag -ein neuer Rekord in der Geschichte von Red Bull.

20 bis 30 Prozent
des Umsatzes werden in das Marketing gesteckt -das ist deutlich mehr als Marken wie Coca-Cola ausgeben.

405 Millionen Euro
Steuern hat Red Bull 2020 an den Staat Österreich abgeliefert.

21,7 Milliarden Euro
betrug das Vermögen von Dietrich Mateschitz laut Schätzungen -er war damit im Ranking der reichsten Menschen der Welt auf Rang 56.

92 Milliarden Euro
ist der weltweite Markt für Energy Drinks dieses Jahr laut Schätzungen schwer.

13.600 Mitarbeiter
beschäftigt Red Bull in 72 Ländern weltweit.

Bleibt der Firmensitz in Österreich?

Red Bull beschäftigt weltweit mehr als 13.000 Mitarbeiter, wie viele davon in Österreich tätig sind, kann nur geschätzt werden. Es dürften aber nicht mehr als einige Hundert sein. Tochterfirmen wie das Red Bull Media House mit mehr als tausend Mitarbeitern werden hier nicht mitgezählt.

Kurzfristig dürfte sich am Standort Österreich nicht viel ändern, denn die Mehrheitseigentümer werden das Ruder des erfolgreichen Unternehmens nicht abrupt herumreißen. Zudem wird der Staat Österreich interessiert sein, als Standort der weltweiten Marke Red Bull erhalten zu bleiben. Grundsätzlich könnte ein Erblasser seine Vermögenswerte sogar einem Staat vermachen, erklärt Leitner-Bommer.

Von solchen Gedankenspielen abgesehen, gibt es indes keine Garantie, dass die Eigentümer nicht einen neuen Standort - beispielsweise in Asien oder in einer Metropole wie London -bevorzugen. Wo sich der Firmensitz von Red Bull befindet, ist letztlich nicht entscheidend für Umsatz und Gewinn.

Interessant sind die Vorgänge bei der Stiftung "Kunst und Kultur DM" (ehemals Quo Vadis Privatstiftung). Als weiterer Stiftungszweck neben Aufgaben wie "Förderung des demokratischen Staatswesens durch staatsbürgerliche Bildung" und Kultur wurde erst im August der Sport hinzugefügt. Das bedeutet: Das Geld dieser Stiftung kann auch für Fußball-und Eishockeyvereine ausgegeben werden. Mateschitz könnte so versucht haben, die Sportprojekte am Leben zu erhalten. Im Dokument ist die Servus Medien GmbH als zweiter Stifter neben Mateschitz eingetragen. Der Vorstand besteht aus hochrangigen Managern von Red Bull.

Mit Mateschitz' Ableben können die Stifter - also nunmehr nur die Servus Medien GmbH - ein neues Stiftungsvorstandsmitglied bestellen und die Stiftungsurkunde in jede Richtung abändern. Dabei müsse die Gemeinnützigkeit gewahrt werden, betont Leitner-Bommer.

Was passiert mit Red Bull Salzburg?

Red Bull ist seit 2015 nur noch Sponsor des Salzburger Fußballklubs, der in den vergangenen Jahren die österreichische Liga dank seiner finanziellen Mittel und professioneller Aufstellung - vor allem beim Scouting - dominierte. Der Grund für den Rückzug auf die Geldgeber-Funktion ist Red Bulls Fußball-Engagement in Deutschland: Es ist nicht erlaubt, zwei Vereine zu besitzen, die in europäischen Bewerben gegeneinander spielen können. Inzwischen läuft das Projekt in Salzburg dank kluger Einkaufs-und Verkaufspolitik aber ausgesprochen gut: Es ergibt jährlich ein sattes Transferplus.

Diesen Sommer wurden Spieler für rund 93 Millionen verkauft und für 30 Millionen gekauft. Salzburg ist für Top-Kicker wie den Norweger Erling Haarland ein Sprungbrett zur internationalen Karriere. Selbst nach dem Ableben von Mateschitz könnte Salzburg auf diese Errungenschaften bauen. Allein: Die Gewissheit, dass Mateschitz das Fußballprojekt in der Heimat unterstützt hat, brachte finanzielle Sicherheit und Sponsoren wie Rauch mit sich. In Zukunft wird es schwieriger, diese Sonderstellung in Österreich zu halten. Wird im Red-Bull-Konzern Österreichs Liga langfristig nicht mehr als wichtig angesehen, könnte sich das Problem verschärfen, wobei die nächsten ein, zwei Jahre als gesichert gelten.

Was ist mit den anderen Fußball-Klubs?

Red Bull ist u. a. in Leipzig und New York im Fußballgeschäft tätig. RasenBallsport Leipzig - so die offizielle Bezeichnung des deutschen Klubs - gehört de facto Red Bull, denn diese hält 99 Prozent der GmbH, die für Profispieler und Nachwuchs verantwortlich ist. In den vergangenen Jahren hatte es wiederholt Probleme mit Verbänden gegeben, weil Salzburg und Leipzig enge Verbindungen haben. Unter anderem wurden Spieler von einem Klub zum anderen verschoben. Derzeit scheint denkbar, dass die Firma Red Bull unter einer neuen Geschäftsführung schon wegen dieser Eigentumsverhältnisse die Klubs in Deutschland und den USA im Vergleich zu einem österreichischen Verein als zukunftsträchtigeres Investment sehen könnte.

Angesichts der Tatsache, dass die thailändischen Eigentümer bei Red Bull das Sagen haben werden, könnten sie Investments in den Fußball verlagern - zum Beispiel in die englische Premier League, die stärkste Liga der Welt. Diese wurde zum Schaulaufen potenter Sponsoren und Mäzene. Es ist erstaunlich, dass die Marketingmaschinerie Red Bull dort bisher nicht tätig geworden ist.

Wie geht es in der Formel 1 weiter?

Im Rahmen des Großen Preises der USA sagte Red Bulls Motorsportchef Helmut Marko zur Frage nach der Zukunft des Formel-1-Teams Red Bull Racing: "Die Formel 1 ist eines der wichtigsten Marketing-Tools von Red Bull. Die Entscheidung liegt natürlich bei den Shareholdern und Chalerm (Anm.: Eigentümer der thailändischen Red-Bull-Dynastie). Was ich gehört habe, ist die Zukunft auch längerfristig gesichert."

Helmut Marko feiert 2022 mit Gewinner Max Verstappen.
© Chris Graythen/Getty Images Oktober 2022: Helmut Marko feiert den Sieg von Max Verstappen, Formel-1-Fahrer bei Red Bull

Red Bull Racing war 2004 nach dem Kauf des angeschlagenen Jaguar- Teams vom vormaligen Eigentümer Ford um eine Million Dollar entstanden. Im sechsten Jahr des Bestehens, 2010, holte der Rennstall sowohl die Konstrukteurswie die Fahrerweltmeisterschaft durch den erst 23-jährigen Sebastian Vettel. Der Deutsche ist der bis dato jüngste Formel-1-Weltmeister der Geschichte. In den Saisonen 2011 bis 2013 erzielte das Team dank Vettel drei weitere Male das Double aus Fahrer-wie Konstrukteure-WM. Acht Jahre später holte Red Bull Racing die Krone mit Max Verstappen wieder. Er wurde 2021 Fahrer-Champion, wiederholt 2022 den Triumph und holt durch seinen Sieg beim Amerika-GP, just nach Bekanntwerden des Todes von Mateschitz, auch den Konstrukteurs-Titel. Der österreichische Rennstall hat den holländischen Doppelweltmeister erst vor kurzem bis 2028 an sich gebunden. Einen langfristigeren Vertrag gab es in der Formel 1 noch nie. Der momentane Wert von Red Bull Racing ist, wie für alle anderen Teams, nicht annähernd schätzbar.

Dem zweiten Formel-1-Team im Besitz von Dietrich Mateschitz, Alpha Tauri, dürfte eine ähnlich längerfristige Zukunft wie Red Bull bevorstehen. Der aus dem Minardi-Team hervorgegangene Rennstall trat von 2006 bis 2019 unter dem Namen Scuderia Toro Rosso auf, änderte seinen Namen aber zu jener der Bekleidungsmarke von Red Bull. Alpha Tauri versteht sich als Nachwuchsteam von Red Bull.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 43/2022 erschienen.