Marianne Sayn- Wittgenstein-Sayn:
300.000 Fotos - und 100 Jahre

Marianne Sayn- Wittgenstein-Sayn feierte ihren 100. Geburtstag. Ihr Jungbrunnen: vor dem Abendmahl ein Sherry, vor dem Schlafengehen ein Glaserl Rotwein

von Porträt - Marianne Sayn- Wittgenstein-Sayn:
300.000 Fotos - und 100 Jahre © Bild: imago images / Zeppo

Marianne Fürstin z u Sayn-Wittgenstein-Sayn feierte am 9. Dezember ihren 100. Geburtstag - und das bei bester Gesundheit. "Die Augen sehen nicht mehr so gut und meine Beine sind ein wenig schwach. Ich gehe aber dennoch täglich eine Stunde mit meinem Wägelchen spazieren", erzählt die rüstige, vielleicht rüstigste, Jahrhundert-Österreicherin. Das erreichen des hohen Alters verdankt sie, so sagt sie, einem "glücklichen, erfüllten Leben -und natürlich den Genen":"Ich bin eines von neun Geschwistern, und bis auf eines leben sie alle noch."

Bekannt wurde die Society-Lady und Gesellschaftsfotografin unter dem Spitznamen "Mamarazza", den ihr keine geringere als Caroline von Monaco verpasste. Aufgrund ihrer Herkunft als Tochter von Friedrich Baron Mayr-Melnhof und Maria Anna Gräfin von Meran und ihrer Ehe mit Ludwig zu Sayn-Wittgenstein-Say standen der Ururururenkelin der Kaiserin Maria Theresia alle Türen des Adels, der Wirtschaft, der Politik und der Kunst offen; sei es nun als Fotografin oder als Gastgeberin für den Jetset, den sie jahrzehntelang während der Salzburger Festspiele in ihrem Jagdhaus in Fuschl bewirtete.

Plötzlich machte es klick

Nichts hat sie vergessen! Der Geist ist noch hellwach und die Stimme kräftig, als sie beginnt, über ihr Leben zu erzählen. "Ermutigt zum professionellen Fotografieren haben mich meine Freunde Lilli Palmer und Karl Lagerfeld, nachdem mein Mann 1962 verunglückte." Ein Tipp, der bis heute goldrichtig war. Bald war sie eine "fixe Freie" bei "Frau im Spiegel", später bei "Bunte" und "Vogue". Wo sie ging und stand -ob in St. Moritz beim Skifahren, auf Yachtausflügen, Partys und Hochzeiten, von Salzburg bis New York -zückte sie ihre Kamera und fotografierte, alle, die ihr vor die Linse tanzten: Onassis und Maria Callas, Prinz Charles, Gianni Agnelli, Romy Schneider, Luciano Pavarotti, Queen Mum oder König Juan Carlos, sie alle wurden auf Zelluloid verewigt. Als fast 80-Jährige wird "Mamarazza" im Auftrag des "BMW-Magazins" noch zum 24-Stunden-Rennen von Le Mans geschickt.

Gut 300.000 Fotos befinden sich heute im persönlichen Archiv der Fürstin, alle fein säuberlich beschriftet und sortiert. Viele Fotografien sind in ihren Büchern "Mamarazza", "Saynerzeit" oder "Mannifeste" verewigt. Die Fürstin genoss nie eine professionelle Ausbildung, hatte aber ein gutes G'spür: "Mein bester Freund Lämpel (ihr Spitzname für Gunter Sachs, Anm.) sagte immer: 'Sie hat zwar keine Ahnung als Fotografin, drückt aber immer zum richtigen Zeitpunkt ab'."

Spontanen Sinn für Dramaturgie bewies die Fürstin auch als Gastgeberin, ihre Tafeln während der Salzburger Festspiele sind legendär: Die Idee zum rustikalen Essen hatten Schauspieler Curd Jürgens und Playboy Gunter Sachs. Aufgetischt wurde einfache Landküche, kommen durfte nur, wer eine handschriftliche Einladung von Manni hatte, wie sie von Freunden genannt wird. So schmausten in ungezwungener Atmosphäre Stardirigent Leonard Bernstein ebenso wie die eiserne Lady Margaret Thatcher, Wirtschaftsbosse wie Henry Ford, Zigarrenlegende Zino Davidoff oder Thomas Gottschalk, der wie alle Gäste Küchendienste verrichten musste. "Und zwar ohne Wenn und Aber", erinnert sich Sayn-Wittgenstein. Die Fürstin kennt keine Dünkel und liebt es bodenständig. Kamen mehr Gäste, als angesagt waren, pflegte sie zu sagen: "Fünf sind geladen, zehn sind gekommen, gieß Wasser zur Suppe und heiße alle willkommen."

Mittlerweile geht es "Mamarazza" etwas ruhiger an. Den Fotoapparat nimmt sie nur mehr für Familienfeiern zur Hand, Feste finden nur mehr im privaten Kreise statt, wie demnächst ihr Jubiläum. "Ab und zu ein G'spritzer nach dem Spaziergang, vor dem Abendessen einen Sherry und danach ein Glas Rotwein", benennt sie ihren Jungbrunnen. Möge er noch lange, lange sprudeln!

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News-Ausgabe Nr. 49/19

Kommentare