Otto Konrad: Nationalheld mit vielen Talenten

Dass Otto Konrad bei "Dancing Stars" aufs Parkett geht, war vor Kurzem undenkbar. Doch der Fußball-Nationalheld und heutige Gesundheitsmanager überwand seine Verletzungskrise wie zuvor einen wirtschaftlichen Crash und den Ausstieg aus der Politikerkarriere. Es macht ihn stark, ganz unsentimental nach vorne zu blicken.

von Otto Konrad: Nationalheld mit vielen Talenten © Bild: Heinz Stephan Tesarek

Es gab viele wichtigere Momente im Leben von Otto Konrad. Die Geburt von Tochter Romina 1996. Den Einstieg in die Salzburger Landespolitik 2013. Die Hochzeit mit seiner Frau Silke 2016. Im kollektiven Gedächtnis Österreichs hat sich Konrad dennoch mit einem Moment am 15. März 1994 verewigt.

Die "Kleine Zeitung" feierte die Sternstunde als "Wiederauferstehung des österreichischen Fußballs". Der 29-jährige Grazer war damals Tormann beim SV Austria Salzburg und schrieb im UEFA-Cup-Viertelfinale gegen Eintracht Frankfurt Fußballgeschichte. Erst hielt er zwei Elfmeter, dann konnte er selbst den entscheidenden Elfer verwandeln.

Zum ersten Mal in der Geschichte des Europacups warf eine österreichische Mannschaft eine deutsche aus dem Bewerb und gelangte -getragen von Jubel-Schlagzeilen und den Gesängen einer ganzen Nation -bis ins UEFA-Cup-Finale. Das Traumteam um Otto Konrad - u. a. Leopold Lainer, Heribert Weber, Thomas Winklhofer, Martin Amerhauser, Heimo Pfeifenberger,Wolfgang Feiersinger - wurde 1994 auch zum ersten Mal österreichischer Meister.

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© imago images/GEPA pictures Casino Salzburg 1994: Ralph Hasenhuettl, Mladen Mladenovic, Nikola Jurcevic, Thomas Winklhofer, Adolf Huetter, Wolfgang Feiersinger, Heimo Pfeifenberger, Hermann Stadler, Otto Konrad und Leo Lainer

Der lange Ruhm

Noch 27 Jahre danach schildern wildfremde Menschen Otto Konrad minutiös, wo sie den Elfmeter-Krimi damals verfolgt haben. Auf der Terrasse seines Hauses in Salzburg nimmt der Nationalheld, der sich derzeit der Herausforderung bei der ORF-Show "Dancing Stars" stellt, einen Schluck Kaffee und staunt über die Langlebigkeit des Fußball-Ruhms. Otto Konrad ist keiner, der mit Erfolgen hausieren geht.

»Die wahre Geschichte haben damals die Fans geschrieben.«

Den Starstatus habe er im Termingedränge zwischen Matches und Training gar nicht richtig realisiert ,sagt er. "Wir waren ständig beschäftigt. Die wahre Geschichte haben damals die Fans geschrieben."

© imago/Claus Bergmann Mit Casino Salzburg schrieb Konrad 1994 Geschichte

Die Ordner voll mit Zeitungsausschnitten aus jener Zeit gibt es schon im Keller seines Hauses. Er hat sie geschenkt bekommen. Hervorgeholt werden sie nur, wenn Besucher danach fragen. Konrad schätzt diese besonderen Jahre und Erlebnisse von damals ohne Anflug von Sentimentalität. "Das Leben geht weiter", sagt er. "Für mich war immer wichtig, dass ich neben dem Sport meine Ausbildung machen konnte. Rückblickend gesehen, halte ich das für die wichtigste berufliche Konstante in meinem Leben."

Konrad machte sich bereits neben der Fußballkarriere als Bandagist mit eigener Firma in Graz selbstständig. Am Wochenende ein Europacup-Spiel, Montags und Dienstags Kundenbetreuung in der eigenen Firma. Damals war das möglich.

Neben dem Fußball zum MBA

Wie nah Sieg und Niederlage beieinander liegen können, erfuhr er mehrmals am eigenen Leib. Da war die Verletzung durch die geworfene Wasserflasche des AC-Mailand-Fans, da waren in seiner Zeit nach Austria Salzburg bei Real Saragossa in Spanien Splitter im Auge, genähte Rissquetschwunden, ausgekegelter Daumen und Operation an der Patellasehne.

Und da war die wirtschaftliche Fehlentscheidung, die ihn viel Lehrgeld gekostet hat. "Ich habe mich in Spanien schlecht beraten lassen", sagt er. "Es gehört im Leben dazu, dass man auf die Nase fällt. Entscheidend ist, dass man wieder aufsteht." Konrad ließt dem privaten Lernen aus Fehlern ein Studium folgen. Er erlangte den MBA in Projekt-und Prozessmanagement, studierte in Toronto und St. Gallen.

"In Nordamerika gilt es als das beste Lernen, wenn du einmal etwas in den Sand gesetzt hast. Klar, denn das passiert dir kein zweites Mal", erinnert sich Konrad an ein Gespräch mit einem der Vortragenden der Rotman School of Management. Gleichzeitig ließ ihn die Liebe zum Fußball lang nicht los. Bis 2013 war er Tormanntrainer der Österreichischen Fußballnationalmannschaft. "Ich traue mir viel zu und will viel ausprobieren. Mein Leben ist ein Mosaik aus vielen Interessen", zieht er Resümee.

Herz für Austria, Lob für Red Bull

Stellt man ihm die Frage, ob sein Herz nun am seit 2005 rechtlichen Nachfolger seines Ex-Vereins FC Red Bull Salzburg hängt oder am im selben Jahr gegründeten SV Austria Salzburg, der die Tradition in Violett-Weiß weiterträgt, findet Konrad klare Worte: "Natürlich macht es vom emotionalen Faktor einen Unterschied, ob man sich in ein gemachtes Bett legt oder sein Lager mit Freunden im Stroh aufschlägt. Red Bull macht einen hervorragenden Job auf höchstem europäischem Fußballniveau. Und Austria Salzburg hat den Verein mit viel Aufwand und Herzblut der Fans weiterleben lassen. Es muss Platz für beide sein."

Otto Konrad
© imago/Manfred Siebinger Otto Konrad mit Frau Silke

Privates Glück mit dritter Ehefrau

Konrads Tochter Romina, 25, und Stieftochter Xenia, 19, trotzen an diesem glühend heißen Sommertag der Hitze und lauschen, als er die Puzzlesteinchen seiner vielen Karrieren zusammenträgt. Mit seiner dritten -"und letzten!", wie sie lachend einwirft -Ehefrau Silke ist Konrad seit 2016 verheiratet. Mit dem Antrag überraschte er sie nach seinem Zieleinlauf beim Triathlon nach sieben Stunden, 20 Minuten, im Jahr davor. Tochter Romina war eingeweiht und filmte mit, ein Freund reichte dem erschöpften Finisher Rosen. Das Video hat er heute noch auf dem Handy abrufbar und zeigt es voll Freude.

»Wir sind nicht gleich, zum Glück. Aber wir ergänzen einander perfekt und wollen unfassbar oft dasselbe«

Kleine Gesten und Neckereien bezeugen die Harmonie zwischen Silke, die in der Landesregierung als Assistenz eines Politikers arbeitet, und Otto Konrad. "Wir sind nicht gleich, zum Glück. Aber wir ergänzen einander perfekt und wollen unfassbar oft dasselbe", sagt Silke. "Und wir gehen nie böse schlafen." Otto Konrad schmunzelt. Er ist der penible Rasenpfleger im Garten. Einige Buddha-Figuren und eine griechische Statue von einem Freund aus dem Landestheater dürfen den Rasen schmücken. Sonst hat es Konrad gern unverstellt. Fast möchte man einem Grashalm zuraunen, doch ein bissel schief zu wachsen. Einen grünen Daumen besitzt der Ex-Fußballprofi auch. Die von der Hochzeitsreise mitgebrachte Pflanze gedeiht prächtig.

© Heinz Stephan Tesarek Otto Konrad mit seiner Familie

Ausflug in die Politik

Ein Puzzlestück seines Karrierewegs ist die Zeit als Landespolitiker. Von 2013 bis 2018 war Otto Konrad in Salzburg Abgeordneter zum Landtag, zuerst für das Team Stronach, nach dem Bruch ohne Klubzugehörigkeit. "Das war Zufall. Ich hatte nie vor, in die Politik zu gehen", erzählt er. Stronachs soziale Vision, nach der es der Umgang mit den Schwächsten einer Gesellschaft ist, der deren Stärke bestimme, gefiel dem Gesundheitsmanager.

"Ich habe am Parteiprogramm mitgearbeitet und würde heute noch den Großteil davon unterschreiben", sagt Konrad. Die parteiinterne Personalpolitik und Machtspiele bewegten ihn zum Austritt. "Wenn ich sehe, wie Leute ihre Position nur zum eigenen Wohl ausnutzen, kann ich das nicht mehr mittragen", erklärt er seine Entscheidung und betont, das Kapitel Politik abgeschlossen zu haben.

»Abgedroschen, aber wahr: Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine neue«

Otto Konrad scheut sich nicht, Dinge abzuschließen und Neues zu wagen. Seit frühester Sportkarriere hilft ihm dabei die Routine des Visualisierens. "Abgedroschen, aber wahr: Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine neue", sagt er. "Man muss nur schauen, dass man schnell die nächste Tür findet. Je größer die Freude auf die Zukunft, desto leichter schließt man mit der Vergangenheit ab."

Nach wiederholten Vereinswechseln, Wohnsitzwechsel, Berufswechsel und zwei Ehen weiß der 56-Jährige, wovon er spricht. "Würde ich im Leben etwas anders machen? Nein, weil ich ohne all diese Erfahrungen heute nicht da wäre, wo ich bin. Und ich könnte mein Leben nicht schätzen, so, wie es ist."

»Die Gefahr, dass mir mit dem Erfolg der Vogel rauschießt, gab es nicht«

Einfache, aber glückliche Kindheit

Die Erinnerung an die glückliche Kindheit in einfachen Verhältnissen prägt den Unternehmer. Er weiß noch, wie der Vater einst ein großes Paket in die Grazer Altbauwohung schleppte. Konrad war acht Jahre alt, und die staunende Familie bekam fließendes Warmwasser. Die Schulferien verbrachte er in Semriach in einer Unterkunft mit Plumpsklo und Petroleum. "Das war wunderschön und hat mich sehr geerdet. Die Gefahr, dass mir mit dem Erfolg der Vogel rauschießt, gab es nicht", so Konrad.

Sportliches Ende

Erst vor sieben Monaten stellte das Leben den selbstständigen Gesundheitsmanager vor seine schwerste Prüfung. Nach zwei Jahren zunehmenden Schmerzen im Hüftbereich ("Ich konnte neun Monate lang keinen Sport machen, nicht einmal spazierengehen") empfing der zweifache Triathlon-Finisher (2016 und 2017) die Diagnose "Gleitwirbel"."Ich habe gewusst: Jetzt ist es vorbei mit dem Sport", erinnert sich Konrad an die dunkle Stunde. Doch das Leben erhellte sich bald wieder.

Dass er nun bei "Dancing Stars"(Freitag, 20.15 Uhr, ORF 1) an den Start gehen kann, verdankt er dem Chirurgen seines Vertrauens, bei dem er eine zweite Meinung einholte. Nach bangen Wochen war klar, dass kein Gleitwirbel, sondern ein Hüftproblem die Schmerzen verursacht hat. Konrad wurde operiert, die Heilung verlief rasch. Schon im August konnte er wieder mit seinem Eishockeyverein trainieren, mit dem er üblicherweise zweimal pro Woche aufs Eis geht. "Ich habe mich gefühlt wie ein neuer Mensch. Dann habe ich mich an den Moment im Jänner erinnert, als ich geglaubt habe, ich kann nie wieder Sport machen. Mir sind tatsächlich die Tränen gekommen."

Sollte er es ins "Dancing Stars"-Finale schaffen, hat sein Chirurg einen Fixplatz im ORF-Ballroom. Er hat ihm versprochen, dass die Hüfte hält. "'Nur blamieren darfst mich nicht', hat er gesagt", schließt Konrad schmunzelnd.

Der Beitrag erschien ursprünglich im News 38/2021.