Warum verschickt er Nacktfotos?

Steffi hat eine verstörende Entdeckung gemacht. Ihr Freund Marko versendet an andere Frauen Fotos seines Intimbereichs. Ist das noch okay oder muss Steffi sofort Schluss machen?

von LIEBES LEBEN - Warum verschickt er Nacktfotos? © Bild: Nathan Murrell

Mit gesenktem Kopf sitzt Steffi bei mir in der Praxis und ist am Boden zerstört. Neulich nachts sei sie zur anderen Bettseite hinüber und habe zum gleichmäßigen Schnarchen ihres Langzeitpartners Marko dessen Chatverläufe auf dem Smartphone gesichtet. Steffi landete auf einer Dating-Seite und entdeckte dort "Dickpics" ihres Liebsten. Es war noch dazu kurz vor dem Urlaub, dass sie die Entdeckung machte und sich zunächst nichts davon anmerken ließ. Einige Tage später machte Steffi reinen Tisch.

Und Marko? Er zog mit seinen Siebensachen aus, der Urlaub platzte. Steffi sagt unter Tränen: "Ich will doch nur verstehen, was ihn dazu veranlasste, anderen Frauen sein bestes Stück zu präsentieren. Was habe ich nur falsch gemacht?" Und hier sitzt schon Steffis Denkfehler: Es geht in Beziehungen nicht immer nur um richtig und falsch. Eher geht es ums "Rechthaben" - denn die Bewertung eines Sachverhalts liegt stets im Auge des Betrachters: Aus Markos Sicht wog weitaus schwerer, heimlich sein Handy zu filzen als das Versenden von Dickpics, das in seiner Welt unter harmloses Flirten fällt. Auf dem FKK-Strand hatte seine Freundin schließlich auch nichts dagegen, wenn ihm andere Frauen bewundernd nachsahen. Aus Steffis Sicht war das jedoch Hochverrat an der Liebe: Er hatte ja wohl in der Absicht das Foto versendet, der Empfängerin einen Vorgeschmack auf mehr zu geben. Sie deutete es als Einladung zum Sex, als Vorstufe zum Fremdgehen. Wie kommen Paare wie dieses wieder zusammen? Die Antwort: Wenn überhaupt, dann nur mit einigem Aufwand. Es geht um Beziehungsstile: Denn - und das gilt es anzuerkennen - die Vertrauenswürdigkeit innerhalb der Partnerschaft wurde empfindlich gestört. Verweigern Männer wie Marko hartnäckig jede Erklärung, was ihnen in ihrer Beziehung fehlt oder welche Seite ihrer Persönlichkeit sie bis jetzt aus der Partnerschaft herausgehalten haben (zum Beispiel ihr dringendes Bedürfnis nach narzisstischer Zufuhr durch Bewunderung), wird es kaum gelingen, das Fundament des Vertrauens wiederherzustellen.

In einer Paartherapie legen beide ihr Innenleben einschließlich Gefühlsachterbahn offen. Bei Marko, der sich nicht zur Therapie entschließen kann, da er es mit Versagen und Schwäche gleichsetzt (aber gerade das ist schwach, Hilfe zur Selbsthilfe zu verweigern), liegt seinem Verhalten ein schier grenzenloses Bedürfnis nach Bewunderung zugrunde. Er verschickt an Frauen intime Bilddaten, um dann durch deren Reaktionen innerlich "aufgewertet" zu sein, nach dem Motto: "Wow - was für ein toller Typ ich doch bin!" Seine verborgenen Selbstzweifel, insbesondere unbewusste Zweifel an seiner Männlichkeit, bedingen sein exhibitionistisches Verhalten. Fairnesshalber muss ich sagen, dass die Zeigefreudigkeit nicht nur Einzelne betrifft, sondern als gesellschaftliches Phänomen in den Sozialen Medien geradezu pandemisch um sich greift. Auf Instagram, Facebook &Co. gewinnt man längst nicht nur Einblicke ins Privatleben wildfremder Menschen, was früher strikt in die Intimsphäre fiel, sondern präsentiert auch gern den durchtrainierten sexy Körper, mit Photoshop perfektioniert, um sich so die narzisstische Zufuhr zu holen, die man so dringend braucht.

Und Steffi? Sucht nach einem Mann ohne Selbstzweifel und ständigem Bedürfnis nach Bewunderung. Irgendwo wird es doch einen Menschen geben, der voll im Hier und Jetzt präsent ist und der auch Handyfasten gut findet! Mit dem sich gesunde Grenzen ziehen lassen, die das Liebesleben nicht nur schützen, sondern bereichern. Darum mein Rat: Seien Sie kein durchwegs öffentlicher Mensch, sondern bewahren sich ganz bewusst Ihre Privatsphäre. Tun Sie es für Ihr Liebesleben und schalten Sie buchstäblich (Ihr Handy) ab. Und gehen Sie doch bitte immer öfter offline aus Liebe zum Leben.