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Marie-Claire Zimmermann: "Man lernt, nicht alles so schwer zu nehmen"

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16 min
Marie-Claire Zimmermann
©Bild: ORF/Thomas Ramstorfer
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Sie zählt seit Jahren zu den beliebtesten Moderatorinnen des ORF: Marie-Claire Zimmermann startete ihre Karriere im Landesstudio Niederösterreich. Heute präsentiert sie die Früh-"ZiBs" rund um "Guten Morgen Österreich" und die "ZiB" um 13.00 Uhr. Im Interview mit News.at spricht die Moderatorin und Mutter eines Sohnes über die Anfänge ihrer Karriere, wie sie den Spagat zwischen Familie und Beruf meistert und darüber, was sich durch die Coronakrise für sie besonders verändert hat.

Sie blicken auf eine jahrelange Karriere als ORF-Moderatorin und "ZiB"-Anchorwoman zurück. 2011 wurden Sie gemeinsam mit Tarek Leitner als beliebteste Moderatorin mit einer Romy ausgezeichnet. Was macht eine gute Moderatorin bzw. einen guten Moderator vor allem aus?
Jeder legt seine Arbeit ein bisschen anders an. Ich finde wichtig, dass man die Dinge sachlich erzählt und die wichtigsten Informationen vermittelt, aber es auch einordnet, also in einen größeren Zusammenhang stellt. Und dass man es den Zuschauern gut und verständlich vermittelt, sodass die Information auch ankommt.
Bei komplexen Themen hat man manchmal die Funktion eines Übersetzers oder einer Übersetzerin. Man braucht sich nur die ganze Corona-Berichterstattung anzuschauen, da geht es teils um höchst wissenschaftliche Dinge. Und diese dann auf eine leicht verständliche Form herunterzubrechen, sodass es auch der Nicht-Wissenschaftler im Publikum versteht, das sehe ich schon als unsere Aufgabe.

Es war als Jugendliche nie das große Ziel, Nachrichtenmoderatorin zu werden

Sie haben Publizistik studiert. War die Moderation immer schon Ihr Traumberuf?
Das hat sich so ergeben. Ich habe Publizistik auch nicht fertig studiert. Ich habe es bis knapp vor die Diplomarbeit geschafft. Aber das praktische Arbeiten war dann doch das Spannendere für mich. Ich habe während des Studiums angefangen, im Landesstudio Niederösterreich zu arbeiten und bin da eigentlich hineingewachsen. Im Ferialpraktikum habe ich tagelang nur Kurzmeldungen verfasst. Die sind reihenweise im Mistkübel gelandet, weil sie einfach nicht gut waren. Es war richtiges "Learning by Doing". Nach und nach lernt man dazu und bekommt immer mehr Aufgaben. Ich habe dort auch eine Sprechausbildung gemacht.

Dann hat es ein Casting für "Niederösterreich heute" gegeben. Das Casting wird später bewertet, auch vor Testpublikum. Der mit der besten Bewertung, der wird es.

Und Sie waren die Beste.
Ich bin es dann in Niederösterreich geworden. Später kam das Angebot, zur "ZiB 3" zu wechseln, ins ORF-Zentrum auf den Küniglberg. Und so hat es immer wieder andere Sendungen und neue Herausforderungen gegeben.
Es war als Jugendliche nie das große Ziel, Nachrichtenmoderatorin zu werden. Natürlich ist es in dem Moment, in dem man anfängt, in dem Bereich zu arbeiten, schon verlockend und letztendlich ein Traum, der sich erfüllt hat.

Hätten Sie im Nachhinein gerne den Uni-Abschluss gehabt?
Das praktische Arbeiten war am Ende verlockender als das theoretische. Der Abschluss hat mir nie gefehlt. Ich bin zwar sehr dafür, dass man Dinge, die man anfängt, fertig macht. Aber in dem Fall war es so, dass ich schon einen Job hatte. Ich habe es sehr spannend gefunden, sich mit verschiedenen Themen auseinanderzusetzen. Im Landesstudio hatte ich von der Kommunalpolitik bis zum Society-Event alles dabei. Ich konnte Radio und Fernsehen machen und hatte ein sehr breites Spektrum.

Das Blatt Papier hat offensichtlich so gezittert in meinen Händen, dass man es gehört hat

Wie haben Sie Ihre erste Live-Moderation in Erinnerung?
Ich kann mich sehr gut an meine erste Live-Moderation bei "Radio Niederösterreich" erinnern. Ich bin im Radio-Studio gesessen, mit einem Blatt Papier, auf dem die Nachrichten draufgestanden sind. Und habe es eben live präsentiert. Man spricht, das Herz klopft bis zum Hals. Nach drei Minuten war der Spuk vorbei. Ich bin herausgekommen aus dem Studio und die Kollegen und Kolleginnen haben gesagt: "Das hat gut funktioniert für das erste Mal, wunderbar. Aber das nächste Mal bitte ein bisschen leiser umblättern." Ich habe überhaupt nicht umgeblättert, ich hatte nur ein Blatt Papier. Aber das hat offensichtlich so gezittert in meinen Händen, dass man es gehört hat. Es war also eine große Nervosität dabei.

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Marie-Claire Zimmermann beim Leading Ladies Award 2010 in Wien © imago/SKATA

Wie viel Vorbereitung steckt hinter jeder Sendung?
Die Sendung wird mit unterschiedlicher Vorlaufzeit geplant. Es wird ermittelt, welche Themen gerade relevant sind und wo sich etwas entwickeln könnte. Dann werden die Themen vergeben, sodass die Redakteure beginnen können, zu recherchieren, das Material zu sammeln und Beiträge zu gestalten. Ich beginne dann, mich auch mit den Themen auseinanderzusetzen und Moderationen zu schreiben. Es gibt zum Teil Moderationsvorschläge, auch von den Redakteuren. Ich bin jemand, der trotzdem vieles umschreibt, einfach um es in meiner Sprache zu haben oder Informationen und Überleitungen zu ergänzen. Die Texte, die ich präsentiere, sind schon von mir geschrieben. Als Moderatorin liest man viel und schreibt viel. Dann geht man noch in die Maske und zieht sich etwas Schönes an.

Wie viel Spaß macht Ihnen dieser Teil der Arbeit, das sich schminken und stylen Lassen? Ist das schon Routine?
Ja, das ist Routine. Aber die Zeit in der Maske ist schon schön, weil ich die Maskenbildnerinnen mittlerweile sehr gut kenne. Es ist eine kurze Pause in der ganzen Hektik, in dem ganzen Radl. Man kann sagen, es sind rund 20 Minuten zum Durchatmen.

2019 hat es Ihnen einmal auf Sendung die Sprache verschlagen, weil das Mikrofon nicht aufgedreht war. Ihre charmante und witzige Reaktion: "Ich melde mich dann um 13 Uhr mit der 'Mittags-ZiB' - bis dahin schalte ich mein Mikrofon wieder ab ...". Sind Sie immer so schlagfertig?
(lacht)Es ergibt sich einfach. Das ist mir in dem Moment so eingefallen. Vor jeder Sendung testen wir, ob alles funktioniert. Und dann vergisst man es einmal und es passiert genau so etwas. Was mit der Routine kommt, ist, dass man sich vor solchen Situationen nicht mehr fürchtet. Wenn man zu moderieren beginnt, hat man Sorge vor jedem Versprecher und fragt sich: "Wie habe ich jetzt dreingeschaut? Was ist, wenn ich nicht den richtigen Text habe?" Es kann so viel sein. Es ist eine Live-Sendung. Das, was der Zuschauer sieht, passiert auch in dem Moment. Und man lernt, mit den normalen, kleinen Fehlern, die der Alltag mit sich bringt, umzugehen und nicht alles so schwer zu nehmen.

Kleine Hoppalas sind auch menschlich.
Es passiert öfters, dass jemand lachen oder schmunzeln muss. Das ist eine normale Regung. Und das ist auch gut so. Wir sind ja keine Roboter.

Ich habe mir dann gedacht: 'So habe ich mir das Familienleben nicht vorgestellt'

2017 sind Sie zugunsten Ihres Sohnes Jonathan zu den Früh-"ZiBs" rund um "Guten Morgen Österreich" bzw. zur "ZiB" um 13.00 Uhr gewechselt. Wie schwer oder leicht war es für Sie, Karriere und Kind unter einen Hut zu bekommen?
Nach meiner Karenz habe ich zuerst noch weiter in der "ZiB 1" gearbeitet. Das hat sich damals sehr gut verbinden lassen, weil mein Mann in Karenz gegangen ist. Bevor ich in die Arbeit gegangen bin, am Vormittag, habe ich viel Zeit mit meinem Sohn verbracht. Ich habe dann gemerkt, als er in den Kindergarten gekommen ist, dass sich die Zeiten, in denen wir zuhause waren, total verschoben haben: Am Vormittag war ich zuhause und er im Kindergarten. Und wenn er aus dem Kindergarten gekommen ist, bin ich in die Arbeit gegangen und erst heimgekommen, wenn er schlafen gegangen ist. Ich habe mir dann gedacht: "So habe ich mir das Familienleben nicht vorgestellt". Ich bin zu meinem Chefredakteur gegangen und habe gesagt, ich möchte das gerne ändern. Seither bin ich in Elternteilzeit. Es war mir schon wichtig, dass ich selber Zeit mit meinem Sohn verbringen kann.

Wie wichtig ist Ihnen, ausreichend Zeit mit Ihrer Familie zu verbringen?
Das ist mir sehr wichtig und ein großes Anliegen. Ich weiß, dass ich da privilegiert bin, weil ich mir das einteilen konnte und kann. Es gibt viele Mütter, die sich das nicht aussuchen können, weil sie aus finanziellen Gründen mehr arbeiten müssen oder vielleicht einen Dienstgeber haben, der nicht so auf ihre Wünsche eingeht.

Sie sprechen fließend Niederländisch. Geben Sie die Heimatsprache Ihrer Mutter auch an Ihren Sohn weiter?
Ein kleines bisschen. Wir singen holländische Kinderlieder. Ich habe natürlich auch Verwandtschaft in den Niederlanden, mit der ich immer wieder in Kontakt bin. Da bekommt mein Sohn auch etwas mit. Ein paar Worte kann er schon. Und er liebt holländische Naschereien. Aufgrund von Corona sind wir da ein bisschen eingeschränkt, aber wir haben zum Glück noch Vorräte.

Was ist so eine typische holländische Nascherei?
Es gibt zum Beispiel so eine Art Gewürzkuchen, in Holland nennt man das Frühstückskuchen. Es schmeckt ein bisschen wie Lebkuchen. Dann gibt es zum Beispiel verschiedene Streuselvarianten, die aufs Butterbrot kommen. Wer immer aus Holland zu Besuch kommt, der bringt etwas mit. Derzeit geht das leider nicht, ich hoffe, dass sich das in ein paar Monaten wieder normalisiert.

Was mir am meisten fehlt, ist, dass man Freunde oder Leute, die man gerne hat, einfach einmal umarmen kann

Corona hat im Alltag der Menschen vieles verändert. Was hat sich für Sie besonders verändert?
Es hat sich sehr viel verändert. Was mir am meisten fehlt, ist, dass man Freunde oder Leute, die man gerne hat, einfach einmal umarmen kann. Wir sind sehr vorsichtig. Weil wir versuchen, uns zu schützen, und natürlich bin ich als "ZiB"-Mitarbeitern dazu verpflichtet, darauf zu achten, dass ich nicht leichtfertig etwas irgendwohin trage. Wir treffen gelegentlich Freunde, aber nur draußen beim Spazierengehen oder auf einer Terrasse im Freien (das Interview wurde vor dem Lockdown vom 17.11. 2020 geführt, Anm. der Red.). Wir halten Abstand. Das ist schon eine sehr, sehr große Veränderung.

Wie vermitteln Sie Ihrem Sohn die Einhaltung der Corona-Maßnahmen?
Das ist natürlich ein Thema. Ich dränge sehr aufs Händewaschen. So leicht, wie man es bisher gehandhabt hat, à la "ein bisschen Erde im Mund schadet nicht", das ist abhandengekommen. Was mir auffällt, ist, dass es für meinen Sohn schwierig nachzuvollziehen ist, warum die Regeln wieder strenger geworden sind. Sie waren im Frühling strenger, im Sommer leichter und jetzt sind sie wieder strenger geworden. Es ist ein Auf und Ab. Aber ich muss sagen, die Kinder machen gut mit. Was ich im Kindergarten und im Freundeskreis meines Sohnes sehe, ist, dass die Kinder eigentlich sehr empfänglich für diese Regelungen sind und sich auch daran halten.

Was entspannt Sie in stressigen Zeiten?
Das sind eigentlich zwei Dinge: Das eine ist Spazierengehen. Heute ist ein wunderbarer Tag, da gehe ich auch noch eine Runde. Außerdem ich habe mit Achtsamkeits-Übungen begonnen. Das ist, wenn man sich die Zeit nimmt, sich in Ruhe hinsetzt und sich überlegt: Was nehme ich wahr, was sehe, was spüre und was rieche ich? Einfach das Jetzt begreifen. Dadurch werden alle Gedanken, die einem sonst so im Kopf herumschwirren, auf Pause gestellt. Da geht es dann nicht darum, dass ich vielleicht noch den Geschirrspüler ausräumen oder etwas für die Arbeit vorbereiten muss. Man nimmt nur das Jetzt bewusst wahr. Das entspannt sehr.

Könnten Sie sich vorstellen, auch einmal einen anderen Beruf auszuüben?
Man soll nie "Nie" sagen. Das Leben ist immer voller Überraschungen und spannender Wendungen. Aber im Moment fühle ich mich sehr wohl mit dem, was ich mache. Ich moderiere nach wie vor sehr gerne.

Welchen Leitspruch oder Satz würden Sie unseren Usern gerne mit auf den Weg geben?
Ein Leitmotto habe ich eigentlich nicht. Aber wenn es eines gäbe, dann wäre es: Offen sein für Neues und Veränderungen.

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