Infinity Sex

Olaf will auf einmal nicht bloß von Sex, sondern auch von Zärtlichkeiten nichts mehr wissen. Ein flüchtiges Küsschen auf die Wange ist das höchste der Gefühle. Marie empfindet das als Strafe und Liebesentzug.

von Dr. Monika Wogrolly © Bild: Matt Observe/News

Maries Selbstwert als Frau leidet, als ihr Mann sich nicht mehr für sie interessiert. Sie will die Bestätigung ihrer Attraktivität durch seine Begierde. Das bedeutet für sie: Infinity Sex. Aber muss man fremdgehen, wenn einen der Partner gerade nicht sexuell begehrt? Niemand muss. Im Zeitalter der Polyamorie mit einem ganzen Regenbogen von Beziehungsstilen kann man eine Beziehung vorübergehend einvernehmlich öffnen. In dem aktuellen Fall sollte Marie ihr Bedürfnis nach einem grenzenlosen Sexleben mit ihrem Mann klären. Heimlich schlafe sie sich durch fremde Betten und gehe daraus wie ein Häufchen Elend hervor, erzählt sie in ihrer Psychotherapie. Sie könne nicht auf Sex verzichten, der ihr Selbstwert-Booster sei. Beklagt sich aber über die Katerstimmung "danach", die innere Leere nach einem One-Night-Stand. Warum um Himmels Willen brauchen Menschen wie Marie scheinbar immer Sex? Und empfinden andere offensichtlich keinerlei Mangel, wenn sich ein sogenanntes Vermeidungsverhalten einstellt: Wann immer ihr Mann sie sinnlich berührt, reagiert Birgit mit Rückzug. Sie empfinde derzeit Ekel und wisse nicht warum, offenbart sie in ihrer Paartherapie. Und er sieht nur noch die Scheidung kommen. Nun aber bitte langsam! Nur wenn jemand sein gewohntes Liebesverhalten ändert, ist das noch kein Trennungsgrund. An folgenden Zeichen erkennen Sie schon im Vorfeld, wann die Zeit für eine Paartherapie gekommen ist oder Sie zumindest achtsam sein sollten:

1. Schweigen. Er oder sie zieht sich von Ihnen zurück, spricht nur das Nötigste oder verstummt ganz. Unterscheiden können Sie dies von einem "konstruktiven Schweigen", indem Sie für sich herausfinden, ob es sich angenehm oder beunruhigend anfühlt Das kann eine Ruhepause in der Beziehung sein (zum Beispiel bei zu viel Stress), aber auch ein Zeichen der zunehmenden emotionalen Distanz und dafürsprechen, dass die geliebte Person schon ein ausgeprägtes Eigenleben führt.

2. Ständiges Fummeln oder "Do not touch". Beiden Haltungen, wenn jemand dauernden Körperkontakt sucht oder sich auf einmal ganz entzieht, liegt oft dasselbe Bedürfnis zugrunde: Danach, die Kontrolle zu haben und den Lauf der Beziehung in der Hand. Beide Verhaltensweisen können auf Narzissmus und mangelnde Empathie-Fähigkeit hinweisen.

3. Zerreden oder Totschweigen. Wird Sex zerredet, kann das das Ende der erotischen Anziehung sein. Vor allem, wenn damit Qualitätsurteile einhergehen und das Liebesleben unbemerkt schon fast zum Leistungssport wird. Das Totschweigen dient oft dazu, Distanz aufzubauen und sich im schlimmsten Fall zu entlieben - parallel schon anderweitig zu orientieren.

4. Sexsucht. Will eine Person andauernd Sex, geschieht dies häufig zur Kompensation einer inneren Leere, die bei Männern zum Phänomen des Don Juanismus und bei Frauen zu Nymphomanie führt. SexpartnerInnen werden inflationär konsumiert, um nicht die wahren Gefühle, Selbstzweifel, innere Leere, Trauer oder Wut zu spüren.

In Summe weisen diese Verhaltensweisen in der Liebe auf einen Menschen hin, dessen Persönlichkeitsentwicklung dringend psychotherapeutisch behandelt werden sollte. Wichtig: Die psychischen Verletzungen hinter der Fassade des Sexsüchtigen oder Asexuellen erkennen. Erst wenn Sie sich ihren Ängsten und Emotionen stellen, besteht Hoffnung auf ein Comeback des Vertrauens. Liebesfähig zu sein, bedeutet, die Partnerin oder den Partner nicht hinterrücks zu betrügen oder kommentarlos auf einmal nicht mehr zu begehren, sondern, emotional erreichbar zu bleiben, erotische Flauten gemeinsam zu überstehen und dann in die nächste Runde der Liebe zu gehen. Liebe ist nur dann wahrhaftig, wenn die Gewissheit besteht, dass dieser Mensch alles unternimmt, um nicht nur seine, sondern auch Ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Und wenn das gerade nicht möglich ist, Sie doch stets ernst zu nehmen.

Haben Sie noch Fragen? Schreiben Sie mir bitte: praxis <AT> wogrollymonika.at