Erfolgsgeschichte Ikea: Wie alles begann

Ein Besuch beim schwedischen Großvater des neuen Wiener Ikea-Möbelhauses. Was mit dem Autoboom begann, soll sich in Nachhaltigkeitsgefallen auflösen.

von Wirtschaft - Erfolgsgeschichte Ikea: Wie alles begann © Bild: IKEA/NIKLAS STADLER

Die Fahrt nach Ikea-Land führt durch große Wälder und kleine Ortschaften, die wie Ikea-Möbel heißen. Durch Rickardshult (Gitterbett), Eneryda (Küchengriffe), Liatorp (Bücherregal) und Råshult (Servierwagen) bis Älmhult. Nach Älmhult ist kein Möbelstück benannt. Hier werden die Namen vergeben. Bis heute befinden sich Teile des Ikea-Konzerns in dem südschwedischen 9.000-Einwohner-Kaff, in dem die Ikea-Story ihren Ausgang nahm.

Quer durch Älmhult führt die Eisenbahn, Södra stambanan, eine Hauptverbindung. Auf der einen Seite davon liegt das Zentrum mit den üblichen Kleinstadtgeschäften, einem riesigen Thairestaurant und einer Immobilienagentur, die kleine, rote Schwedenhäuschen auf riesigen Grundstücken zum Verkauf anbietet.

© IKEA Die 1958 eröffnete Ikea-Filiale in Älmhult in der schwedischen Provinz Småland wurde zum beliebten Ausflugsziel

Auf der anderen Seite, rund um einen riesigen Parkplatz, auf dem magere Birken wachsen, erstreckt sich Ikea-Land. Erstaunlich nüchtern sieht es aus. Schmucklose, weiße Gebäude mit schwarzer Aufschrift. Kein Blau-Gelb. Kein Schwedenkitsch, keine "Bällchen"-Werbung. Wozu auch, wenn jeder Imbissstand und jedes Provinzcafé die berühmten Köttbullar führt. Hier also befindet sich der Ursprung des Möbel-Weltkonzerns, der das Leben so vieler Menschen auf der ganzen Welt prägt. In dem großen Kasten mit den charakteristischen V-Säulen wurde 1958 das allererste Ikea-Möbelhaus errichtet. Seit 2016 beherbergt er ein Ikea-Museum.

Zukunftsvision

Am Wiener Westbahnhof soll 63 Jahre später ein neues Kapitel Unternehmensgeschichte aufgeschlagen werden. Der Andrang ist groß, als Journalisten ein erster Blick auf das noch unfertige Möbelhaus geboten wird. In Grüppchen wandern sie herum und bestaunen die Zukunftsvision, die zu entstehen im Begriff ist.

Das 1943 von Ingvar Kamprad gegründete Unternehmen war zunächst ein Versandhandel und etablierte in den 50ern erste Geschäfte in Schweden. 1977 wurde in der SCS der erste Ikea Österreichs eröffnet. 2020 gibt es weltweit 445 Ikea-Filialen in 60 Märkten und insgesamt mehr als 200.000 Mitarbeiter. Der Wiener City-Ikea ist ein Pilotprojekt: Bisher gibt es nur kleine Planungsstudios in Stadtzentren; ein städtischer Ikea in Hamburg mit Parkplätzen wurde kein Erfolg.

Zentraler Punkt: Die neue, innerstädtische Ikea-Filiale, die Ende August eröffnet, soll nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln angefahren werden. Was im nächsten Schritt bedeutet, dass größere Waren zwar besichtigt, aber nicht gleich mitgenommen werden können, wie bei Ikea sonst üblich. Das Kundenverhalten, erklärt Maimuna Mosser, Country-Commercial-Managerin bei Ikea Österreich, die Strategie, habe sich eklatant verändert. Immer weniger Menschen in den Städten hätten Autos zur Verfügung. "Wir haben den Standort Wien-Westbahnhof autofrei konzipiert, das heißt, es gibt hier keinen einzigen Parkplatz, weil wir für Anreise per Pkw gar keinen Anreiz schaffen wollen."

© IKEA Gründer Ingvar Kamprad mit altem Ikea-Logo. Erst in den 80er-Jahren wurde es blau-gelb

Motorisierte Großstädter

Das Ikea-Museum an dem Riesenparkplatz in Älmhult dokumentiert, wie groß die Veränderungen der letzten Jahrzehnte sind. Der anfängliche Erfolg von Ikea hing eng mit dem Wirtschaftswunder der 1950er-und 60er-Jahre zusammen. Endlich konnten es sich alle Schweden leisten, schön zu wohnen, idealerweise mit Möbeln, die sich zwecks Optimierung des TV-Konsums verschieben ließen. Endlich besaßen alle ein Auto. Damit wurde das Ikea-Möbelhaus in Älmhult zum beliebten Ausflugsziel für die ganze Familie. 1965 ließ der findige Ikea-Gründer Ingvar Kamprad mitten in ein Waldstück bei Stockholm die bis heute größte Ikea-Filiale Schwedens bauen und ersetzte so einen kleinen Showroom in der Stockholmer Innenstadt. Die frisch motorisierten Großstädter kamen scharenweise. Und erfanden en passant das Prinzip des Selbstbedienungslagers: Der Ansturm bei der Eröffnung war so groß, beschreibt der ehemalige Ikea-Mitarbeiter Johan Stenebo in seinem Buch "Die Wahrheit über Ikea", dass man die Lager für die Kunden öffnete und sie die Pakete zu den Kassen schleppen ließ.

© Video: News

Heute geht der Trend in die genau entgegengesetzte Richtung. Der neue Ikea am Westbahnhof verfügt nur über ein Lager für kleinere Waren. Der übliche Aufbau der Ikea-Warenhäuser, oben Möbelausstellung, unten Kleinkram, Lager und Kassen, ist obsolet. In dem neuen Wiener Ikea sind die Ebenen nach Themen geordnet, "Wohnen", "Schlafen", "Kochen und Essen". Bezahlt werden kann auf jeder Ebene. Bei Bedarf mithilfe einer App, die es ermöglicht, die Produkte schon beim Einkauf zu scannen und dann rasch bei einem Terminal zu bezahlen.

Ikea-Managerin Maimuna Mosser sagt: "Eines der größten Themen im Handelsbereich ist die Vernetzung zwischen der virtuellen Onlineund der physischen Handelswelt. In diesem Ikea verschwimmen die Grenzen zwischen den Welten. Sie können sich jedes Produkt selbst physisch anschauen. Ob der Kunde dann heimfährt und via Laptop den Pax-Kasten oder das Sofa bestellt oder ob er das direkt im Store macht oder ob er das in der U-Bahn via App bestellt, diese Optionen sind alle da."

Ein weiter Weg von den Anfängen im Ikea-Möbelhaus Älmhult: Dort mussten die Kunden, zeigen alte Schwarz-Weiß-Fotos, in einer Rezeption vorstellig werden, einen Termin buchen und wurden dann von schwarz gewandeten Hostessen durch die Möbelausstellung geführt.

© IKEA Der erste Ikea-Katalog kam 1951 heraus. 2020 wurde sein Druck eingestellt
© IKEA

Neue Ideen und Strömungen

Einiges in dem Älmhulter Ikea-Museum mutet skurril an, die Verknüpfung mit den bäuerlichen Traditionen Smålands etwa: "Unsere Wurzeln befinden sich in steinigen Äckern, magerer Erde und harter Arbeit." Aufschlussreicher ist die Darstellung der Unternehmensgeschichte. Immer wieder gelangen Innovationen, um den Erfolgskurs des Unternehmens zu halten. Johan Stenebo, der Ikea-Aufdecker, der jahrelang als Kamprad-Assistent arbeitete und sich dann mit einem Buch, in dem er u. a. die Ikea-Erben der Unfähigkeit zeiht, unbeliebt machte, hebt Kamprads besondere Fähigkeit hervor, auf neue Ideen und Strömungen zu reagieren. Und die Bereitschaft, sein Unternehmen, falls nötig, mehrmals im Jahr von Grund auf neu aufzustellen.

Nachhaltigkeit

Die Kenndaten des Wiener Vorzeigeprojekts klingen bestechend. Frei zugängliche Dachterrasse. Photovoltaikanlage. Klimafreundliche Gerichte im Restaurant. Zustellung mit E-Fahrzeugen. Eine Fassadengestaltung, die Platz für 160 Bäume bietet und die Umgebungstemperatur an Hitzetagen um 1,5 Grad senkt. Aber wie nachhaltig kann ein Unternehmen sein, dessen Erfolg auf raschem, billigem Konsum begründet ist?

»Bis 2030 sollen alle Produkte in einem Kreislauf durch unsere Unternehmen fließen«

Mosser verweist auf das Stichwort Kreislauffähigkeit. "Wir haben unsere Fundgruben in Circular Hubs umbenannt, wo Kundinnen und Kunden Produkte wieder zurückbringen können, wenn sie diese nicht mehr nutzen wollen, wir bieten in diesem Bereich auch Schulungen an. Das nächste Thema ist dann natürlich die Rezyklierbarkeit unserer Produkte. Auch da ist die Zielsetzung klar. Bis 2030 sollten alle unsere Produkte in einem Kreislauf durch unsere Unternehmen fließen, das heißt, es wird nichts mehr weggeworfen, sondern einer zweiten Nutzung zugeführt." Nachhaltigkeit, meint Mosser, sei ein zentraler Wert für Ikea.

© IKEA "Smålandsmöbel zum niedrigsten Preis": die Anfänge von Ikea

Bis 2030 will Ikea laut einer ursprünglich 2012 veröffentlichten Strategie "klimapositiv" werden, also mehr CO2 einsparen, als die Ikea-Wertschöpfungskette erzeugt - und gleichzeitig stark wachsen. 2020 verkleinerte sich der CO2-Fußabdruck des Unternehmens im Vergleich zu 2016 um 11,5 Prozent, vor allem wegen der Coronapandemie. Im wichtigen Bereich der Rohmaterialien, der 40 Prozent des CO2-Ausstosses des Konzerns verursacht, war 2020 kein Rückgang gegenüber 2016 zu verzeichnen.

Der Beitrag erschien ursprünglich im News 33/2021.