"Kann nicht mehr an Gotty glauben"

Ex-Talkmaster berichtet von seinem tristen Alltag in der Abgeschiedenheit

Von Hermes Phettberg, dem einstigen Koloss und medienwirksamen "Extremerotiker", ist wenig übrig geblieben. Mehrere Schlaganfälle haben sein Sprechvermögen stark beeinträchtigt, er hat rund 100 Kilo abgenommen und ist nur noch um die 70 Kilogramm schwer. Viermal pro Woche wird er von einer Heimhilfe betreut, diese hat "mein Leben gerettet", sagt Hermes Phettberg gleich zu Beginn des APA-Gesprächs in seiner Wohnung in Wien-Mariahilf. Es geht im "elend", so elend, "dass ich nicht mehr an Gotty glauben kann". Gotty ist Gott, seine Helfer nennt er liebevoll "Nothelfys".

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    "Ich kann nicht mehr an Gotty glauben"

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    "Dass die ÖVP dagegen ist, dass Schwule und Lesben Kinder adpotieren dürfen, ist ein Wahnsinn"

An den Wänden der mit Medikamenten, angebissenen Äpfeln und getrockneten Kornspitzen übersäten Dreizimmerwohnung hängen zwischen erotischen Gemälden zahlreiche Poster von "Jeansboys", auf den Tischen türmen sich Zettelberge, neben seinem Rollator liegen Hermann Hesses "Demian" und Thomas Glavinics "Unterwegs im Namen des Herrn". Neben den Büchern füllen vor allem Radiosendungen seinen Alltag: "Ich lebe nur von Ö1", sagt Phettberg, wie alles, mehrmals hintereinander. Immer wieder muss er sich zurücklehnen, sich "sammeln", um weitersprechen zu können. Wer sein Internet-Tagebuch, die "Gestionen" kennt, weiß, dass der Schein trügt: Hermes Phettberg denkt klar, kritisch, zynisch. Bloß die Artikulation macht nicht immer mit. "Mir entgeht nichts", schmunzelt er in Hinblick auf seinen Radio-Konsum. Doch ausgerechnet das Fernsehen, das wesentlich zu seinem einstigen Ruhm beigetragen hat, bleibt ihm verwehrt. Nach seinen Schlaganfällen kommt er nicht mehr mit den beiden Fernbedienungen zurecht. "Es ist einfach zu kompliziert für mich, den Fernseher einzuschalten. Aber ich will es auch nicht."

"Zu dumm für Kinder"

Die Aufregung um seine jüngste Fesselungs-Aktion im Rahmen der "Wienwoche" lässt ihn kalt. Schließlich habe er sein Honorar der "Rosa-Lila-Villa" gespendet, um einem türkischen Transsexuellen, der in seiner Heimat verfolgt wurde, ein Zimmer in Wien zu organisieren. "Unser Staat ist reich, er sollte sich bemühen, Andersartige, die in ihrer Heimat verfolgt werden, aufzunehmen", unterstreicht Phettberg, der die Situation von Schwulen und Lesben heutzutage als wesentlich besser als vor einigen Jahrzehnten einschätzt. Dennoch: "Dass die ÖVP dagegen ist, dass Schwule und Lesben Kinder adoptieren dürfen, ist ein Wahnsinn. Nur ein Kind macht die Vaterschaft perfekt." Er selbst bereut es nicht, keine Kinder zu haben: "Ich bin dafür auch zu dumm gewesen. Gotty hat schon Recht gehabt. Ein Kind hätte es in meinem Leben nicht leicht gehabt", so Phettberg selbstkritisch, aber wehmütig.

Im Laufe des Gesprächs hat sich Phettbergs Gemütszustand von "elend" auf "voller Glück" verbessert. "Ich lebe von der Sozialhilfe. Mein größter Wunsch ist es, mir jeden Tag einen Kaffee und ein Butterbrot mit Schnittlauch im Cafe Jelinek leisten zu können. Das reicht mir." Aber auch beim Essen stößt Phettberg nunmehr an seine Grenzen. Kommenden Montag wird ihm sein letzter Backenzahn gezogen. Er sieht zu seiner Heimhilfe auf: "Ich bin nicht mehr der, der ich einmal war."

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