Hasnain Kazim: "Mir macht das Provozieren Spaß"

Der deutsche Autor und Journalist Hasnain Kazim ärgert mit seinen Büchern Rechte, Religiöse und woke Linke. Und das gern. Über einen streitlustigen Wahl-Wiener, der komfortabel zwischen allen Stühlen sitzt.

von Hasnain Kazim © Bild: News/Ricardo Herrgott

Steckbrief Hasnain Kazim

  • Name: Hasnain Niels Kazim
  • Geboren: 19. Oktober 1974 in Oldenburg, Deutschland
  • Beruf: Journalist und Autor
  • Familienstand: verheiratet, Vater eines Sohnes

Hasnain Kazim ist ein freundlicher Mann. Und er wirkt nicht sehr gefährlich in seinem roten T-Shirt mit dem großen aufgedruckten Karfiolkopf. Aber es ist erst drei Jahre her, da gingen jeden Tag zehn bis fünfzehn Morddrohungen bei ihm ein. Er hatte, damals noch Journalist beim "Spiegel", einen Kommentar geschrieben, in dem er die AfD kritisierte. Der damalige AfD-Chef Jörg Meuthen und Pegida-Gründer Lutz Bachmann teilten den Text auf ihren Netzwerken. Kazim bekam den geballten Hass der deutschen Rechtsextremen zu spüren. "Meinem Verlag wäre es damals ganz recht gewesen, dass ich weniger Lesungen mache", erzählt Kazim, der in Wien lebt, mittlerweile als freier Autor. "Aber ich habe gesagt, das kommt überhaupt nicht infrage. Das hat nichts mit Mut zu tun, sondern damit, dass diese Leute genau das wollen. Und ich will nicht, dass sie mir sagen, wann ich wo lesen kann."

Einfältige Briefe

Kazim ist so etwas wie ein Spezialist für Streitkultur. Der Norddeutsche mit muslimischen Wurzeln, getauft, konfirmiert, protestantisch erzogen "und beim Krippenspiel der Dunkle von den Heiligen Drei Königen", begann früh seine Laufbahn als Journalist. Er berichtete für den "Spiegel" u. a. aus Islamabad und Istanbul und geriet aufgrund seines Namens und seines Aussehens bald ins Visier ausländerfeindlicher Leserbriefschreiber. Einen kleinen Teil dieser Korrespondenz veröffentlichte er 2018 im Buch "Post von Karlheinz". Meist kurze, einfältige Zuschriften, denen Kazim mit beißendem Zynismus und sprühender Fantasie begegnete. Ein Erfolg. Und eine Ermutigung, noch einen Schritt weiterzugehen. Aus dem Witz, er werde in der Pegida-Hochburg Dresden ein Kalifat ausrufen, wurde das nächste Buch, "Mein Kalifat".

"Ich war in vielen islamischen Ländern als Reporter", erklärt Kazim. "Und ich weiß aus eigener Anschauung, dass wir in der Welt ein Problem mit Islamisierung haben. Afghanistan ist das Musterbeispiel. Im Iran wird der Islam seit vier Jahrzehnten als politisches Instrument genutzt, in der Türkei ebenfalls, wenn auch auf andere Weise. Ich könnte noch viele andere Beispiele aufzählen. Aber wo wir kein Problem haben mit Islamisierung, ist in Sachsen, in Deutschland. Das ist absurd. Die demonstrieren da ständig gegen die Islamisierung des Abendlandes, die in der Form aber gar nicht stattfindet. Also dachte ich, damit sie nicht wie die Deppen gegen etwas demonstrieren müssen, das es nicht gibt, biete ich ihnen einen Grund."

Fans und Kritiker

Kazims Kalifats-Satire polarisiert. Fans lieben sie, besuchen seine Lesungen, lassen Bücher mit Unterschrift und Kalifatsstempel (Karfiol und zwei Stifte) signieren und bewerben sich um Aufnahme in den "Harem" des Kalifen. Kazim ist in Deutschland ein Promi. Gern gesehener Gast in allen wichtigen Talkshows. Eine scharfe öffentliche Stimme gegen Rassismus und Intoleranz.

Kritik kommt von Rechtsextremen, die ihm vorwerfen, unter dem Deckmantel der Satire tatsächlich Islamisierungspläne zu verfolgen, von konservativen Muslimen, die ihre Religion verhöhnt sehen, und Linken, die finden, Kazim würde mit seinen Kalifat-Witzchen - und der Zeichnung eines Männchens mit Bart und Turban auf den Titelseiten seiner Bücher - Vorurteile bestärken. "Sehr woke Linke sehen mich zu nah am weißen Mainstream. Sie machen mir den Vorwurf, ich wäre nur äußerlich braun, innen weiß, ein Kokosnussdeutscher. Das liegt auch daran, dass ich beim Militär war, und zwar -bei aller berechtigten Kritik -gern. Ich sehe überhaupt nicht ein, warum ich mich davon distanzieren soll."

In seinem neuen Buch "Mein Kalifatskochbuch" (Penguin, 17 Euro) kombiniert Hasnain Kazim politischen Witz mit multikulturellen Kochrezepten: von Grünkohl über Curry bis Punschkrapfen.*

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Man muss Kazims Humor nicht immer lustig finden. Aber die Verve, mit der er ohne Rücksicht auf vorgefertigte Weltbilder überall aneckt, ist beeindruckend. "Mir macht das Provozieren Spaß", sagt er. "Ich gebe zu, dass ich mich manchmal auch über Leute lustig mache, die das für bare Münze nehmen." Und: "Ich streite mich grundsätzlich gern. Ich debattiere gern und setze mich mit vielen Leuten aus allen möglichen Richtungen auseinander."

Dabei, sagt Kazim, gehe es ihm darum, Grenzen zu ziehen. "Ich glaube, in einem zivilisierten Miteinander braucht man Grenzen. Ich meine damit keine Zäune, sondern Grenzen im Sinne von Respekt. Wenn wir miteinander leben wollen, müssen wir respektvoll miteinander umgehen. Wir können ja die AfD-und Pegida-Leute und die Querdenker nicht einfach rausschmeißen oder alle miteinander einsperren."

Kazim diskutiert nicht nur im Internet, er sucht bei seinen Auftritten - die nicht selten unter Polizeischutz stattfinden müssen - auch den persönlichen Austausch. Wie jüngst im sächsischen Freiberg, berüchtigt für seine "Montagsspaziergänge", also rechte Demonstrationen. "Der Saal war voll mit Leuten, die mir eher zugewandt sind. Das war schon mal toll, die brauchen nämlich auch Bestätigung, weiterzumachen. Und dann kam plötzlich ein ganzer Schwall Montagsspaziergänger herein, von denen eine relativ aggressive Stimmung ausging. Nach der Lesung gab es eine sehr angeregte Diskussion, an der sie zwar nicht teilnahmen, aber die aggressive Stimmung hatte sich entspannt. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie gemerkt haben, der ist zwar böse und zynisch, aber auch nicht unfair."

Grenzen des Sagbaren

Hasnain Kazim tritt ausschließlich in Deutschland auf. In Österreich lebt er und wird dort auch kaum erkannt und angesprochen. Ein origineller - vielleicht auch ein konsequenter - Rückzugsort für jemanden, der von Berufs wegen viel debattiert. "Bei Wikipedia könnte man den Begriff konfliktscheu mit Österreich bebildern. Ich glaube, man streitet sich hier nicht so gern." Manches sei ihm an seiner Wahlheimat immer noch fremd, erzählt Kazim, die fehlende politische Rücktrittskultur zum Beispiel. "Auf der anderen Seite, um ein differenziertes Bild zu zeichnen: Ich habe in Österreich noch nicht wahrgenommen, dass Flüchtlingsheime brennen. Oder Menschenjagden, wie es sie in Rostock oder Chemnitz gab. Ich fühle mich hier nicht bedroht, anders als in Teilen Deutschlands. Ich kann sogar ins konservative Kärnten fahren, ohne dass ich mich unsicher fühle. Das Komischste, das einem dort passiert, ist, dass die Leute Tränen in den Augen haben, wenn ich sie auf Jörg Haider anspreche."

Die Grenzen des Sagbaren seien in Österreich allerdings weiter verschoben als in Deutschland, beobachtet Kazim. Ein Bundeskanzler, der die Begriffe "Asyltourismus" und "Asyl à la carte" verwendet, wie jüngst Karl Nehammer? In Deutschland undenkbar. "Die Begriffe sind unfair und auch einfach falsch. Auf der anderen Seite stimmt es natürlich, dass es Leute gibt, die die Gunst der Stunde nutzen und hierherkommen. Sogar Talibs, die lieber nach Deutschland oder Österreich gehen, wenn sich die Gelegenheit ergibt, als in Afghanistan zu bleiben. Da muss ich ehrlich sagen, die möchte ich nicht hier haben. Die Lösung kann aber weder sein, dass wir sagen, Grenzen dicht, das Boot ist voll, noch, wir lassen alle herein. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte, und das ist sehr schwer zu vermitteln. Ich glaube aber, wenn wir vernünftig miteinander leben wollen, gibt es keinen Weg drumherum. Wir müssen viel mehr differenzieren."

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 47/2022 erschienen.