Großbritannien wählt ein neues Unterhaus

Im Oktober 2024 ist es voraussichtlich soweit: Dann wählen die Briten ein neues Unterhaus. Nach 13 Jahren konservativer Regierung ist ein Machtwechsel wahrscheinlich. Die wichtigsten Infos zur Wahl.

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Britisches Unterhaus © Bild: iStockphoto.com

Wann wird gewählt?

Der letztmögliche Zeitpunkt der britischen Unterhauswahl ist der 28. Januar 2025. Premier Rishi Sunak hat sich allerdings bereits dagegen ausgesprochen, diesen Wahltermin anzuvisieren. Spekuliert wird über eine Wahl im Mai oder - wahrscheinlicher - im Oktober/November 2024.

Was wird gewählt?

Gewählt werden bei der britischen Unterhauswahl die 650 Abgeordneten (Members of Parliament, kurz MP) des britischen Unterhauses (House of Commons, HoC) für die nächste Legislaturperiode von fünf Jahren.

Anmerkung: Das Parlament besteht in Großbritannien aus dem Unterhaus, dem Oberhaus (House of Lords) und der Krone (vertreten durch König Charles III.). Das Unterhaus ist die politisch entscheidende Kammer und ist für Gesetzgebung und den Staatshaushalt ebenso verantwortlich wie für die Kontrolle der Regierung.

Wer darf wählen?

In Großbritannien wählen darf jeder britische Bürger, irische Bürger oder Bürger eines Commonwealth-Landes, der am Wahltag mindestens 18 Jahre alt ist und im Vereinigten Königreich lebt. Nicht wählen dürfen Mitglieder des House of Lords, Gefängnisinsassen sowie Personen, die während der letzten fünf Jahre wegen eines Verstoßes gegen das Wahlgesetz verurteilt wurden.

Kandidat:innen

Rishi Sunak (Conservative Party)

Rishi Sunak ist der seit Oktober 2022 amtierende britische Premierminister der Conservative Party, auch "Tories" genannt. Er kämpft dieses Jahr um seine Wiederwahl. Sunak, der im Kabinett von Boris Johnson als Schatzkanzler agierte und die Partei nach dem Rücktritt von Liz Truss 2022 übernahm, hat es allerdings schwer. Seit 13 Jahren ist die konservative Partei in Großbritannien an der Macht, allerdings prognostizieren nun sämtliche Umfragen einen Machtwechsel, da die Partei seit Jahren zerstritten ist, der Brexit, der in dieser Zeit stattfand, für viele Menschen enttäuschend war und die Partei auch immer wieder durch negative Vorfälle wie etwa Korruptionsfälle oder sexuelle Belästigungen eigener Abgeordneter in die Schlagzeilen geriet. Laut Umfragen von politico.eu liegt die Konkurrenz-Partei, die Labour-Partei, derzeit bei rund 44 Prozent, die Conservative Party nur bei 24 Prozent. Sunak räumte die Partei zwar nach den Skandalen von Boris Johnson auf, wirkt sonst aber recht kühl. Von der "Times" wurde er gar als arrogant bezeichnet.

Keir Starmer (Labour Party)

Würden die Britinnen und Briten jetzt wählen, würde die Labour Party auf jeden Fall gewinnen. Die Partei, die seit 13 Jahren nicht mehr an der Macht war, wird nach der Wahl also höchstwahrscheinlich die Macht im britischen Unterhaus übernehmen. In die Wahl führt sie ihr Vorsitzender, Keir Starmer, der 2020 Jeremy Corbyn ablöste – und die Partei wieder in die Mitte führte. Dabei wurde Starmer, der wegen seinen Leistungen in seiner Funktion als Staatsanwalt den Titel "Sir" trägt und laut derzeitigem Stand Großbritanniens nächster Premier werden könnte, der große Aufstieg nicht in die Wiege gelegt. Vielmehr hat Keir Starmer eine klassische sozialdemokratische Aufstiegsgeschichte zu erzählen (und tut dies auch sehr gerne): Der Vater arbeitete in einer Fabrik, die Mutter war im Gesundheitsdienst tätig, bevor sie selbst schwer krank wurde. Obwohl Starmer dadurch eine Verbindung zu den "normalen Menschen" habe, gelinge ihm die Verbindung nicht immer so recht, analysiert etwa Politologe Karl Pike für die ARD-Tagesschau. Zwar gehe er dem Populismus aus dem Weg, dafür wirke er oft "langweilig", so Pike. Starmer gelte außerdem nicht unbedingt als der große Visionär, analysiert Bettina Schulz in der "Zeit", sondern wird vielmehr als "technokratisch und zielgerichtet" beschrieben. In der Labour-Partei erhofft man sich von ihm nun, das Chaos der Tories zu beenden. Er müsse es "nur" schaffen, bis zur Wahl "unfallfrei" zu bleiben.

Umfragen und Prognosen

Die Umfragen sagen einen eindeutigen Sieg für die Labour-Partei voraus und damit einen Machtwechsel im britischen Unterhaus. 44 Prozent der Stimmen hätte die Labour-Partei derzeit (Stand Februar 2024), die "Tories" hingegen nur 24 Prozent. Die kleineren Parteien, die aufgrund des Mehrheitswahlrechts in Großbritannien nur eine untergeordnete Rolle spielen, kommen den Umfragen zufolge derzeit nicht über zehn Prozent. Die Brexit-Partei "Reform UK" liegt bei genau zehn Prozent, ebenso die Liberal Democrats. Die Green Party of England and Wales liegt bei fünf Prozent und die SNP (Scottisch National Party) bei drei Prozent.

Da das Ergebnis durch die eindeutigen Umfragen vermutlich bereits jetzt, Monate vor der Wahl, so gut wie feststeht, wird befürchtet, dass dem Land ein ebenso kostspieliger wie zermürbender Wahlkampf bevorsteht. Die Tory-Regierung etwa hat die Grenze der erlaubten Wahlhilfe fast auf das Doppelte erhöht. Mit dem Geld werde eine Schlammschlacht inszeniert, warnen die mit Westminster vertrauten britischen Medien. Es helfe den Tories offenbar nur noch, die Persönlichkeit von Starmer anzugreifen, vor allem mit seiner Vergangenheit als Pflichtverteidiger, prognostiziert Bettina Schulz in der "Zeit".

Ergebnis britische Unterhauswahl 2019

Die letzte britische Unterhauswahl fand – vorzeitig – am 12. Dezember 2019 statt. Die Conservative Party holte mit 43,6 Prozent unter ihrem damaligen Vorsitzenden Boris Johnson die größte Mehrheit seit den 80er Jahren. Die Labour-Partei unter Jeremy Corbyn stürzte hingegen um 7,7 Prozent ab und erreichte nur 32,6 Prozent der Stimmen. Ihre Stimmen wanderten damals hauptsächlich zu den pro-europäischen Liberal Democrats (11,9 Prozent).