Raimund Harreither, der
Mann für die Standards

Selfmademan Raimund Harreither, der umtriebige Vizepräsident von Austria Wien, will den abgehobenen Traditionsklub erden – und jeden zweiten Funktionär rauskicken.

von Fussball - Raimund Harreither, der
Mann für die Standards © Bild: News/Tesarek

Es war einmal ein kleiner Bub mit dunklem Haar, arm, aber glücklich. Und weil er stets zielstrebig war und obendrein nichts zu verlieren hatte, begann er rasch, zu gewinnen. Und wie. Heute ist er 64 Jahre alt, hat, weil Märchen ja stets auch ein wenig rätselhaft sind, immer noch dunkles Haar und ist immer noch glücklich. Nur arm, arm ist er längst nicht mehr, ganz im Gegenteil. Mit seinem Familienbetrieb, der Heiz- und Kühlsysteme herstellt, klimatisiert er Österreich und Teile Europas und setzt damit Jahr für Jahr bei fetten Gewinnen zweistellige Millionenbeträge um. Überhitzt, unterkühlt, all das gibt es bei ihm nicht, sondern nur wohltemperiert. „Wie macht Harreither das?“, fragt eine Stimme aus dem Off. Antwort: Er hat sich die „Vier A“ zu eigen gemacht, ist also „anders als alle anderen“. Und Abspann.

Wer Raimund Harreither in dessen Firmensitz in der 1.931-Einwohner-Gemeinde Gaflenz, Bezirk Steyr-Land, besucht, wird vom Gastgeber bei der Erstaufnahme mit herzlichem Nachdruck in ein Besprechungszimmer gelotst und mit einem 19-minütigen Film über seine Karriere bespielt. „Tausend Jahre sind ein Tag“ von Udo Jürgens bildet den Soundtrack, und Harreither persönlich bietet dazu gleich nach der Vorführung die Hintergrundinfo: „Den hat meine Frau einmal engagiert, für ein Privatkonzert zu meinem Fünfziger.“

Wälder, Wiesen, Wunderwelt

Willkommen in der Wunderwelt des wohltemperierten Mister Harreither, in die – ehe sich’s die träge Führungsebene versieht – nun auch einer der traditionsreichsten Fußballklubs Österreichs eingemeindet wird: der FK Austria Wien. „Auf Funktionärsebene herrscht im Verein der kollektive Vorruhestand, das muss und wird sich ändern“, sagt Harreither.

Daheim in Gaflenz, umgeben von saftigen Weiden, thront er in seinem sonnenhell ausgeleuchteten Schauraum auf einer von seinen Technikern konzipierten Gastgarten- Holzbank, die im Sommer kühlt und im Herbst wärmt. Nun will er von der Provinz aus den selbsternannten Fußballexperten aus der Hauptstadt einzuheizen.

Im Grunde nämlich, holt er aus, sei die Austria ein mittelständischer Betrieb, gerade so wie sein eigener. Mit dem einzigen Unterschied, dass sich das Management der Wiener Fußballfirma selbst immer wieder gerne mit einem Großkonzern verwechsle: Präsidium, Aufsichtsrat, Verwaltungsrat, Kuratorium, knapp 90 Personen wuseln da in den Entscheidungsgremien der Austria herum. „Aber jetzt muss man endlich zwischen denen unterscheiden, die wichtig sind, und denen, die sich nur wichtig machen, denen, die etwas einbringen, und denen, die nur endlos reden“, sagt Harreither. Denn wenn er, der Selfmademan, in seinem Betrieb so arbeiten würde wie die Truppe vom Favoritener Verteilerkreis, dann wäre er längst schon im Konkurs. „Deshalb müssen die Gremien dramatisch abgeschlankt und gut und gern auf die Hälfte reduziert werden.“

Er lächelt stets herzlich, aber er sagt „müssen“, nicht „müssten“, denn eigentlich will er das nicht mehr als Vorschlag verstanden wissen, sondern als Notwendigkeit. Aggressives Forechecking würde man das im modernen Fußball nennen. Und auch wenn Harreither das nicht sagt, so weiß er, dass er sich das in Zeiten wie diesen durchaus erlauben kann. Wie das?

Das finanzielle Abseits

Vor wenigen Wochen noch stand der einstige Nobelklub und 24-fache Fußballmeister hoffnungslos im finanziellen Abseits, das eitle Kurzpassspiel zwischen Anspruch und Wirklichkeit war dramatisch gescheitert: Ein luxuriöses Stadion internationalen Zuschnitts, die Generali-Arena, hatte man aus dem Boden gestampft, an die 48 Millionen kostete alleine die neue, kreditfinanzierte Heimstätte. Durch möglichst viele internationale Bewerbspiele, am liebsten in der Champions League, wollte man die Raten für das Prestigeprojekt abstottern. Allein, die sportlichen Erfolge blieben aus, und so stand man mit einer Gesamtschuldenlast von gut 70 Millionen Euro, einem Jahresverlust von 18 Millionen Euro allein für die vergangenen Spielzeit und folglich in erster Instanz ohne Lizenz für die kommende Bundesligasaison da.

Doch dann, schon in der Nachspielzeit, wechselte sich Harreither, bislang leidlich geduldeter Gönner und Vizepräsident, selbst ein und wurde zum Gamechanger: Durch die von ihm ins Leben gerufene Initiative „Freunde der Austria“ gelang es, auf die Schnelle an die sieben Millionen Euro aufzutreiben und so die Lizenz für die kommende Spielzeit zu sichern.

„Der Kampf beginnt dort, wo der Kunde Nein sagt“, sagt Harreither. Klingt zunächst wie aus dem Phrasenkästchen eines übermotivierten Handelsvertreters. Doch der Millionen-Macher aus der Einschicht machte ernst, ging trotz einer eben erst überstandenen schweren Krankheit mit vollem Elan Klinken putzen und lieferte praktisch über Nacht neue Investoren, alle wie er Chefs mittelständischer Betriebe.

Mittelständischer Anstand und kein schwindliger Großinvestor soll laut Harreithers Masterplan künftig das wirtschaftliche Fundament der Austria bilden, um Unternehmer seiner eigenen Kragenweite will er sich künftig verstärkt bemühen und sie zu sogenannten „Lizenz-Markenpartnern“ upgraden. „Denn auch wenn die Sponsoren einmal an Bord sind, muss man sich permanent um sie kümmern“, sagt er. „Kompetenz-Betreuung“ nennt er das in seinem druckfrischen Wirtschaftskonzept. Doch die habe man bisher völlig vernachlässigt. Wer in die Marke Austria, die immerhin einen Wert von gut 20 Millionen Euro repräsentiere, einzahlt, soll sie endlich auch als Plattform für seine wirtschaftlichen Aktivitäten nutzen können, und zwar so richtig – sei es, indem er auf die Generali Arena als Location für Firmenevents zugreife, sei es, indem er die Medienpräsenz des Klubs gezielt für seine eigenen Werbeaktivitäten nutze.

Die Heizungs-Symbiose

Dass solche Symbiosen auch wirklich funktionieren, hat Harreither von klein auf gelernt: Den SV Gafl enz fi nanziert der ehemalige Amateurkicker, seit er denken kann, bereits mit 19 war er Obmann. Heute heißt der Sportplatz „Harreither Arena“ – und so ziemlich jeder Häuslbauer im Umfeld habe seine Heizung von Harreither machen lassen, sagt Harreither. „Ich habe gelernt, wie man als Unternehmer von seinem Sportsponsoring profi tieren kann.“

Damit das auch die künftigen Austria-Finanziers lernen, will er nun sein fachkundiges Netzwerk aktivieren: Violette Ikonen wie Markus Suttner oder Alexander Grünwald, die wie zahlreiche andere Sportler in Harreithers hauseigener Akademie noch während ihrer aktiven Laufb ahn ihren Master of Business Administration machten, sollen den Kontakt zwischen Verein und Wirtschaft halten und auch neue Geschäftspartner auftun. Uli Kriegler, die Partnerin des frischgebackenen Ex-Austria- Trainers Peter Stöger, soll sich unter anderem um die Events der Sponsoren kümmern, und auch Stöger selbst wird mit Anfang Juli „Markenbotschafter“ für Harreither. Tja, und auch Manuel Ortlechner, der neue Sportdirektor der Austria, ist immerhin ein Absolvent der Harreither-Akademie. „Der Orti ist sicher einer, der meine Werte teilt“, sagt Harreither. Aber wer noch?

Wer das Gold hat, macht die Regeln, sagte einmal der ehemalige Austria-Mäzen Frank Stronach. Ähnliches gilt auch für den, der jetzt das Geld bringt und für die neuen wirtschaftlichen Standards sorgt; und auch wenn er das selbst weder bestätigen noch dementieren möchte – Harreither selbst hat dem Vernehmen nach bisher alles in allem an die sechs Millionen in die Austria investiert. Und das sichert ihm im Verein eine gewisse Realmacht – auch wenn das für die alten Vereinseliten nichts weniger als einen Kulturschock bedeutet. „Dass ich einigen nicht so ganz passe, ist mir durchaus bewusst“, sagt Harreither. Daheim in Gafl enz, wo er eigens ein Hotel namens „Juwel“ eröff nete, um seine Businessgäste standesgemäß unterzubringen, ist er der unumstrittene Local Hero. Doch Wien, das weiß er, ist irgendwie immer noch eine Auswärtspartie.

„Wer ist denn der?“, soll Kuratoriumsmitglied Christian Kern, ehemals Bundeskanzler, laut Harreithers Erzählung einmal halblaut in die Runde der Seinen gefragt haben. Und warf damit implizit noch eine zweite Frage auf: Wie passt der denn in die glamouröse Scheinwelt einer Wiener Austria? Wie passt der zu jener großbürgerlichen Attitüde, die sich zwischen Ehrentribüne und VIP-Club trotz tiefroter Zahlen immer noch hartnäckig hält? Da der gelernte Schlosser und spätere Installateur, der erst später seinen MBA nachholte, aber immer noch unverblümt sagt, was er sich denkt, dort das unerschütterliche Geltungsbewusstsein der violetten Bourgeoisie, die immer noch glaubt, der Verein, ihr Verein, sei eigentlich zu viel, viel Größerem bestimmt. Und refl exartig auf jeden reinkippt, der diesen Wunschtraum befeuert.

Zwischen Chelsea und Favoriten

Die georgischen Oligarchen, die Austrias alte Führungsriege noch im Frühjahr stolz präsentierte und die für den klammen Klub im großen Stile internationale Businesspartner lukrieren sollten, schienen das zu riechen: „Austria hat das Potenzial, eine der besten und bedeutendsten Marken Europas zu werden“, sagte der 26-jährige Luka Surguladze, genannt Luka Sur, noch, als er die väterliche Firma Insignia Anfang März als neuen „strategischen Partner“ des FK Austria Wien präsentierte.

Von Vereinskooperationen und Leihgeschäften mit der AS Roma, dem Champions- League-Sieger Chelsea oder Borussia Dortmund war da noch die Rede. „Wir holen die talentiertesten Spieler der Welt“, verkündete Sur. Doch die Realität sah anders aus: Der einzige Spieler, der bislang auf sanften Nachdruck von Insignia bei den Violetten geparkt wurde, heißt Levan Jordania, kickte zuvor bei Locomotive Tiflis und kam bisher, obwohl ohnedies nur für die zweite Mannschaft vorgesehen, auf gerade einmal einen Kurzeinsatz.

Aber was soll’s? Nun kommt ja Raimund Harreither ins Spiel. Als junger Mann hätte er um ein Haar einen Profivertrag beim LASK unterschrieben, entschied sich dann aber in letzter Minute, ein Unternehmen zu gründen. Doch jetzt, mit 64 Jahren, fühlt er sich reif fürs Entscheidungsmatch.

Und was meinen Sie, sind die österreichischen Fußballklubs gut geführt? Schreiben Sie mir bitte! pesendorfer.david@news.at

Der Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (22/2021) erschienen.