Frisch aufgefüllt und sexy

Vormals wurden allerhöchstens vor lauter Liebe erschlaffte Teddybären mit Füllmaterial in Form gebracht. Heute betrifft es alle, die ihre jugendlich gepolsterten Gesichtszüge nicht dahinschmelzen sehen wollen. Dank sogenannter Filler müssen Falten und hohle Wangen durch Kollagenmangel nicht sein.

von Dr. Monika Wogrolly © Bild: Matt Observe/News

Was injizieren Schönheitsmedizinerinnen heutzutage alles ins Gesicht der Menschen? Ist ein Beauty-Doc ein Künstler, ähnlich einem Bildhauer, wenn er mit Fillern Gesichter modelliert? Radiesse, ein „gut verträglicher resorbierbarer Filler auf Kalziumbasis“ – so wird eine namentlich noch nicht so geläufige Substanz neben dem gängigeren Hyaluron attraktiv präsentiert. Schönheitschirurg Thomas Rappl weiß die unterschiedlichsten Filler zweckmäßig einzusetzen: „Im Grunde ist Radiesse eine der ältesten Füllsubstanzen. Es wurde vor allem zum Auffüllen von Volumen im Gesicht verwendet, bis die Hyaluronsäure Radiesse mehr oder weniger verdrängte. Heute wird Radiesse daher nicht mehr so sehr als Filler eingesetzt, sondern in einer verdünnten Form als jetzt in Mode gekommener Bio-Kollagen-Stimulator.“

Führend unter den Füllsubstanzen ist noch immer die Hyaluronsäure, gefolgt von Polymilchsäure-Präparaten, Calcium-Hydroxylapatit – hierzu zählt Radiesse – und natürlich Fett und Platelet-rich Plasma (PRP) sowie einer Unzahl an Mesotherapieprodukten unterschiedlichster Zusammensetzung. Die ästhetische Medizin soll laut Thomas Rappl nur einem Zweck dienen: das Selbstwertgefühl und die optischen Vorzüge zu stärken. Celebrities, die sich vor lauter Füllsubstanzen im Gesicht gar nicht mehr ähnlich sehen, leiden in aller Regel an einer Störung in der Selbstwahrnehmung.

Die Wahrnehmung ihrer körperlichen Erscheinung ist bei Menschen, die sich ständig neu auffüllen, operieren und optimieren lassen, mithin gestört. Chirurg Thomas Rappl: „Als erwiesen gilt, dass überspritzte Personen meist nicht erkennen, wie skurril sie eigentlich aussehen. Es ist, als ob ihnen ein Wunschbild aus dem Spiegel entgegenblickt, was nicht der Realität entspricht.“ Die Haltbarkeit von Füllsubstanzen bewegt sich zwischen sechs und zwölf Monaten. Für Mediziner ist es wichtig, Menschen mit einer Body Dysmorphic Disorder, einer Störung der Körperwahrnehmung, zu erkennen und einer gezielten psychologisch-psychiatrischen Therapie zuzuführen. Die körperdysmorphe Störung oder Dysmorphophobie nimmt im Selfie-Zeitalter rasant zu. Sie zeichnet sich durch eine übertriebene Beschäftigung mit dem eigenen Körper in einer eingebildeten Mangelhaftigkeit aus oder einer gefürchteten Entstellung des äußeren Erscheinungsbildes.

Zum Beispiel Maxima: Sie ist eine bildhübsche junge Frau, die jedoch in meiner Praxis über nichts anderes klagt als über ihre Nachteile im Leben als hässliches Entlein. Sie ist in Begleitung von Eva, ihrer Freundin, und Markus, ihrem besten Freund. Beide bestätigen ihr, wie hübsch sie sei und dass sie eine Traumfigur habe. Und obwohl Maxima mit Modeln ihr Geld verdient, empfindet sie sich wider besseres Wissen als „zu fett, zu klein und ziemlich missgebildet“. Auch lässt sie schon mit Mitte zwanzig Eingriffe an sich vornehmen, um nicht schon bald faltig und ausgezehrt zu sein. Regelmäßig unterzieht sie sich diversen Fillerbehandlungen. Eine weitere Methode ist die Eigenfetttransplantation, die sie erwägt. Ständige Optimierungsversuche setzen Menschen mit Perfektionismus enorm unter Druck, da es nie genug ist, das Ziel totaler Gelassenheit, Zufriedenheit und einer inneren Ruhe nie erreicht wird. Es gibt beim eigenen Erscheinungsbild immer was zu tun, wie bei einem Haus, das ständig irgendwo neuen Sanierungsbedarf hat.

In ihrer Psychotherapie wird Maxima prozesshaft darin unterstützt, ein sich selbst gegenüber faires, positives, aber realistisches Selbstbild zu entwickeln, anstatt sich durch immer neue Behandlungen und medizinische Eingriff e dem mutmaßlichen Idealbild anzunähern. Denn hier ist sonst oft kein Ende in Sicht: Menschen wie Maxima scheuen kein Risiko und setzen das eigene Leben aufs Spiel, um vermeintliche Fehler und drohende Verfallszeichen auszubessern. Der Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie Thomas Rappl kennt das und bringt Schönheit auf den Punkt: „Schön und sexy zu sein, hängt nicht von der An- oder Abwesenheit von Falten ab. Es ist immer der Gesamteindruck, der jemanden schön und anziehend erscheinen lässt. Asymmetrien gehören zum Leben wie Unebenheiten und Falten. Sie können zu Unverwechselbarkeit führen und jemandem das besondere Etwas geben. Daher sollte man auch auf ästhetische Eigenheiten nicht verzichten.“

Haben Sie noch Fragen? Schreiben Sie mir bitte: praxis <AT> wogrollymonika.at