Essen: Zu viel eingekauft - was tun mit all den Lebensmitteln?

Die herannahende Coronakrise hat viele dazu bewegt, ihre Essensvorräte aufzustocken. Die befürchtete Knappheit blieb - Gott sei Dank - aus-, manch Lebensmittel dafür übrig. Was kann ich noch essen? Was sollte ich besser entsorgen? Und wie kann mich jetzt schon essenstechnisch auf eine mögliche zweite Welle vorbereiten? Die Ernährungsexpertin Angelika Kirchmaier gibt Antwort.

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Angelika Kirchmaier zählt zu den bekanntesten Ernährungsexpertinnen Österreichs. Sie ist mehrfache Bestsellerautorin sowie Preisträgerin des internationalen Gourmand World Cookbook Awards. Kirchmaier und u.a. als klinische Ernährungsmedizinerin, Diätologin und Gesundheitswissenschafterin tätig. Sie betreibt eine ernährungstherapeutische Praxis im Bezirk Kitzbühel/Tirol und hält Vorträge u.a. an Fachhochschulen und in Unternehmen.
Angelika Kirchmaier
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Vielen wurde in den letzten Wochen und Monaten erstmals bewusst, dass der uneingeschränkte Zugang zu Lebensmitteln nicht so selbstverständlich ist, wie bisher angenommen. Die Sorge, zu wenig zu essen zu haben, trieb den einen oder anderen zu Hamsterkäufen. "Gekauft wurden vor allem Lebensmittel, von denen man denkt, dass sie lange haltbar sind", berichtet Kirchmaier. Nudeln, Hülsenfrüchte, Mehl und Reis standen dabei ganz oben auf der Einkaufsliste, ebenso wie Eingelegtes und Tiefkühlware. Als Ladenhüter entpuppten sich dagegen Gerichte wie das obligatorische Dosen-Gulasch. "Die Leute haben gespürt, dass sie etwas Ordentliches brauchen. Nicht irgendein Junkfood. Etwas, das ihnen dabei hilft, fit zu bleiben", so die Expertin.

Was darf ich noch essen? Und was nicht?

Die befürchtete Lebensmittelknappheit blieb also aus, das eine oder andere gehortete Lebensmittel übrig. Stellt sich die Frage: Was davon kann ich noch essen? Ein Blick aufs sogenannte Ablaufdatum gibt Aufschluss. Wobei es das Ablaufdatum per se ja nicht gibt. Stattdessen müsse man zwischen dem Mindesthaltbarkeits- und dem Verbrauchsdatum unterscheiden. Die Worte "Mindestens haltbar bis" sind mehr als Empfehlung denn als Aufforderung zu betrachten. Das Datum markiert jenen Tag, bis zu dem der Hersteller für einen eventuellen Verderb des Produkts haftet. Was aber noch lange nicht heißt, dass das Lebensmittel danach automatisch entsorgt werden muss. "Die Lebensmittel halten in der Regel länger als draufsteht", weiß die Ernährungsexpertin.

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Die Devise lautet daher: Aufmachen und ausprobieren. Vertrauen Sie auf Ihren Geruchs- und Geschmackssinn. Lediglich mit der Aufschrift "Zu verbrauchen bis" ist nicht zu spaßen. Diese findet sich in erster Linie auf Fleisch, Fleischprodukten und Fisch. Wer hier das Datum missachtet, läuft Gefahr, eine Lebensmittelvergiftung zu erleiden. Aber diese Produkte kauft man im Normalfall ja sowieso nicht auf Vorrat. Apropos Vorrat: Die Haltbarkeit vieler Lebensmittel, die man normalerweise nicht im Kühlschrank verorten würde, kann durch Tiefkühlen verlängert werden. So zum Beispiel Nüsse, Kokosflocken und Samen wie Leinsamen, Sesam und Sonnenblumenkerne. Ja sogar Semmelbrösel, Grieß und Mehl können eingefroren werden.

Haltbarkeit durch Einfrieren verlängern

Der besseren Handhabung halber empfiehlt Kirchmaier, besagte Lebensmittel vor dem Einfrieren umzufüllen. Etwa in ein Marmeladenglas oder eine Plastikbox. Wobei Letzteres nicht für fettreiche Lebensmittel wie Nüsse und Mohn gilt. Der Grund: Das Plastik nimmt das Fett auf und trägt auf diese Weise dazu bei, dass der Inhalt schneller ranzig wird. Überhaupt gilt: Je fettreicher das Lebensmittel, desto rascher verdirbt es. Und auch die Verarbeitungsgröße spielt hier eine Rolle: "Was klein gemacht worden ist, wird schneller schlecht." Je kleinteiliger nämlich das Produkt, desto größer dessen Oberfläche. Was wiederum dazu führt, dass Bakterien mehr Angriffsfläche haben. Das gilt zum Beispiel für geriebene Nüsse im Gegensatz zu ganzen Nüssen.

Reisflocken wiederum haben gegenüber Haferflocken den Vorteil, dass sie fettärmer sind. Dasselbe gilt für Weißmehl gegenüber Vollkornmehl. Wobei auch Letzters locker ein, eineinhalb Jahre hält. Die Haltbarkeit durch Einfrieren verlängern kann man im Übrigen auch bei Speiseöl. Je kälter man es demnach lagert, desto länger hält es. Entwarnung gibt die Ernährungsexpertin indes an alle, die sich einen Vorrat an Eiern angelegt haben. Theoretisch könne man sich natürlich an Eiern vergiften. Die Praxis sieht aber meist anders aus: "Es ist fast unmöglich, ein verdorbenes Ei zu essen." Ist das Ei erst einmal schlecht, lassen Farbe und Geruch keinen Zweifel daran. "Das stinkt so bestialisch, dass man es ohnehin nicht mehr essen würde."

Selbstgemachte Vorräte anlegen

Nun kehren wir zwar langsam, aber sicher zur Normalität zurück. Die Sorge vor einer zweiten Corona-Welle aber bleibt bestehen. Wie können wir uns - im Falle des Falles - essenstechnisch auf eine solche vorbereiten? Kirchmaier hat gleich eine ganze Reihe an Tipps parat, an deren erster Stelle steht: "Kaufen Sie nur jene Lebensmittel ein, die Sie auch sonst gerne essen!" Immerhin sind Packerlsuppe und Haltbarmilch nicht jedermanns Sache, zumal es in der Tat ja auch gesündere Alternativen gibt. So könne man zum Beispiel, um einem Kalziummangel vorzubeugen, auf Hartkäse setzen. "Der ist ja auch ein Milchprodukt" - und obendrein eines, das sehr lang hält. Genauso wie Hartwurst, die man am besten als Ganzes kauft.

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Und dann wären da noch die selbstgemachten Vorräte. Wer gern Süßes mag, dem rät die Expertin, im Sommer Marmelade einzukochen. Idealerweise aus heimischem Obst. Zu Kaiserschmarren, Topfenauflauf oder Knödel wiederum passen Kompotte und Fruchtsaucen. Letztere werden genauso zubereitet wie Marmeladen, nur dass man ihnen mehr Wasser beimengt. "Die Wirkstoffe, die hier enthalten sind, helfen dann dabei, das Immunsystem fit zu halten." Viele Früchte kann man auch trocknen. So zum Beispiel Äpfel, Birnen und Beeren. Getrocknet eignen sie sich nicht nur zum Knabbern, sie lassen sich auch beliebig weiterverarbeiten. Wie ein Kompott aufgekocht kann man mit den Früchten beispielsweise Kuchen belegen.

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Auch Gemüse eröffnet eine Bandbreite an Möglichkeiten. Paradeiser etwa kann man einkochen. Oder aber pürieren und einfrieren. Dasselbe gilt für Paprika, wobei sich hierfür am besten jene eignen, die schon ein bisschen schrumpelig sind. Getrocknet lassen sich Letztere auch fein mahlen und als Würzpulver verwenden. Auf dieselbe Weise verfahren kann man mit Ingwer, Knoblauch und Wurzelgemüse wie Karotten und Sellerie. Dazu das jeweilige Lebensmittel fein schneiden und im Backrohr trocknen. Von Vorteil ist dabei ein Gerät mit Dampfablauf. Denn bleibt zu viel Feuchtigkeit im Backrohr, kann das Gemüse nicht trocknen. Dies lässt sich mit einem Stück Apfel testen. "Wenn er weich bleibt, dann ist der Luftaustausch zu gering", erklärt Kirchmaier.

Gemüse und Kräuter haltbar machen

Es geht aber auch ganz ohne Backrohr. So lässt sich etwa eine Würzpaste zaubern, indem man frisches Wurzelgemüse unter Beigabe von Salz im Mixer kleinhackt. Auf eine Handvoll Gemüse kommen dabei zwei bis drei Handvoll Salz. "Lieber eine Handvoll zu viel als eine zu wenig", rät die Expertin. Denn ist der Salzanteil zu gering, besteht die Gefahr, dass die Paste zu gären beginnt. Auch oftmaliges Öffnen des Glases, in dem die Mischung aufbewahrt wird, sollte vermieden werden. Kleine Gläser sind daher großen vorzuziehen. Zum Verfeinern von Speisen eignen sich schließlich auch Kräuterpasten. Hierfür einen Zwei-Liter-Topf voll Kräutern pürieren, mit zwei Handvoll Salz und einer Tasse Öl vermischen, in kleine Gläschen füllen und einfrieren.

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Auf diese Weise kann man beispielsweise eine Suppenmixtur mit Sellerie, Liebstöckel und Petersilie herstellen, eine Fischmischung mit Zitronenmelisse und Thymian oder eine mediterrane Variante mit Oregano, Majoran, Thymian und Basilikum. Natürlich darf auch Knoblauch beigemengt werden. Wer will, kann auch bei den Gewürzmischungen im Supermarkt schmökern und sich die eine oder andere Inspiration holen. Einmal geöffnet, hält die Paste im Kühlschrank ungefähr einen Monat. Die Mischung ist derart intensiv, dass man zum Würzen nur ganz kleine Mengen benötigt. Und schließlich ist sie nicht nur wohlschmeckend, sondern auch wohltuend, was dem hohen Anteil an bioaktiven Wirkstoffen, die in den Kräutern enthalten sind, zu verdanken ist.