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Fußfessel vermittelt oft trügerisches Bild von Freiheit

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Derzeit rund 390 Personen im elektronisch überwachten Hausarrest
©APA, GEORG HOCHMUTH, THEMENBILD
Die Anträge auf eine Fußfessel von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und den ebenfalls in der Buwog-Causa verurteilten Ex-Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberger haben eine Maßnahme wieder ins öffentliche Interesse gerückt, die in Österreich seit 2010 als Alternative zur Haft eingesetzt wird. Die Fußfessel soll Straftätern den Weg zurück in die Gesellschaft erleichtern, Gefängnisse entlasten - und vermittelt dabei mitunter ein trügerisches Bild von Freiheit.

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"Es ist eine massive Freiheitseinschränkung", sagt Dina Nachbaur vom Verein Neustart, dessen Mitarbeiter die Fußfesselträger in ganz Österreich sozialarbeiterisch begleiten. Auch wenn der elektronisch überwachte Hausarrest in den eigenen vier Wänden nicht mit der klassischen Haft in der Justizanstalt vergleichbar sei, empfänden die Betroffenen ihn sehr wohl als Freiheitsstrafe. Besonders belastend sei der Vergleich mit dem Umfeld, das sich frei bewegen könne, während man selbst zu Hause bleiben müsse. Im Gefängnis gehe es in dieser Hinsicht allen gleich, doch mit Fußfessel bewege man sich in der "freien Welt", ohne wirklich frei zu sein, gab die Juristin und Kriminalsoziologin im Gespräch mit der APA zu bedenken. Vereinzelt habe es bereits Fälle gegeben, in denen Personen das Gefängnis der Fußfessel vorgezogen und den Hausarrest abgebrochen hätten.

Auch in den eigenen vier Wänden ist der Bewegungsradius klar definiert. Selbst wer in einer Villa mit Pool im Garten lebt, darf sich laut Nachbaur nur in jenen Räumen aufhalten, die genehmigt sind, also in der Regel Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche, Bad und Toilette. Wird diese Zone verlassen, löst die Fußfessel Alarm in der Überwachungszentrale mit Sitz in der Justizanstalt Wien-Josefstadt aus. Den Pool dürfe man nur in seiner täglich genehmigten Stunde im Freien verwenden, die Fußfessel ist übrigens wasserdicht.

Die Menschen im elektronisch überwachten Hausarrest haben keine einheitliche Vorgeschichte. Unter ihnen finden sich Arbeiter wie Akademiker, die wegen unterschiedlichster Straftaten verurteilt wurden. Der Großteil der Fußfesselträger sind Männer, weil auch deutlich mehr Männer als Frauen verurteilt werden. Im Verhältnis zum gesamten Insassenstand sind Frauen nach Angaben des Justizministeriums jedoch überdurchschnittlich im elektronisch überwachten Hausarrest vertreten: Rund sieben Prozent aller Inhaftierten sind weiblich, ihr Anteil unter den Fußfesselträgern liegt fast doppelt so hoch.

Gewöhnungsbedürftig für die Fußfesselträger sei vor allem die streng vorgegebene Tagesstruktur. Der Tagesablauf, der mit der Betreuerin oder dem Betreuer festgelegt wird, ist minutiös: Etwa von 6 bis 7 Uhr in die Arbeit fahren, von 7 bis 15 Uhr arbeiten, von 15 bis 16 Uhr heimpendeln und von 17 bis 18 Uhr eine Stunde spazieren gehen. Ein spontaner Lebensmitteleinkauf am Heimweg ist nicht möglich, dafür gibt es vorgegebene Zeiten am Wochenplan. Schon kleine Abweichungen, wie etwa eine zehnminütige Zugverspätung beim Pendeln, müssen der Überwachungszentrale sofort telefonisch gemeldet werden. Die Zentrale überprüft den Standort über die Fußfessel.

"Man muss immer pünktlich sein, sich an diesen Stundenplan ganz genau halten", so Nachbaur. "Man lebt immer mit der Uhr." Das hänge wie ein "Damoklesschwert" über einem. Eine Klientin habe einmal erzählt, die Fußfessel habe sich angefühlt, als wäre sie ihr wie ein Herzschrittmacher eingepflanzt worden, so sehr habe sie sie unter Druck gesetzt. Denn bei zu vielen Abweichungen vom Plan kann die Fußfessel widerrufen werden und die Strafe muss im Gefängnis fortgesetzt werden.

Dennoch hält Nachbaur die Fußfessel für eine deutlich bessere Alternative zur Haft im Gefängnis. Man solle die Möglichkeit nutzen, wann immer die Voraussetzungen erfüllt sind, sagt sie. "Die Leute gehen arbeiten, sie zahlen Steuern, sie übernehmen Verantwortung in ihrer Familie und bringen die Kinder in den Kindergarten oder den Müll raus", so die Juristin. "Dieses Gefühl von Verantwortung tragen, von guten Entscheidungen treffen. Das ist ein Ziel von dieser Fußfessel. Und das kann sie sicher erreichen."

Gemessen an der Wiederverurteilungsquote ist der elektronisch überwachte Hausarrest jedenfalls ein Erfolg. Laut Neustart kommt es in den ersten drei Jahren nach Ende der Maßnahme bei 88 Prozent der Betroffenen zu keiner weiteren Inhaftierung. Demgegenüber werden nach der Entlassung aus dem Gefängnis etwa 30 Prozent erneut verurteilt. Auch die Wiedereingliederung in die Gesellschaft gelinge nach dem Hausarrest meist besser, da Wohnung, Arbeitsplatz und soziales Umfeld erhalten bleiben. Der Erfolg der Fußfessel hängt allerdings auch mit der strengen Vorauswahl zusammen, wer sie überhaupt initial bekommt, bestätigt Nachbaur. Gleichzeitig entlastet die Maßnahme die überfüllten Gefängnisse etwas und spart dem Staat auch Kosten.

Mit Mitte Oktober 2025 trugen 386 Personen eine Fußfessel, so Karl Peinhart, Leiter der Überwachungszentrale Josefstadt. Zur Einordnung: In Österreich sind derzeit rund 9.100 Menschen in Gefängnissen inhaftiert. Seit Einführung des elektronisch überwachten Hausarrests im September 2010 wurden laut Peinhart knapp 11.130 Anträge für eine Fußfessel bewilligt. Generell werde etwa die Hälfte der Anträge bewilligt.

Seit September kann die Fußfessel auch bei längeren Reststrafen eingesetzt werden: Die maximale Dauer wurde von 12 auf 24 Monate ausgeweitet - was zuletzt zu einem merklichen Anstieg der Anträge geführt habe, sagte Peinhart im Gespräch mit der APA. Ob sich dieser Trend fortsetzt und welche Auswirkungen die potenziell längere Tragedauer auf die Betroffenen hat, lasse sich derzeit noch schwer abschätzen. Einfacher werde es bestimmt nicht, sind sich Nachbaur und Peinhart einig. Nach mehreren Monaten würden einige "ans Aufhören denken", so Peinhart. Andere wiederum sagten, auch zehn Monate seien kein Problem gewesen. Aber: "Natürlich haben die Leute im Hinterkopf, wenn ich es (die Fußfessel, Anm.) nicht mehr will, dann heißt es Gefängnis. Und das motiviert schon zum Durchhalten."

Für die Bewilligung der Fußfessel müssen viele Kriterien erfüllt sein. So muss etwa eine geeignete Unterkunft mit ausreichender Mobilfunknetzabdeckung vorhanden sein. Denn die Fußfessel mit integriertem GPS-Empfänger und Mobilfunkmodul sendet regelmäßig Standortdaten an die Überwachungszentrale Josefstadt. Alle Mitbewohner müssen ihre schriftliche Einwilligung abgeben. Eine Beschäftigung von mindestens 20 Wochenstunden samt Sozialversicherung ist erforderlich. Dafür kommen auch eine Ausbildung oder Kinderbetreuung infrage. Wer eine Fußfessel will, muss Deutsch oder Englisch beherrschen, um mit den Mitarbeitern der Überwachungszentrale kommunizieren zu können. Zusätzlich wird ein Beitrag für die Fußfessel von 22 Euro pro Tag fällig. Dieser kann allerdings unter Berücksichtigung der Vermögenssituation auf bis zu null Euro reduziert werden. Während der Zeit mit Fußfessel gilt striktes Alkoholverbot.

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