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"Man muss jederzeit damit rechnen, dass es wieder zu einer Pandemie kommt. Aber man kann sich gut darauf vorbereiten", erklärte Virologe Florian Krammer, der das an der Medizinischen Universität (Meduni) Wien angesiedelte Institut der Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG) leitet. Gelingen soll das einerseits durch die Überwachung von Viren im urbanen Raum - konkret in Wien, andererseits durch eine aktive Beteiligung der Gesellschaft und eine bessere Wissenschaftsvermittlung.
Beim Monitoring seien Städte bisher oft vernachlässigt worden, obwohl es durchaus Kontakt mit Tieren gebe, von denen Krankheitserreger überspringen und sich von Mensch zu Mensch ausbreiten könnten. Nun soll in Wien untersucht werden, was in Vögeln, Ratten oder Stechmücken an Erregern unterwegs ist. Daraus will man Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung ableiten, aber auch Therapien oder Impfstoff-Kandidaten entwickeln.
"Das ist noch nirgendwo auf der Welt in einer Metropole dieser Größe passiert", sieht LBG-Präsidentin Freyja-Maria Smolle-Jüttner in Wien ein Modell für andere Städte. Michaela Fritz, Vizerektorin der Meduni Wien, strich die Stärkung des Bereichs Infektionsforschung hervor und verwies auf die Kooperation mit dem ebenfalls von Krammer geleiteten Ignaz Semmelweis Institut für Infektionsforschung (ISI) an der Meduni Wien.
Der zweite Schwerpunkt des Instituts liegt auf der Wissenschaftsvermittlung. "Es ist schwierig, Fakten und Risiken zu kommunizieren, und die Menschen mitzunehmen, wenn es zu einem Notfall kommt", so Krammer. Hier will man das Vertrauen erhöhen, indem die Bevölkerung bei den geplanten wissenschaftlichen Aktivitäten miteinbezogen wird. "Das nennt sich Community Science oder Citizen Science und ist nichts Abstraktes, sondern etwas, wo jeder mitwirken kann", sagte der Forscher.
Geplant sei unter anderem eine enge Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen. So habe man bereits in New York, wo Krammer an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai forscht, einen Laborkoffer eingesetzt, um Umweltproben zu entnehmen. Schulklassen hätten damit im Central Park Vogelkot gesammelt und geprüft, welche Viren die Tiere in sich tragen. Ziel des Instituts, das im Sommer eröffnet wurde, sei aber auch, Leute zu erreichen, die sich nicht sonderlich für Wissenschaft interessieren.
"Wir wollen beispielsweise mit Katzenbesitzern arbeiten, denen ihre Haustiere Mäuse oder Vögel bringen. Die werden von uns abgeholt, seziert und auf Krankheitserreger getestet", so der Virologe. Anschließend werde darüber informiert, was entdeckt worden sei. So soll eine stärkere Beteiligung der Gesellschaft erreicht werden. Erforscht werde zudem, wie man wissenschaftliche Ergebnisse richtig kommuniziert, damit die Risiken erkannt und wahrgenommen werden, ohne Panik zu verbreiten.
"Es geht darum, die Forschung zu öffnen und Verständnis für die Wissenschaft zu schaffen, nicht um von oben herab zu dozieren", zeigte sich auch Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) überzeugt. Sie strich vor allem die Kombination aus exzellenter Forschung und das unmittelbare Einbinden von Personen in die Forschung hervor. Wichtig sei, Wissenschaft zu etwas zu machen, "das auch gemeinsam gestaltet werden und zu gemeinsamen Erkenntnissen führen kann", ergänzte die für Wissenschaft zuständige Stadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ).
Das jährliche Budget des Instituts beträgt laut LBG-Präsidentin Smolle-Jüttner 1,5 Mio. Euro und wird zu 80 Prozent von der LBG und zu 20 Prozent von Partnerorganisationen finanziert. Die Laufzeit beträgt sieben Jahre mit der Möglichkeit einer Verlängerung um weitere drei Jahre.
Service: LBI für Wissenschaftsvermittlung und Pandemievorsorge: https://soap.lbg.ac.at/
Virologe Florian Krammer am Donnerstag, 21. März 2024, im Rahmen eines Interviews mit der APA - Austria Presse Agentur, in Wien.