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Ultradünne Materialien schmelzen anders

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Im Nion-Elektrikmodul eingesetzte Protochips-Fusion-Heizhalter mit Chip
©Jani Kotakoski, APA, Uni Wien
Aus nur einer Atomlage bestehende Materialien besitzen ungewöhnliche Eigenschaften, etwa was ihre elektrische Leitfähigkeit oder mechanische Festigkeit betrifft. Ein Forschungsteam unter österreichischer Leitung berichtet im Fachjournal "Science" über ein weiteres spezielles Verhalten eines ultradünnen Silberiodid-Kristalls. Er schmilzt anders als Wasser und tritt beim Erreichen der Schmelztemperatur in einen Zustand zwischen fest und flüssig.

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Es existieren viele verschiedene Phasenübergänge, zu den bekanntesten zählen Schmelzen oder Verdampfen. Ein solcher Übergang kann kontinuierlich erfolgen, oder sprunghaft. Als gängiges Beispiel für einen sprunghaften Wechsel (Phasenübergang erster Ordnung) nennen die Forscherinnen und Forscher in ihrer Publikation das Schmelzen von Eis zu Wasser, "das mit dem sofortigen Verlust seiner Kristallsymmetrien einhergeht".

Die feste, geordnete Struktur verwandelt sich also sprunghaft in eine ungeordnete Flüssigkeit. Ein solcher Phasenübergang sei typisch für das Schmelzverhalten dreidimensionaler Materialien, von Metallen bis zu gefrorenem Wasser, betonen sie.

Ganz anders können zweidimensionale Materialien schmelzen: Zwischen fester und flüssiger Phase kann bei diesen eine exotische Zwischenphase entstehen, die sogenannte "hexatische Phase". In diesem in den 1970er Jahren vorhergesagten Hybridzustand verhält sich das Material wie eine Flüssigkeit mit unregelmäßigen Abständen zwischen den Teilchen, aber bis zu einem gewissen Grad auch wie ein Festkörper mit relativ gut geordneten Winkeln zwischen den Teilchen.

Beobachtet wurde diese "hexatische Phase" bisher nur in größeren Modellsystemen. Einem Forschungsteam um Kimmo Mustonen von der Forschungsgruppe Physik nanostrukturierter Materialien der Universität Wien ist es nun erstmals gelungen, in einem zweidimensionalen, stark (kovalent) gebundenen Material diesen exotischen Zustand direkt zu beobachten.

Mit Hilfe eines Raster-Transmissionselektronenmikroskops (STEM) und unterstützt durch neuronale Netze filmten sie einen durch zwei Graphen-Schichten geschützten Silberiodid-Kristall beim Schmelzen bei einer Temperatur von mehr als 1.100 Grad Celsius. Innerhalb eines engen Temperaturfensters - etwa 25 Grad Celsius unterhalb des Schmelzpunktes von Silberiodid - zeigte sich eine deutliche "hexatische Phase".

Im Detail lief der Schmelzprozess dabei anders als erwartet ab: Nach den bisherigen Theorien sollten die Übergänge von fest zu hexatisch und von hexatisch zu flüssig jeweils kontinuierlich erfolgen. Die Experimente zeigten aber, dass nur der Übergang von fest zu hexatisch kontinuierlich verlief, der Wechsel von hexatisch zu flüssig jedoch abrupt erfolgte, ähnlich wie beim Schmelzen von Eis zu Wasser.

Weil zweidimensionale Materialien als aussichtsreiche Kandidaten für elektronische Bauteile der Zukunft gelten, könnten die neuen Ergebnisse dabei helfen, diese künftig besser und präziser herzustellen.

Service: Publikation in "Science": https://doi.org/10.1126/science.adv7915

WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/Uni Wien/Jani Kotakoski

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