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Sparkurs bei US-Forschung - Europa kämpft um Rettung der Klimadaten

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Von Kürzungen betroffen sind etwa die für die Überwachung von Meeren
Die US-Regierung unter Donald Trump hat nationalen Behörden und Institutionen, die sich mit Umwelt- oder Gesundheitsforschung beschäftigen, Millionen an Haushaltsmitteln gestrichen und die Einstellung von Forschungen zu Klima, Wetter, geologischen Daten oder Krankheiten verfügt. Europäische Staaten, die bisher großteils auf die öffentlichen Daten aus den USA gebaut hatten, versuchen nun eilends, die entstehenden Lücken zu schließen sowie Daten vor der Vernichtung zu schützen.

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Wissenschaftlich erhobene Umweltdaten sind nicht nur für die Beobachtung und Bekämpfung des Klimawandels wichtig. Sie sind auch für die Seefahrt von Bedeutung, für Rückversicherer, die ihre Naturkatastrophen-Modelle darauf aufbauen, und für die Öl- und Gasindustrie.

Von Kürzungen betroffen sind etwa die für die Überwachung von Meeren und die Auswirkungen auf das Wetter zuständige National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), die Umweltschutzbehörde EPA, die National Institutes of Health (NIH), die medizinische Forschung fördert, oder die Centers for Disease Control, die sich um die Prävention von Infektionskrankheiten kümmern. Bei den Kürzungen sei es darum gegangen, "Fake Green New Scam" (etwa: Öko-Abzocke mit Fälschungen) in der Wissenschaft zu unterbinden, erklärte Rachel Cauley, eine Sprecherin des Amts für Verwaltung und Haushaltswesen (OMB) im Weißen Haus. "Unter der Führung von Präsident Trump finanzieren die USA wieder echte Wissenschaft."

Beamte der EU und einzelner Staaten in Europa fürchten nach einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters dagegen nicht nur, den Zugang zu Daten zu verlieren, die entscheidend für das Verständnis des Klimawandels und der Meeressysteme seien. Sie machen sich darüber hinaus Sorgen wegen des Rückzugs der USA aus der Forschung insgesamt. Sieben von Reuters befragte Regierungen in Europa - von Spanien über Deutschland bis Finnland - sind nach eigenen Angaben gerade dabei, wichtige Gesundheits- und Klimadaten und entsprechende Forschungsprogramme abzusichern. "Die Lage ist viel schlimmer als wir erwarten konnten", sagte die schwedische Staatssekretärin für Bildung und Forschung, Maria Nilsson. "Ich bin, ganz ehrlich, schockiert."

Craig McLean, der vier Jahrzehnte für die Meeresforscher von der NOAA gearbeitet hat, sagt, die Führungsrolle der USA bei der Meeresforschung sei lange unbestritten gewesen. Europäische Wissenschafter räumen ein, dass man sich zu sehr abhängig von den Amerikanern gemacht habe. "Es ist ein bisschen wie in der Verteidigung. Wir haben uns auch auf diesem Gebiet sehr auf die USA verlassen", so Katrin Böhning-Gaese, wissenschaftliche Geschäftsführerin des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung, zu Reuters. "Sie sind Pioniere und Vorbilder - aber das macht uns auch abhängig von ihnen." Die deutsche Regierung hat wissenschaftliche Institutionen aufgefordert, ihre Abhängigkeit von den USA zu überprüfen.

Das Meteorologische Institut Dänemarks (DMI) bezeichnet die Daten der US-Regierung als "absolut unerlässlich". Man habe sich unter anderem auf Daten zur Eisschicht auf den arktischen Meeren und zu den Oberflächentemperaturen der Weltmeere verlassen. "Das ist nicht nur ein technisches Thema, verlässliche Daten sind die Grundlage für Warnungen vor Extremwetter, für Klimaprojektionen und den Schutz von Menschen. Sie retten letztlich Leben", sagte Adrian Lema, der Leiter der Klimaforschung beim DMI.

Die Kürzungen beim NOAA beeinträchtigten das weltumspannende Meeresbeobachtungssystem, warnte die EU. Darauf bauen nicht nur Schiffe bei der Navigation, bei der Routenwahl und bei Unwetter-Warnungen, sondern auch die Versicherungsbranche bei ihren Risikomodellen für die Wahrscheinlichkeit und die finanziellen Folgen von Naturkatastrophen. Auch Planungsbehörden brauchen Informationen zu Küstenlinien, Seehöhen und Sturmflut-Risiken, wenn es um Infrastruktur-Projekte an der Küste geht. Die Energiebranche nutzt Meeres- und Erdbeben-Daten bei Entscheidungen über Windräder auf hoher See und Bohrungen nach Öl und Gas.

Die EU versucht nun, selbst den Zugang zu Beobachtungsdaten zu den Ozeanen auszuweiten, wie ein hochrangiger Beamter sagt. In den kommenden zwei Jahren soll deshalb das europäische Beobachtungsnetz ausgebaut werden, das Daten zu Schiffsrouten, Lebensräumen auf dem Meeresgrund, Unrat in den Meeren und anderen Themen sammelt und speichert, um den drohenden Ausfall der US-Daten zu kompensieren.

Im Mittelpunkt steht die Förderung des "Argo"-Programms der NOAA, das es seit 25 Jahren gibt und das die Behörde selbst als ihr "Kronjuwel" bezeichnet. Mit einem System von Schwimmkörpern misst es Meeresdaten, die Aufschluss über die globale Erwärmung, Extremwetter-Ereignisse und den Anstieg des Meeresspiegels geben. 57 Prozent der 40 Millionen Dollar (34,59 Mio. Euro), die das Programm im Jahr kostet, kamen bisher von der US-Regierung. Das Weiße Haus und die NOAA wollten sich nicht dazu äußern, ob das so bleibt. Die EU erwägt nun, ihren Anteil an Argo zu erhöhen - und zugleich ihre Abhängigkeit von den USA zu reduzieren.

Sigrun Aasland, Norwegens Ministerin für Forschung und höhere Bildung, berichtete von einem Treffen skandinavischer Staaten im Frühjahr, bei dem es darum gegangen sei, die Sicherung bestehender Daten zu koordinieren. Die Kürzungen der US-Regierung waren auch Thema eines Treffens der europäischen Wissenschaftsminister im Mai in Paris. Norwegen hat Aasland zufolge zwei Millionen Dollar bereitgestellt, um US-Daten zu sichern und den Zugriff darauf zu gewährleisten.

Seit der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus haben Wissenschafter und normale Bürger US-Datenbanken zu Klima, Umwelt und Gesundheit archiviert, die außer Betrieb genommen werden sollen - "Guerilla Archiving" ist das Schlagwort dafür. "Wir haben Anfragen - oder besser gesagt Hilferufe - von unseren Kollegen in den USA bekommen, die sagen: Wir haben hier ein Problem (...) und müssen einige Datensätze aufgeben", berichtete Oliver Glöckner vom Digitalarchiv Pangaea. Rechtliche Probleme gebe es nicht, die Daten seien öffentlich. Das dänische DMI hat im Februar begonnen, historische Klimadaten aus den USA für den Fall herunterzuladen, dass sie dort gelöscht würden. "Kritisch könnte es werden, wenn keine neuen Beobachtungsdaten mehr hereinkommen", sagte DMI-Klimaforscher Lema. Darunter würde die Qualität der Wettermodelle leiden.

Von den 12.000 Mitarbeitern der NOAA sind rund 800 gekündigt worden oder mit Abfertigungen gegangen, nachdem die von Elon Musk aufgebaute Effizienzbehörde die Institution durchforstet hatte. Und 2026 drohen weitere Einschnitte: Das Budget für die NOAA soll um 27 Prozent schrumpfen, die Mitarbeiterzahl soll auf 10.000 zurückgehen. Die zentrale Forschungsabteilung, das Office of Oceanic and Atmospheric Research, das unter anderem für Argo zuständig ist, soll aufgelöst werden. Zwischen April und Juni hat die NOAA angekündigt, 20 Datensammlungen oder Produkte mit Bezug zu Erdbeben und Schifffahrt aufzugeben.

(Von Kate Abnett und Valerie Volcovici und Sarah Marsh/Reuters)

CUXHAVEN - DEUTSCHLAND: FOTO: APA/APA/dpa/Sina Schuldt

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