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Soziologin: Armut macht ältere Frauen besonders oft krank

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Altersarmut - ein häufig weibliches Phänomen
©APA, Britta Pedersen, dpa-Zentralbild
Gesundheit ist maßgeblich von biologischen Faktoren bestimmt, aber sie hängt immer auch mit dem Lebensstil und der sozialen Struktur zusammen, hieß es am Montagabend bei einer Podiumsdiskussion in Wien. Altersarmut - ein häufig weibliches Phänomen - spielt etwa bei der Frage, warum Frauen hierzulande zwar eine deutlich höhere Lebenserwartung haben, die Anzahl der gesunden Lebensjahre aber gleich ist wie bei Männern, eine wesentliche Rolle.

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"In der Gendermedizin geht es um den Unterschied zwischen Männern und Frauen in allem, was Gesundheit betrifft - besonders der Diagnose und Behandlung von Krankheiten", sagte Alexandra Kautzky-Willer, Professorin für Gendermedizin an der MedUni Wien. Bei Frauen gebe es einen besonderen Nachholbedarf, da die Forschung primär von Männern und für männliche Körper entwickelt wurde. Dabei unterscheiden sich Männer und Frauen in Symptomen, Krankheitsverläufen und dem Ansprechen auf Therapien.

Nicht nur die Forschung zu diesem Thema soll gesellschaftlich präsenter werden: In den kommenden Jahren wolle man gemeinsam mit der zuständigen Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) maßgebliche Schritte setzen, "um Männer und Frauen im Gesundheitssystem gleichberechtigt zu sehen, zu unterstützen und Lebenschancen gleichermaßen zu verlängern", sagte Wissenschafts- und Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ), die den "Science Talk" zum Thema "Wie Gendern auch Leben retten kann. Über die Bedeutung von Geschlechtergerechtigkeit in Medizin, Forschung und Gesellschaft" eröffnete.

"Armut macht krank und Krankheit macht arm" - das betreffe hierzulande besonders ältere Frauen, so Vera Gallistl-Kassing, Soziologin an der Universität Wien. Denn sie verdienen bei gleicher Arbeit schon weniger Geld, in Bezug auf die Pensionen sei der sogenannte Gender-Pay-Gap mit ungefähr 40 Prozent aber noch deutlich höher als bei den Erwerbstätigen. Die Durchschnittspensionen von Frauen lagen vergangenes Jahr mit rund 1.400 Euro ungefähr 250 Euro unter der Armutsgefährdungsschwelle.

"Wenn man alt ist und wenig Geld hat, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass man unter größeren gesundheitlichen Einschränkungen leidet. Gleichzeitig ist es ein riesiger Kostenfaktor, wenn man viele gesundheitliche Einschränkungen hat oder pflegebedürftig ist", so Gallistl-Kassing weiter. Die österreichische Altersstudie habe etwa gezeigt, dass die Hälfte der Menschen in hohem Alter fünf oder mehr Medikamente gleichzeitig einnehmen. Finanzielle Belastungen durch Krankheit, die Menschen in Altersarmut ganz besonders treffen, reichen dementsprechend von Kosten für Mittel wie Cremes oder Medikamente, die nicht von der Krankenkasse gedeckt sind, bis hin zu Hörgeräten.

Ein prominentes Beispiel dafür, wie Gendermedizin ganz konkret Leben retten kann, sei der Herzinfarkt: Frauen haben oft andere Symptome als Männer. Deswegen werden diese später erkannt, die Reaktion dauert länger und die Sterblichkeit ist höher. "Aber es gibt auch umgekehrt das Beispiel, dass Männer mehr Suizide begehen, während bei Frauen viel öfter eine Depression diagnostiziert wird", sagte Kautzky-Willer. Das liege daran, dass sich Symptome einer Depression bei Männern anders ausprägen können, etwa mit Aggressionen oder Alkoholmissbrauch, und deswegen übersehen werden.

Das Wissen über biologische Unterschiede in der Gendermedizin wachse aktuell sehr schnell. Deswegen sei es zentral, dass dieses im Medizinstudium und danach verbreitet wird. Außerdem gibt es ein Datenproblem. "Wir müssen in Zukunft die vielen Daten, die es hierzulande schon gibt, auch wissenschaftlich verwenden und auswerten können", erklärte Kautzky-Willer. "Denn: Je größer der Datensatz, desto besser kann die Präzisionsmedizin und die Prävention in diesem Bereich werden."

Eine gute Behandlung fange jedoch schon bei der Anamnese an und dafür brauchen Frauen meistens mehr Zeit als Männer. Bei Bauchschmerzen müssen etwa Aspekte wie der Zyklus oder ein möglicher Kinderwunsch abgeklärt werden. Auch deswegen fühlen sich Frauen im österreichischen Gesundheitssystem schlechter behandelt. "Solange die Zeit in den Kassenordinationen fehlt, bringt die beste Therapie gar nichts. Da braucht es ein politisches Umdenken", forderte Naghme Kamaleyan-Schmied, Vizepräsidentin der Wiener Ärztekammer.

BERLIN - DEUTSCHLAND: FOTO: APA/APA/dpa-Zentralbild/Britta Pedersen

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