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"Unsere Analyse bestätigt, dass sich die Verschiebungen am Kleinen Nesthorn über mehrere Jahre vor dem Einsturz entwickelten", erklärte Andrea Manconi vom WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in der Mitteilung. "Solche Ergebnisse helfen uns, klarer zu erkennen, wie Satellitendaten für die Früherkennung genutzt werden können." Manconi und weitere Forschende haben im Rahmen des ESA-Projekts "Modulate" Radarbilder von zwei Satelliten ausgewertet, die zwischen 2016 und 2024 aufgenommen wurden.
Bereits zwischen 2016 und 2017 zeigten die Bilder, dass sich der Hang an den Flanken des Kleinen Nesthorns langsam verschob. In den darauffolgenden Jahren wurden diese Bewegungen zunehmend stärker und schneller. Bis 2023 bewegte sich der Hang mit etwa 50 Zentimetern pro Jahr, in den jüngsten analysierten Bildern vom Sommer 2024 sogar mit einer Geschwindigkeit von 150 Zentimetern pro Jahr.
Dies markiert laut ESA einen klaren Übergang von einer vergleichsweise langsamen zu einer schnellen Verformung. Es zeige auch, dass die Wahrscheinlichkeit eines bevorstehenden katastrophalen Versagens deutlich erhöht war.
Die analysierten Bilder stammen von sogenannten L-Band-Satelliten. Diese Satelliten senden längere Radarwellen als andere, weiter verbreitete Satelliten wie etwa die Sentinel-1-Satelliten der ESA. Dadurch können sie besser durch Vegetation und komplexes Gelände dringen. Einige L-Band-Satelliten sind bereits im Einsatz, allerdings bisher in geringerem Umfang als andere Radar-Satelliten.
Diese Erkenntnisse zeigen laut der ESA, wie wichtig solche L-Band-Satelliten sind, um gefährliche Bewegungen früh zu erkennen. So konnten die Behörden in Blatten die Menschen rechtzeitig evakuieren, weil sie lokale Beobachtungen hatten. Die Installation von lokalen Sensoren an jedem alpinen Hang sei jedoch logistisch und finanziell nicht machbar.
Am 28. Mai war über Blatten ein großer Teil des Birchgletschers abgebrochen. Rund drei Millionen Kubikmeter Gestein und Eis stürzten ins Tal und auf die Häuser im Dorf. Blatten war zuvor bereits evakuiert worden, die Ortschaft wurde de facto durch das Gestein und die daraufhin aufgestauten Wassermassen völlig zerstört. Das Gesamtvolumen der Eis- und Gesteinsablagerungen am Talboden beziffert der Kanton auf neun Millionen Kubikmeter.