News Logo
ABO

Bitcoin, Ethereum und Co.: Was passiert mit Kryptowährungen wenn der Besitzer stirbt?

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
14 min

Wie kann Kryptowährung sicher vererbt werden? Bernhard Haslhofer vom Wiener Forschungsinstitut Complexity Science Hub arbeitet an Lösungen, damit Vermögen nicht im digitalen Raum verschwindet.

Hunderttausende Österreicherinnen und Österreicher besitzen bereits Krypto-Assets – Tendenz stark steigend. Doch was passiert mit diesen digitalen Vermögenswerten, wenn ihre Besitzer sterben? Diese Frage entwickelt sich angesichts der demografischen Entwicklung zu einem der drängenden Probleme unserer digitalen Zeit.

Während bei klassischen Erbschaften bewährte Verfahren greifen – Banken sperren Konten, Notare identifizieren Erben, Gerichte wickeln Nachlässe ab –, versagen diese etablierten Mechanismen bei Kryptowährungen oft vollständig. Ohne physische Kontoauszüge oder zugängliche Institutionen stehen Angehörige vor einem digitalen Rätsel: Wo sind die Vermögenswerte versteckt? Wie kommt man an die geheimen Schlüssel heran? Und was, wenn die Krypto-Börse auf den Cayman Islands liegt?

Bernhard Haslhofer vom Complexity Science Hub Vienna steht täglich vor diesen Herausforderungen. Als Leiter der Forschungsgruppe „Digital Currency Ecosystems“ und gerichtlich beeidigter Sachverständiger wird er zunehmend von Notaren und Verlassenschaftsverwaltern kontaktiert, die mit Krypto-Nachlässen überfordert sind. Seine spektakulärsten Fälle umfassten bereits Vermögen von mehr als 21 Millionen Euro.

Wie viele Österreicherinnen und Österreicher investieren in Kryptowährungen?

Es gibt dazu nur Zahlen, die registrierte Kryptowährungsbörsen betreffen. Und von dort wissen wir, dass es über 300.000 in Österreich ansässige Personen sind, die bei solchen Börsen Konten haben. Aber die Dunkelziffer ist sicher höher, weil man ja auch bei Börsen außerhalb Österreichs Kryptowährungen halten kann oder diese auch selbst, z. B. in sogenannten Hardware-Wallets aufbewahren kann, ohne dass man ein Konto bei einer Börse hat. Man muss also sicher von mehreren Hunderttausend Österreicherinnen und Österreichern ausgehen.

Und von welchen Summen sprechen wir da?

Das ist sehr schwer einzuschätzen. Ich habe Fälle gesehen, wo es in den siebenstelligen Bereich geht. Speziell Leute, die sehr früh in Kryptowährungen investiert haben, sind zu sehr hohen Vermögenswerten gekommen.

Sie beschäftigen sich mit der Vererbung von Kryptowährungen. Wie merke ich – als Erbe oder als Erbin, oder als Nachlassverwalter –, dass hier Gelder angelegt wurden?

Die erste Herausforderung besteht einmal darin herauszufinden, ob jemand Kryptowährungen hatte. Meistens funktioniert es so, dass bei einer Verlassenschaft der Verlassenschaftskurator gemeinsam mit den Nachfahren den Haushalt betritt. Und dann kann es passieren, dass man auf gewisse Artefakte stößt, die einen Hinweis darauf geben, dass der Verstorbene Kryptowährung hatte. Zum Beispiel gibt es bestimmte Geräte – sogenannte Hardware-Wallets – deren Vorhandensein die Vermutung nahelegen, dass der Verstorbene Kryptowährung hatte. Genauso kann es sein, dass irgendwo in einer Dokumenten-Mappe gewisse Wortfolgen aufgezeichnet sind, die darauf hinweisen, dass es sich um einen Kryptowährungs-Schlüssel handelt. Die wichtigste Informationsquelle ist natürlich die nähere Umgebung eines Verstorbenen, die man dann befragen kann. In der Regel sprechen die Leute zu Lebzeiten darüber, ob sie in Kryptowährungen investiert haben.

Das klingt ein bisschen wie ein Krimi, wie Detektivarbeit.

In der Praxis ist es manchmal so. Ich habe schon erlebt, dass es wirklich nur die Vermutung gab, bis hin zu Fällen, wo tatsächlich schon konkrete Artefakte gefunden wurden.

Braucht man einen Fachmann wie Sie oder sind herkömmliche Nachlassverwalter auch schon entsprechend sensibilisiert?

Klassischerweise werden Verlassenschaften von Notaren abgewickelt, da gibt es sich schon vereinzelt das Know-how, aber ich gehe davon aus, dass es noch nicht Allgemeinwissen ist. Das ist aber wichtig. Wenn man beim Räumen eines Haushalts nicht weiß, worauf man achten muss, läuft man Gefahr, Kryptowährungswerte zu vernichten.

Wie kann das passieren?

Es ist eine Eigenheit des Kryptowährungssystems, dass Werte für immer verloren sind, wenn die sogenannten privaten Schlüssel abhandenkommen. Es gibt dann keine Möglichkeit mehr, sie wiederherzustellen. Das ist ein Problem, das dann auch technisch nicht mehr lösbar ist. Man muss aber auch dazusagen, dass die meisten Menschen ihre Kryptowährung nicht selbst verwalten, sondern Kryptowährungsbörsen verwenden, um dort ihre Kryptowährungsbestände zu verwalten. Und wenn jemand verstirbt und man weiß, dass der Verstorbene bei einer gewissen Kryptowährungsbörse oder einem gewissen Unternehmen Kryptowährung hinterlegt hat, gibt es einen Rechtsweg, den man dann beschreiten kann, um diese Kryptowährungen an die Erben zu übertragen.

Werte können für immer verloren gehen, wenn die sogenannten privaten Schlüssel abhanden kommen

Bernhard Haslhofer

Und wenn der Zugriff nicht mehr gelingt, was passiert dann mit dem Vermögen?

Nichts. Es gibt mittlerweile ganz viele Bitcoins, auf die nie wieder jemand zugreifen kann. Es gibt das berühmte Beispiel eines Menschen, der irgendwann in der Frühphase von Bitcoin seine Festplatte entsorgt hat. Auf dieser Festplatte befanden sich die Schlüssel die notwendig sind, um über Kryptowährungen zu verfügen. Er sucht bis heute verzweifelt nach dieser Festplatte. Es gibt technisch einfach keinen Weg mehr, auf diese Werte zuzugreifen. Sie sind für immer verloren.

Was raten sie denn Menschen, die Kryptowährung vererben wollen? Und was Erben von Kryptowährung?

Grundsätzlich sollte man sich als Besitzer von Kryptowährungen zu Lebzeiten Gedanken machen, wie man diese Werte gegebenenfalls übertragen kann. Es gibt mittlerweile auch schon innovative Firmen, die diesbezüglich Services anbieten. Man sollte sich auch zum Beispiel überlegen, bei welchen Krypto-Wechselbörsen man seine Vermögenswerte hinterlegt, weil es im Nachhinein einfach einen riesengroßen Unterschied macht, ob eine Verlassenschaft von einem österreichischen Anbieter übertragen werden muss oder ob diese Verlassenschaft irgendwo auf den Cayman Islands liegt. Wenn der Anbieter nicht in unserem Rechtsraum liegt, wird es oft sehr schwierig. Und für Nachfahren gilt: Wenn die Vermutung besteht, dass der Verstorbene Kryptowährungen hatte, sollte man den Verlassenschaftsverwalter darauf hinweisen. Das war in den meisten Fällen auch der Grund, warum ich in solchen Fällen als Experte hinzugezogen wurde.

Sind die rechtlichen Rahmenbedingungen Ihrer Meinung nach ausreichend?

Europa hat mittlerweile eine Regulierung und Anbieter, die in Europa tätig sind, versuchen, sich meiner Erfahrung nach auch daran zu halten. Schwierig wird es, wenn Vermögenswerte von den Seychellen über die Bahamas oder sonst irgendwo in Asien verteilt sind, dann ist es oft sehr schwierig, diese Anbieter zu überzeugen, dass sie einen Zugriff auf die Kryptowährungsbestände ermöglichen – weil sie keine rechtliche Verpflichtung haben bzw. die Durchsetzung eines Anspruchs oft sehr schwierig ist. Deswegen ist sehr wichtig, einen Rechtsrahmen zu haben, so wie es in Europa der Fall ist. Und wichtig ist auch, dass die Benutzer wissen, dass es Sicherheit gibt, wenn man sich in einem Rechtsrahmen bewegt.

Sie haben eingangs erwähnt, dass Hunderttausende Personen in Österreich in Kryptowährungen investieren. Wie groß sind die Probleme mit Krypto-Erbschaften?

Wenn wir uns ansehen, wie viele Menschen in Kryptowährungen investiert haben und davon ausgehen, dass jeder irgendwann aus dem Leben scheidet, liegt es auf der Hand, dass die Fallzahlen sehr bald sehr rasant ansteigen werden. Man muss sich rechtzeitig überlegen, wie man sehr viele Verlassenschaften, in denen Kryptowährungen vorkommen, möglichst effizient abhandeln kann. An einer Art Handbuch, wie das am besten ablaufen sollte, arbeiten wir gerade.

Blurred image background

 © Anja Bock
Blurred image background

60 Prozent des Kryptomarkts wird von Bitcoin bestimmt. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Ethereum und Tether.

 © Getty Images/Andriy Onufriyenko

Kryptowährungen: Einfach erklärt

Kryptowährungen sind digitale Währungen, die ausschließlich elektronisch existieren und nicht als Münzen oder Scheine gedruckt werden. Anders als der Euro oder Dollar werden sie nicht von einer Zentralbank herausgegeben, sondern funktionieren völlig dezentral. Das bedeutet, dass keine Bank oder Regierung sie kontrolliert. Der Name stammt vom griechischen Wort „krypto“ für „verbergen“ und bezieht sich auf die starke Verschlüsselungstechnik, die diese digitalen Währungen sichert.

Das Herzstück jeder Kryptowährung ist die Blockchain-Technologie. Man kann sich diese wie ein digitales Kassenbuch vorstellen, das nicht bei einer Bank liegt, sondern gleichzeitig auf Tausenden Computern weltweit gespeichert ist. Jede Überweisung wird in einem „Block“ aufgezeichnet und an eine Kette vorheriger Blöcke angehängt. Das Besondere dabei ist, dass alle Computer im Netzwerk einer neuen Transaktion zustimmen müssen, bevor sie gültig wird. Dadurch ist Betrug so gut wie unmöglich, denn man müsste die Mehrheit aller Computer gleichzeitig manipulieren.

Die bekannteste Kryptowährung Bitcoin wurde 2009 von der anonymen Person oder Gruppe „Satoshi Nakamoto“ geschaffen. Zum Stand Mai 2025 gibt es über 20.000 verschiedene Kryptowährungen mit einer Gesamtmarktkapitalisierung von etwa 1,8 Billionen Euro. Bitcoin allein erreichte 2025 neue Höchststände von über 100.000 US-Dollar und wird zunehmend von großen Unternehmen als Wertaufbewahrungsmittel genutzt.

Um Kryptowährungen zu verwalten, benötigt man zwei wichtige Werkzeuge: eine Börse (Exchange) und eine Wallet. Eine Krypto-Börse ist wie ein digitaler Marktplatz, wo man Kryptowährungen kaufen, verkaufen und handeln kann. Dort tauscht man herkömmliches Geld gegen digitale Währungen. Eine Wallet hingegen ist das digitale Portemonnaie, das die Kryptowährungen sicher aufbewahrt. Die Wallet speichert dabei nicht die Münzen selbst, sondern die persönlichen Schlüssel – vergleichbar mit dem Schlüssel zum Banksafe. Man erhält zwei Arten von Schlüsseln: einen öffentlichen Schlüssel, den man wie die Kontonummer anderen mitteilen kann, damit sie einem Geld senden, und einen privaten Schlüssel, der wie das persönliche Passwort funktioniert und niemals weitergegeben werden darf. Wenn man diesen privaten Schlüssel verliert, ist das gesamte Kryptovermögen unwiederbringlich verloren – es gibt keine Bank, die helfen könnte, daher ist die sichere Aufbewahrung dieser Schlüssel von entscheidender Bedeutung.

Die Bedeutung von Kryptowährungen zeigt sich in verschiedenen Bereichen. Immer mehr Unternehmen akzeptieren sie als Zahlungsmittel, und die zugrundeliegende Blockchain-Technologie revolutioniert nicht nur Finanzdienstleistungen, sondern auch Bereiche wie Logistik und Vertragsabwicklung. Besonders in Ländern mit instabilen Währungen nutzen Millionen Menschen Kryptowährungen als Alternative zum traditionellen Bankensystem. Dennoch bergen Kryptowährungen auch erhebliche Risiken. Kryptowährungen unterliegen extremen Kursschwankungen, können bei Hackerangriffen verloren gehen und sind noch nicht in allen Ländern klar reguliert.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 23/2025 erschienen.

Über die Autoren

Logo
Monatsabo ab 20,63€
Ähnliche Artikel
2048ALMAITVEUNZZNSWI314112341311241241412414124141241TIER