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Einschätzung: Trumps Aussage ist inhaltlich falsch. Laut dem aktuellen Stand der Forschung lässt sich kein Zusammenhang zwischen Paracetamol und Autismus nachweisen. Auch amische Personen können Autismus haben.
Überprüfung: Amische Personen (2) leben in Gemeinschaften abgeschieden von der Außenwelt, die häufig moderne Technik und Medizin ablehnen. Diesen Umstand griff Trump in seiner Pressekonferenz auf und behauptete, dass amische Personen, die sich nicht impfen lassen oder Medikamente einnehmen, keinen Autismus haben würden. Doch diese Aussage stimmt nicht (3): auch unter den Amischen gibt es Personen mit Autismus. Zwar lassen sich weniger Fälle verzeichnen als in anderen Personengruppen, doch dieser Umstand könnte daran liegen, dass amische Personen seltener Ärzte aufsuchen und sich medizinischen Problemen eher innerhalb ihrer Gruppe widmen (4).
In Amerika ist Autismus weit verbreitet: Eines von 31 Kindern ist betroffen (5). Nach wie vor kursieren im Internet diverse Gerüchte zu den Auslösern von Autismus. Trump behauptete in seiner Pressekonferenz (6), die Einnahme von Tylenol, der amerikanischen Marke hinter Paracetamol, würde bei Schwangeren zu einem erhöhten Risiko von Autismus bei Neugeborenen führen, doch die aktuelle Wissenschaft widerspricht dem.
Laut der US-Arzneimittelbehörde FDA gäbe es Studien (7), die belegen würden, dass das Risiko für Autismus durch eine regelmäßige Einnahme von Paracetamol erhöht sei, so Trump. Trotzdem betonte die Zulassungsbehörde, dass bisher kein kausaler Zusammenhang nachgewiesen werden konnte. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) (8) teilte mit, dass der Einsatz von Paracetamol aufgrund von fehlender Evidenz in der EU unverändert bleibe. Weiters bestätigte die WHO (9) dass keine neuen Studienergebnisse vorliegen, die eine Änderung der aktuellen Empfehlungen rechtfertigen würden.
Auch das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum (PVZ) für Embryonaltoxikologie (Embryotox) an der Berliner Charité äußere sich zu Trumps Aussage (10). Embryotox stellte fest, dass Paracetamol das sicherste Mittel gegen Schmerzen und Fieber sei, das während einer Schwangerschaft eingenommen werden kann. Dabei bewertet das Institut den diskutierten Zusammenhang von Paracetamol und Autismus kritisch: viele Diagnosekriterien würden in diversen Studien uneinheitlich angewendet werden, wodurch statistische Signifikanz für Ergebnisse nur schwer nachgewiesen werden könne.
Der deutsche Berufsverband der Frauenärzte (BFV) verwies in seinem Statement auf die Einschätzung von Embryotox und machte deutlich, dass auch er die Änderung der Empfehlung für die Einnahme von Paracetamol nach der aktuellen Studienlage nicht für nötig hält (11). In ihren Statements betonten alle Institutionen, dass Medikamente in einer Schwangerschaft immer mit Vorsicht und unter Rücksprache mit Fachärzten eingenommen werden sollten.
Laut dem American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) könnte Trumps Warnung dazu führen, dass Schwangere verunsichert werden und notwendige Medikamente nicht mehr einnehmen (12). Fieber ist in Schwangerschaften keine Seltenheit, doch die Behandlung ist sowohl für die Schwangere als auch für das Kind essenziell (13).
Gerade während des ersten Trimesters der Schwangerschaft ist eine erhöhte Körpertemperatur riskant und birgt schwere Nebenwirkungen, wie beispielsweise Fehlgeburten oder Defekte des Gehirns oder der Wirbelsäule des Kindes. Daher ist die Einnahme von fiebersenkenden Medikamenten gerade in Schwangerschaften manchmal notwendig, um die Gesundheit der Schwangeren sowie des Embryos gewährleisten zu können. Auch Experten von scimex (14), einer australischen Organisation, warnten vor hohem Fieber während der Schwangerschaft und machten klar, dass das Risiko für neurologische Krankheiten wie Autismus gerade durch Fieber erhöht sei.
Trump behauptete in seinem Pressestatement außerdem, dass Personen wie die Amischen, die sich nicht impfen, keinen Autismus haben. Amische Personen sind zwar zögerlicher mit Impfstoffen, jedoch lehnen sie diese nicht vollständig ab (15). Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2007 waren 86 Prozent der amischen Kinder in Holmes County gegen mindestens eine Krankheit geimpft (16). Zudem betonte das Robert Koch-Institut (RKI), dass es keinen Zusammenhang zwischen bestimmten Impfungen und dem Auftreten von Autismus gibt (17).
Alycia Halladay von der Autism Science Foundation erklärte gegenüber "Deutschlandfunk" (18), dass Autismus nicht durch Impfungen, sondern insbesondere durch Genmutationen hervorgerufen wird. Auch Dr. Susan Kressly, Präsidentin der "American Academy of Pediatrics" (19) betonte, dass es verschiedene, komplexe Ursachen für Autismus gebe und dass vor allem die Genetik eine entscheidende Rolle spiele. Laut Alex Polyakov (20) von der University of Melbourne würden genetische Faktoren ca. 70 bis 80 Prozent des Gesamtrisikos für Autismus ausmachen. Umwelteinflüsse, wie beispielsweise Medikamenteneinnahme, spielen bei der Entstehung von Autismus nach aktuellem Forschungsstand nur eine nebensächliche Rolle, schrieb kürzlich das Deutsche Ärzteblatt (21).
Quellen:
(1) Facebook- Post mit Video: https://go.apa.at/ChePcHQy (archiviert: https://go.apa.at/ENDroGyP) (Video archiviert: https://go.apa.at/wGkYznuR)
(2) Amish Population Profile 2024: https://go.apa.at/4AYMcmWy (archiviert: https://go.apa.at/z2F7HSPA)
(3) International Society for Autism Research: https://go.apa.at/XNJKZM45 (archiviert: https://go.apa.at/PjWgCaPk)
(4) Artikel "Inquirer": https://go.apa.at/Ic0ihnpt (archiviert: https://go.apa.at/kh8HLLR4)
(5) Statistik zur Häufigkeit Autismus in Amerika: https://go.apa.at/f3AAvXaH (archiviert: https://go.apa.at/QbjCogY8)
(6) Trump zu Paracetamol und Autismus: https://go.apa.at/bEy3OpUj (archiviert: https://go.apa.at/Xv3Mkawz)
(7) Studie zu Paracetamol und Autismus: https://go.apa.at/HOokUMcS (archiviert: https://go.apa.at/Njrw4z6N)
(8) Europäische Arzneimittelagentur (EMA) zu Paracetamol: https://go.apa.at/U09fxfn8 (archiviert: https://go.apa.at/o4qts8Bk)
(9) WHO zu Autismus: https://go.apa.at/OrOeSZzf (archiviert: https://go.apa.at/kwDrNxoo)
(10) Embryotox zu Paracetamol: https://go.apa.at/y2sx7dUK (archiviert: https://go.apa.at/e7y4twBc)
(11) Berufsverband der Frauenärzte (BVF) zu Paracetamol: https://go.apa.at/A1FhraON (archiviert: https://go.apa.at/WwTxoeQw)
(12) American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) zu Paracetamol: https://go.apa.at/DLRKr3vc (archiviert: https://go.apa.at/zN1CrWmP)
(13) Fieber in Schwangerschaften: https://go.apa.at/pNZOGttg (archiviert: https://go.apa.at/3GGZcmB8)
(14) Scimex zu Paracetamol: https://go.apa.at/FhHKwCeH (archiviert: https://go.apa.at/PMiOTMW8)
(15) Studie zu Impfungen von Amischen: https://go.apa.at/HJsvar1E (archiviert: https://go.apa.at/JumGdJMQ)
(16) Umfrage zu Impfungen bei amischen Kindern: https://go.apa.at/nLBiChtt (archiviert: https://go.apa.at/94smK5Hm)
(17) RKI zu Impfungen und Autismus: https://go.apa.at/VQNNap9j (archiviert: https://go.apa.at/nZcRAWfA)
(18) Artikel "Deutschlandfunk" zu Impfungen und Autismus: https://go.apa.at/T1XrZyJZ (archiviert: https://go.apa.at/fKuHtOyH)
(19) American Academy of Pediatrics zu Autismus: https://go.apa.at/97gTzsxE (archiviert: https://go.apa.at/1Q9SCyjd)
(20) Website von Universität Melbourne zu Alex Polyakov: https://go.apa.at/ud9w8A5V (archiviert: https://go.apa.at/TcZMvtrG)
(21) Deutsches Ärzteblatt zu Paracetamol: https://go.apa.at/vp53qhk8 (archiviert: https://go.apa.at/LeHjb8yD)
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PRODUKTION - 17.12.2022, Berlin: Blick auf den Fiebersaft mit dem Wirkstoff Paracetamol. Angesichts der Engpässe von bestimmten Medikamenten klagt die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) über unnötige Bürokratie. (zu dpa «Apothekerverband zu Medikamenten-Engpass: Bürokratie erschwert Arbeit») Foto: Jörg Carstensen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++.